Problem Budget-Deckel: Muss Newey kürzertreten?

Red Bull kämpft mit Budget-Deckel
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Muss Adrian Newey kürzertreten?

Red Bull - Marko, Horner & Newey - Formel 1 2023 © Red Bull 37 Bilder

Der Budgetdeckel ist für die großen Teams ein Problem. Besonders für Red Bull. Das Kostenlimit macht den Klassenbesten anfällig für Abwerbungen der Konkurrenz und zwingt ihn intern zu Umbaumaßnahmen. Auch Adrian Newey bleibt nicht verschont.

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Nichts ist für einen Unterhaltungsbetrieb schlimmer als Berechenbarkeit. Als Liberty 2017 die Formel 1 übernahm, setzte sich der amerikanische Medienkonzern das Ziel, mittelfristig die langen Phasen der Überlegenheit einzelner Teams zu beenden. McLaren, Williams, Ferrari, Red Bull und Mercedes hatten die Königsklasse jeweils über viele Jahre beherrscht.

Die GP-Sieger kamen aus einem kleinen Kreis von Teams, und die waren nicht ganz zufällig die mit dem größten Geldbeutel. Immer seltener blieb das Titelrennen bis zum Finale offen. Das wurde für die Formel 1 zum Spannungskiller. Liberty setzte deshalb eine alte Idee von Max Mosley in die Tat um. Eine Budgetdeckelung sollte die Chancengleichheit erhöhen.

© Red Bull

Trotz Budget-Deckel dominierte Red Bull in der Saison 2023.

Ist der Budget-Deckel ein Flop?

2021 wurde sie schrittweise eingeführt. Zuerst durften die Teams 145 Millionen Dollar ausgeben, dann 140 und schließlich 135. Tatsächlich war es immer mehr als das. Mit allen Zulagen und Sonderregelungen liegt das Kostenlimit heute bei rund 150 Millionen Dollar. Eine machbare Grenze für alle Teams. 2023 lagen 80 Prozent aller Teams an der Obergrenze.

Trotzdem ist die Formel 1 immer noch eine Vierklassengesellschaft und hat im dritten Jahr der Budgetdeckelung die größte Überlegenheit eines Teams und eines Fahrers in ihrer Geschichte erlebt. Vorneweg Red Bull, dann die Verfolger Mercedes, Ferrari, McLaren und Aston Martin, gefolgt vom einsamen Alpine und dem Rest.

Williams, Alpha Tauri, Sauber und Haas hamsterten nur 81 der 2.460 möglichen Punkte. Das ist eine Quote von 3,29 Prozent. So krass war das Gefälle noch nie. Dabei steht das Geschehen auf der Rennstrecke in einem krassen Missverhältnis zu den Resultaten. Im Q1 waren die 20 Autos oft nur durch eine Sekunde getrennt. Noch nie lag das Feld so eng zusammen.

© McLaren

Mit einem modernen Windkanal kann man Geld im operativen Geschäft sparen.

CapEx hilft OpEx

Trotzdem muss man sich die Frage stellen: Hat die Budgetdeckelung versagt? Die Antwort ist unbefriedigend: Ja und nein. Sie funktioniert anders als gedacht, und es wird Jahre dauern, bis sie ihre Wirkung zeigt. Länger als es Liberty lieb ist.

Gleiches Budget bedeutet nicht automatisch eine Nivellierung der Wettbewerbsfähigkeit. Wenn alle die gleichen Mittel für das operative Geschäft haben, dann entscheiden die Infrastruktur und die Qualität der Mitarbeiter. Wobei die Infrastruktur direkten Einfluss auf das Entwicklungsbudget und das Personal hat.

Ein besserer Windkanal, Simulator, Prüfstände oder Software sparen Geld im operativen Geschäft, das durch den Kostendeckel (OpEx) limitiert ist. Und das kann man dann in gute Leute oder mehr Entwicklungsschleifen investieren. Für Kapitalinvestitionen (CapEx) gibt es ein eigenes Limit. 65 Millionen Dollar innerhalb von vier Jahren. Insofern sind die großen Teams weiter im Vorteil. Sie haben diese Infrastruktur bereits. Die anderen müssen sie zukaufen. Das kostet Zeit.

© Aston Martin

Um Ingenieure auszulagern aber nicht ganz zu verlieren, haben viele F1-Teams externe Technik-Projekte gestartet.

Schlupflöcher werden beseitigt

Es ist kein Zufall, dass Aston Martin und McLaren in den letzten zwei Jahren massiv in die Ausstattung der Fabrik investiert haben, dass Williams und Sauber gerade dabei sind, ihre Standorte zu modernisieren, dass Alpha Tauri seine Synergien mit Red Bull verbessern will und Günther Steiner sich mit seinem Chef Gene Haas zerstritten hat, weil er genau das tun wollte, Haas aber nicht.

Beim Fachpersonal ist es nicht so einfach. Die großen Teams operieren weiterhin mit 800 bis 1.000 Mitarbeitern, weil sie gute Leute nicht an die Konkurrenz verlieren wollen. Lieber stecken sie ihre Gutverdiener in andere Projekte und lassen sie nur Teilzeit in der Formel 1 arbeiten. Die FIA hat mit einer Direktive im April 2023 dieses Schlupfloch zugemauert. Wer einen Beitrag zur Formel 1 leistet, wird dem operativen Budget voll angerechnet.

Das erhöht den Druck auf die großen Teams. Ihre Möglichkeiten, gute Ingenieure mit Geld zu halten, sind begrenzt, weil nur die drei Bestverdiener vom Kostendeckel ausgenommen sind. Und anderswo gibt es vielleicht nicht nur ein besseres Gehalt, sondern auch einen Direktorenposten, der im eigenen Stall schon besetzt ist.

