Nach dem Saisonauftakt in Bahrain schien die Sache klar: Das wird wieder ein Durchmarsch für Max Verstappen. Wer sollte den schnellsten Fahrer im schnellsten Auto schlagen? Teamkollege Sergio Perez traute man wie im Vorjahr ein paar Highlights zu, mehr aber auch nicht. Auch weil Verstappen gefühlt der Kapitän im Team ist und im Zweifel immer die besseren Karten bekommt.
Nach vier Rennen kommen Zweifel auf. Nach Siegen steht es 2:2. Perez ist Verstappen einen Sprint-Sieg voraus, hat aber eine Pole Position weniger. Nach Punkten liegt der Weltmeister mit 93:87 in Führung. Das ist knapper als viele vorherzusagen wagten.
Perez gewann seine Rennen auf den Straßenkursen von Jeddah und Baku. Da ist er traditionell stark. "Ich mag diese Art Rennstrecken. Du musst mit dem Druck umgehen können, keinen Fehler machen zu dürfen. Vielleicht habe ich mehr Vertrauen in mich selbst als andere." Gleichzeitig gibt Verstappen zu, dass Stadtkurse nicht zu seinen Favoriten zählen: "Ich habe lieber flüssige und schnelle Kurven."

Baku-Sieg kein Geschenk
Perez hat der zweite Saisonsieg sichtlich Auftrieb gewonnen. Weil er ihn ähnlich wie in Jeddah im direkten Duell gegen seinen Stallrivalen gewonnen hat. Auf jede schnelle Runde von Verstappen wusste er eine Antwort. Er hat es in beiden Fällen erfolgreich geschafft, seinen Gegner im eigenen Stall aus dem DRS-Bereich zuhalten. "Max kam mir nie näher als 1,1 Sekunden. Das war wichtig. Bei unserem DRS-Effekt bist du fällig, wenn der andere zu dicht aufschließt."
Verstappen konnte dem unglücklichen Timing des Safety-Cars die Schuld geben, warum er nicht in Baku gewonnen hat. Das Safety-Car ging just in dem Moment auf die Strecke, als der Holländer gerade seinen Boxenstopp abgespult hatte. Seine Verfolger, darunter Perez, bekamen einen Gratis-Stopp.
Doch Perez weigert sich von einem Geschenk zu sprechen: "Ich habe das Rennen gewonnen, weil ich schneller war." Der WM-Zweite hatte im ersten Stint seine Medium-Reifen besser in Schuss gehalten und näherte sich bereits dem DRS-Fenster des anderen Red Bull. Das zwang Verstappens Crew zum Handeln. Sonst hätte Perez einen Angriff auf der Strecke gewagt. "Max kam an die Box, weil er Probleme mit seinen Reifen hatte."

Die Rückkehr zum Reifenflüsterer
In seiner Zeit bei Sauber und Racing Point stand Perez im Ruf ein Reifenflüsterer zu sein. Doch plötzlich traf er bei Red Bull auf einen Teamkollegen, der das besser konnte als er. "Der Red Bull ist ein anderes Auto, das anders gefahren werden muss. Gegen Ende der Saison 2021 wurde ich besser, doch dann kamen die neuen Autos und ich wurde wieder zurückgeworfen", erinnert sich Perez.
Im Winter ging der sechsfache GP-Sieger mit seinen Ingenieuren in Klausur. "Da habe ich viel gelernt. Ich verstehe jetzt das Auto besser und fühle mich mehr denn je als Red-Bull-Fahrer. Für mich ist das der Schlüssel. Ich bin am Sonntag ein besserer Fahrer geworden und werde deshalb auf jeder Strecke stark sein."
Und dann zeigt Perez, dass sein Selbstvertrauen mit den beiden Siegen enorm gewachsen ist: "Was ich in Baku geschafft habe, kann ich überall schaffen." Der Mexikaner sieht eine echte Titelchance und redet schon wie ein angehender Weltmeister. "Ich denke von Rennen zu Rennen und nicht an den Titel. Das kostet nur Energie. Nach jedem Grand Prix frage ich mich: Was habe ich falsch gemacht, was könnte ich besser machen?"
So wie nach dem GP Australien, bei dem ihn ein Missgeschick im Q1 das ganze Wochenende gekostet hat. "In diesem Duell geht es darum, nicht den geringsten Fehler zu machen."

Gleiche Chancen für Perez
Perez ist felsenfest überzeugt, dass ihm Red Bull gleiche Chancen gibt wie dem zweifachen Weltmeister im Team. "Sie haben uns in Jeddah und Baku bis zum Schluss kämpfen lassen, obwohl man dadurch riskiert, dass ein Defekt auftritt. Sie wissen, dass wir Respekt voreinander haben. Deshalb haben wir freie Fahrt. Max und ich sind in Baku bis zur letzten Runde voll gefahren. Das zeigen schon unsere Mauertreffer."
Der Mann der Stunde ließ sich auch von einer für ihn enttäuschenden Saison 2022 nicht entmutigen. "Ich bin mental stark. Das war ich schon immer. Ich weiß, dass es eine der schwersten Aufgabe ist gegen Max zu bestehen, aber ich glaube an mich und meine Fähigkeiten. Deshalb glaube ich auch, dass ich ihn schlagen kann."