Die Steilkurven von Monza sind das vielleicht berühmteste Denkmal im Motorsport. Die Nordkurve der Avus wurde abgerissen, das Banking in Brooklands dämmert in schlechtem Zustand dahin. Von Reims blieb nur die alte Boxenanlage übrig, vom Bremgartenring ein paar Stücke Asphalt. Und von vielen anderen Rennstrecke der Vergangenheit noch nicht einmal das.
In Monza lebt die Geschichte, da hat selbst der Grand-Prix-Kurs Patina angesetzt. Die ganze Anlage ist ein Museum. Wer in den Königlichen Park fährt, spürt, dass hier der Rennsport zu Hause ist. Vieles an Monza ist rekordverdächtig: Der Kurs wurde 1922 in nur 100 Tagen erbaut. Er verband zwischen 1955 und 1969 zwei Rennstrecken in einer. Und kein Ort hat mehr Grands Prix gesehen als das Autodromo Nazionale: 71 in 72 Jahren.

Monza im Wandel
Es ist immer noch genug von der alten Streckenführung übrig, um sich vorzustellen, wie das früher einmal war. Die Schikanen am Ende der Zielgeraden, in der Roggia-Kurve und dem Ascari-Bogen sind ein wenig künstlich, doch sie stören nicht mehr so wie in der Anfangszeit, als sie dem Hochgeschwindigkeitskurs seinen Charakter raubten. Bis 1971 gab es nicht eine langsame Kurve. Viele montierten ihre Flügel ab, weil das schneller war. Und es ging Monza immer darum, die schnellste Strecke im Kalender zu sein.
Eine Zeit lang musste das Autodrom diesen Titel abtreten, doch als später die Schikanen etwas schneller gesteckt und die Motoren immer stärker wurden, fielen selbst die alten Rekorde. In der Saison 2020 kreiste Lewis Hamilton in 1.18,887 Minuten und 264,363 km/h um den 5,793 Kilometer langen Kurs.
Monza war immer der Tempel des Speeds. 1955 wollten die Streckenbetreiber das dadurch untermauern, dass sie das alte Oval modernisierten. Die 4,250 Kilometer lange Bahn wies zwei stark überhöhte Kurven mit einem Radius von 320 Metern und bis zu 38 Grad Neigung auf.
Zum Vergleich: Die neue Zielkurve von Zandvoort ist um 18 Grad überhöht, und das kommt einem schon steil vor. In der Serraglio-Passage kreuzt die Nordkurve den Straßenkurs. Die Südkurve liegt außerhalb der ebenfalls 1955 renovierten Porfido-Kurve, die danach wegen ihres Profils Parabolica genannt wurde.

Geteilte Zielgerade
Dadurch ergab sich die Möglichkeit, die beiden Strecken miteinander zu kombinieren, was zu einer Gesamtlänge von knapp über zehn Kilometern führte. Die Zuschauer auf der Haupttribüne bekamen gleich doppelt Action geboten.
Wenn die Autos aus der Parabolica schossen, wurden sie automatisch auf die Innenbahn der Zielgeraden geführt. 300 Meter hinter den Boxen zweigte die erste Steilkurve in den Wald ab. Die zweite Steilwand leitete die Autos wieder auf die Außenseite der Zielgeraden zurück. Sie hatte Extrabreite und wurde in den ersten Jahren noch durch Poller in zwei Fahrstreifen getrennt.
Das Debüt 1955 war ein voller Erfolg. Mercedes verabschiedete sich mit einem Doppelsieg von der Formel 1. Die Stromlinienkarossen erreichten in den Steilkurven Geschwindigkeiten von bis zu 285 km/h.
Auch 1956, 1960 und 1961 war die Formel 1 auf der kombinierten Strecke zu Gast. Da sich die Betonplatten bewegten, wurde die Bahn aber schnell zu einer gefährlichen Rüttelpiste. 1960 zogen die englischen Teams ihre Nennung aus Sicherheitsgründen zurück. Ferrari hatte freie Bahn zu einem geschenkten Sieg.

Polizei sperrt Oval
1961 traf man sich zum letzten Mal im Oval. Als der Veranstalter 1963 einen weiteren Grand Prix auf der Zehn-Kilometer-Variante erzwingen wollte, kam es nach dem ersten Training zum Eklat. Nach einigen Aufhängungsbrüchen, Reifenschäden und wilden Drehern schritt die Polizei ein.
Sie verbot die Fortführung der Aktivitäten in der Steilwand. Sie fürchtete um die Sicherheit von Zuschauern und Fahrern. Die Veranstaltung wurde sehr zur Erleichterung der Piloten auf dem Straßenkurs weitergeführt. Die 1.000-Kilometer-Rennen fanden aber weiter unbeirrt auf der großen Strecke statt und wurden ab 1966 durch zwei Schikanen vor den Steilkurven entschärft. Nach 1969 fiel der Vorhang endgültig.
Doch das Monument blieb. Es wurde vor einigen Jahren renoviert, so dass sogar Demo-Fahrten möglich sind. Die beiden Betonschleifen mitten durch den Wald sind schon ohne Autos eindrucksvoll. Immer wenn man davorsteht, stellt man sich unweigerlich vor, wie es wohl gewesen sein muss, als sich die Fahrer mit Vollgas in die obere Spur einfädelten und sich dann von den Fliehkräften in die Wand pressen ließen, von der oberen Kante nur durch eine rostige Leitplanke getrennt. Das Ganze noch im Pulk.
Lewis Hamilton hat uns 2015 ein bisschen Vergangenheit spüren lassen. Der Weltmeister nagelte mit einem Mercedes W196 volle Kanone durch das Oval. Es war ein Bild für Götter. Die bestens Szene des Showruns haben wir noch einmal in der Galerie für Sie zusammengestellt.