© McLaren/ZakBrown

Mit Rob Marshall (3.v.r.) hat McLaren einen großen Fisch von Red Bull abgeworben.

Direktorenposten als Köder

Red Bull hat deshalb sein Technikbüro in viele kleine Spezialdisziplinen zersplittert, um genügend attraktive Stellen im eigenen Haus anbieten zu können. McLaren hat dieses System übernommen. Das aber hat einen Haken. Wenn mal alle Projekte besetzt sind, können ihre Leiter nicht mehr weiter aufsteigen. Wegen der Spezialisierung ist das Wechseln von einem Bereich in den anderen schwierig.

Deshalb blüht der Markt der Ingenieure. Besonders angreifbar sind die erfolgreichen und großen Teams, die ihren Mitarbeitern außer der Erfolgsstory nicht mehr viel zu bieten haben. An erster Stelle steht Red Bull. Das Meisterteam hat querbeet Leute an die Konkurrenz verloren. Die meisten aus der zweiten oder dritten Reihe. Aber auch das tut weh, und wenn es nur die Gegner stärkt.

Technikdirektor Pierre Waché und Aerodynamikchef Enrico Balbo widerstanden den Lockrufen der Headhunter. Und doch hat der Verbleib der Schlüsselfiguren einen Preis. Sie rutschen damit vom Gehalt in einen Bereich, der das Team mit dem Budget-Deckel in Konflikt bringt, wenn man nicht gegensteuern würde. Im Mittelpunkt steht dabei Technikpapst Adrian Newey.

© Red Bull

Aktuell ist Adrian Newey einer der drei Höchstverdiener bei Red Bull. Sie sind vom Budget-Deckel ausgenommen.

Das Problem mit Adrian Newey

So ist offenbar geplant, Newey mittelfristig ganz auf das Hypercar-Projekt RB17 zu setzen, damit eine der drei Großverdiener-Stellen für andere frei wird. Momentan arbeitet der Stardesigner noch teilweise im Formel-1-Team, doch das soll sich ändern. Newey könnte sich bald schon voll dem RB17 widmen.

Auch, weil die FIA ganz genau darauf schaut, ob es technischen Synergien zwischen der Formel 1 und dem Straßensportwagen gibt. "Von unseren Gegnern wird es so ausgelegt, dass der Unterboden des RB17 Erkenntnisse für das Formel 1-Auto bringt, was natürlich ein völliger Blödsinn ist. Deshalb muss man da eine Lösung finden", erklärt Marko.

Mit Dan Fallows und Rob Marshall haben nur zwei bekannte Namen aus dem Red Bull-Kader die Seiten gewechselt. Aston Martin köderte nicht nur Fallows und seinen ehemaligen Red-Bull-Kollegen Andrew Alessi, sondern von Mercedes auch noch Eric Blandin. Das Ergebnis war ein Auto, mit dem Fernando Alonso achtmal auf das Podium fuhr. Erst bei der Weiterentwicklung des AMR23 trat das Team auf der Stelle.

© McLaren

Die Tricks von Red Bull wandern durch die Überläufer zur Konkurrenz.

Red-Bull-Trick spricht sich herum

Rob Marshall begann seine Arbeit bei McLaren am 1. Januar. Der frühere Chefdesigner von Red Bull bringt noch aktuelleres Wissen von seinem Ex-Team mit. Red Bull will an Modifikationen an der Hinterachse des MCL60 bereits Ähnlichkeiten zum Red Bull erkannt haben. Die Informationen sind wahrscheinlich aus einer anderen Quelle gekommen. Marshall hatte 2023 noch eine Arbeitssperre.

In diesem Jahr werden viele Autos mit dem Red-Bull-Trick bestückt sein. Die Überläufer haben ihr Knowhow nicht nur zu Aston Martin oder McLaren getragen. Auch Ferrari, Mercedes, Williams und Haas wissen nun Bescheid.

Es gibt noch einen weiteren Grund, der es Red Bull schwer macht, den technischen Vorsprung zu konservieren. Die Groundeffect-Autos stoßen schneller an ihr Entwicklungslimit als die Fahrzeuggeneration davor. Man kann nicht endlos mehr Abtrieb unter dem Auto generieren. Irgendwann holt alle das Bouncing ein. Das ist Physik.

© Red Bull

Red Bull geht ans Limit. Der neue RB20 fiel im ersten Versuch durch den FIA-Crashtest.

Red Bull fällt durch den Crashtest

Auch der Federung sind Grenzen gesetzt. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko erinnert dabei an die einzige Schwachstelle des RB19: "Auf gewissen Strecken kommst du auf keine Zeit, wenn du die Kerbs nicht benutzen kannst." Man muss sich entscheiden zwischen Komfort und Anpressdruck. Red Bull wählte in Singapur die falsche Richtung.

Mercedes-Technikchef James Allison glaubt, dass Red Bull nur noch begrenzt Spielraum hat, sein Auto zu verbessern, weil das Reglement nicht mehr viel hergibt. Deshalb geht der Titelverteidiger bei der Entwicklung in allen Details noch mehr ans Limit.

Auch beim Gewicht und der Form der Nase. Der Crashtest wurde zwar bestanden, aber nicht im ersten Anlauf. Marko scherzt: "Wenn du beim ersten Mal durchkommst, hast du was falsch gemacht. Wir hatten schon Zeiten, da waren wir erst kurz vor den Testfahrten damit durch. Für die Risiko-Philosophie von Red Bull sind wir sogar noch früh dran."

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