Porsche prüft weiter: F1-Einstieg realistisch?

Porsche prüft weiter
Wie realistisch ist ein Formel-1-Einstieg noch?

Porsche F1 Concept - Mark Antar Design
Foto: Mark Antar Design

Es war der große Traum des Formel-1-Managements. Und der erste große Rückschlag in einer Zeit, in der die Königsklasse scheinbar ohne Ende boomt. Mit dem neuen Motoren-Reglement ab 2026 lockt die Formel 1 mit Audi einen neuen Hersteller in den GP-Zirkus. Das ist sicher. Mit Porsche hatte man einen zweiten dicken Fisch an der Angel. Doch Red Bull ließ den Traum von zwei großen Marken aus dem VW-Konzern in der Formel 1 vorerst platzen. Und das F1-Management für einen Moment trauern.

Dabei schien alles bereitet: Red Bull und Porsche hatten zunächst den Willen, sich zu verbünden. Doch dann trat der Sportwagenhersteller aus Sicht von Red Bull bereits vor Abschluss eines Vertrages zu bestimmend auf. Teamchef Christian Horner und Sportchef Helmut Marko fürchteten um die Unabhängigkeit des Teams. Red Bull sah sich bereits in endlosen Meetings gefangen, statt schnell und flexibel Entscheidungen zu treffen. Vor dem GP Italien teilte man der Öffentlichkeit mit, dass es zu keinem Deal kommen würde. Der Rennstall des Brauseherstellers will sein eigener Herr bleiben.

Max Verstappen - Red Bull - GP USA - Austin - 23. Oktober 2022
Red Bull

"Porsche spricht mit F1-Teams"

Seit Mitte September ist es ruhig geworden um Porsche. Dass weiter Interesse an einem Einstieg in die Formel 1 bestünde, hatte Zuffenhausen schon nach den gescheiterten Verhandlungen mit Red Bull kommuniziert. Nur soll Porsche zum Szenario mit Red Bull – einer Partnerschaft auf Augenhöhe – keinen Plan B geschmiedet haben. Und einen solchen schnell zu entwerfen und umzusetzen, ist eigentlich nicht möglich. Speziell in einem Umfeld wie der Formel 1, wo jeder Tag für die Performance auf der Rennstrecke zählt.

Zunächst waren schnell Gerüchte um eine mögliche Verbindung zwischen Porsche und Aston Martin aufgekommen. Jedoch haben die sich seit Wochen nicht erhärtet. In der Szene heißt es daher, dass es eher schlecht um einen Porsche-Einstieg in die Formel 1 stünde. Unrealistisch für 2026 winkten Insider ab. Doch vor dem GP USA heizte der Weltverband FIA selbst die Spekulationen um Porsche wieder an. Nach einem Treffen des Weltrats wurde FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem (am 19.10) mit den Worten zitiert: "Wir stellen außerdem fest, dass Porsche noch Gespräche mit Formel-1-Teams führt."

Porsche will mindestens 50 Prozent

Das klingt danach, dass Porsche den Traum Formel 1 noch nicht abgeschrieben hat. Nach den gescheiterten Verhandlungen mit Red Bull prüft der Hersteller offenbar auch Wochen danach weiter, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, in die Königsklasse einzutreten. Im Zuge der Verhandlungen mit Red Bull wurde klar, was der Stuttgarter Autobauer will: mindestens 50 Prozent eines Teams kaufen. Daher kommt McLaren, mit dem Audi ursprünglich verhandelte, nicht infrage. Als mögliche Kandidaten werden im Fahrerlager daher Alpha Tauri, Haas und Williams genannt.

Allerdings gäbe es einige Hürden zu nehmen, welche die Übernahmekandidaten selbst und den Motor betreffen. Dass sich Porsche mit Red Bull verbünden wollte, zeigt die Fallhöhe. Der Autobauer wollte ohne Umwege an die Spitze der Formel 1. Mit anderen Worten: Porsche hat nicht bekommen, was man wollte. Und das wird man auch nicht mit Alpha Tauri, Haas oder Williams, obwohl deren Preis natürlich viel geringer ist. Weil es sich hier um Teams aus dem Mittelfeld handelt, deren Infrastruktur erstmal aufgebaut werden müsste.

Das Audi-Problem

Das müsste zwar auch Audi mit Sauber, doch hier ist die Basis eine andere. Sauber hat einen modernen Windkanal in Hinwil stehen, und auch in einen Fahrsimulator investiert. Es braucht sicher mehr, doch das Team weiß, wie man effizient arbeitet. Branchenkenner sehen eher die Gefahr, dass die hohen Lohnkosten in der Schweiz sich mit der Budgetdeckelung in der Formel 1 auf dem Weg in die Spitze beißen – insofern, als dass Ingenieure in England weniger kosten.

Einfach gesagt, in der Schweiz muss man wählen: weniger Ingenieure und dafür mehr Geld für die Entwicklung. Oder umgekehrt. 520 Mitarbeiter in der Schweiz entsprechen von den Lohnkosten her einem Team der Größe von etwa 600 Angestellten in England. Mehr Köpfe gleich mehr Ideen für die Fahrzeugentwicklung.

Mick Schumacher - Haas - GP USA 2022 - Austin
Wilhelm

Die Option Alpha Tauri

Alpha Tauri ist eng mit dem großen Bruder Red Bull verflochten. Das Team bezieht Teile aus Milton Keynes. Alpha Tauri sitzt zwar im italienischen Faenza, doch man nutzt den Windkanal von Red Bull in England. Red Bull selbst plant zwar, 2024 aus Bedford auszuziehen und einen neuen Windkanal am Campus Milton Keynes aufzubauen. Weil die Anlage in Bedford veraltet ist, was sie auch nicht attraktiv für einen Hersteller wie Porsche machen würde.

Der Porsche-eigene Windkanal in Weissach ist keine Alternative. Er ist für 1:1-Modelle gebaut. In der Formel 1 sind nur 60 Prozent erlaubt. Darüber hinaus sei der Porsche-Windkanal nicht effizient genug, heißt es. Deshalb wurde die Entwicklung des LMP1-Autos für Le Mans damals in den Williams-Windkanal ausgelagert. Heutzutage entwickelt man ein Formel-1-Auto zwar viel über CFD. Jedoch braucht man den Windkanal, um die Ergebnisse vom Computer ständig abzugleichen und die Software entsprechend aufzuwerten. Deshalb sagen Experten, dass man einen guten Windkanal auch noch in den nächsten zehn Jahren brauchen wird, um erfolgreich zu sein.

Die Optionen Haas & Williams

Haas bezieht rund 70 Prozent der Teile von Ferrari. Das Chassis baut der italienische Hersteller Dallara im Lohnauftrag. Haas hat zwischen 250 und 300 Angestellte. Das ist für Formel-1-Verhältnisse winzig klein. Man hat keinen eigenen Windkanal. Das Modell funktioniert nur, weil man eng mit Ferrari verdrahtet ist. Das wäre nicht mehr möglich, wenn Porsche mitspricht. Zuffenhausen müsste massiv in die Infrastruktur investieren und Ingenieure anwerben. Um mit den Topteams zu konkurrieren, müsste man die Mitarbeiterzahl schon verdreifachen.

Williams hat von den drei Kandidaten noch die meisten Mitarbeiter. Allerdings ist die Infrastruktur ziemlich veraltet. Jahrelang wurde in Grove nicht investiert. Weder in Windkanal noch in Maschinen für den Bau der Autos. Das soll erst seit der Übernahme durch Dorilton Capital vor zwei Jahren wieder angelaufen sein. Der Wiederaufbau des Teams dauert. Insider beteuerten mehrmals in dieser Saison, dass der US-Investor bereit sei, diesen Weg zu gehen. Zuletzt wurde während des GP Singapur erwähnt, dass Porsche nicht mal angeklopft habe.

Porsches Motorenproblem

Infrastruktur, Werkzeuge, Arbeitskraft: Das wäre das eine Problem für Porsche. Es wartet noch ein zweites, ein wahrscheinlich größeres. Wie soll man einen eigenen Motor bauen? Es besteht keine Infrastruktur dazu. Audi hat diese bereits geschaffen, und sich weitere Prüfstände bestellt. Das Formel-1-Projekt – Team und Motor – ist bis ins Detail aufgegleist.

Porsche müsste erstmal die Voraussetzungen für einen Motorbau schaffen. Das zeigt auch die gescheiterte Episode mit Red Bull. In Milton Keynes hat sich Red Bull einen eigenen Motorencampus aufgebaut. Dort hätte sich Porsche einklinken können – und Knowhow auf der Elektro-Seite beisteuern können. Immerhin: In Deutschland wären die Kompetenzen für einen eigenen Motor – Verbrenner und Elektro – gebündelt. Hier sitzen kompetente Zulieferer wie beispielsweise Bosch.

Porsche F1 Concept - Mark Antar Design
Mark Antar Design

F1-Einstieg ab 2026 unrealistisch

In dieser Gemengelage ist ein Einstieg für 2026 derzeit unrealistisch. Dafür fehlt schlicht der Vorlauf – und der Plan B, den man hätte direkt aus der Schublade ziehen müssen. Doch Porsche war zu sehr auf die Braut Red Bull fixiert. Sollte Porsche, wie es der FIA-Präsident sagt, weiter mit der Formel 1 liebäugeln, dann eher für die Jahre danach. Sofern man wirklich bereit ist, erstmal Steine zu fressen. Die Etablierten würden ihren ohnehin schon vorhandenen Erfahrungsvorsprung vergrößern – und Audi gleich mit. Wie schmerzhaft eine Aufholjagd auf der Motorenseite sein kann, hat Honda ab 2015 erfahren.

Falls Sie sich die Frage stellen sollten: Warum zieht Porsche nicht gleich ein eigenes Team hoch? Dieser Fall soll tatsächlich vor ein paar Jahren mal geprüft worden sein. Für den Standort Deutschland und England. Das Ergebnis für Deutschland: zu teuer und zu wenige Ingenieure mit Formel-1-Hintergrund. Die sitzen vornehmlich in England. Und dort wäre ein Aufbau von null weg zu langwierig gewesen. Und auch zu teuer. Das geht in die Milliarden.

Noch eine mögliche Frage: Wieso nimmt Porsche nicht einfach den Audi-Motor? Sie sind doch beide im VW-Konzern. Und Oliver Blume ist doch sowohl Chef von Porsche als auch von VW. Das würde allerdings einem Gesichtsverlust von Porsche gleichkommen. Beide Konzerne blickten jeweils argwöhnisch auf die Formel-1-Pläne des anderen. Eine gewisse Schadenfreude dürfte daher in Ingolstadt nach der Red-Bull-Absage an Porsche aufgekommen sein.