Endlich Punkte. Und das gleich im Sechserpack. Nico Hülkenberg fuhr sich im dritten Rennen seines Comebacks von null Punkten auf den neunten Platz im WM-Klassement. Es hätte sogar noch mehr sein können, doch der Protest von Haas gegen die Wertung vor dem letzten Re-Start wurde abgewiesen. Andernfalls hätte Hülkenberg im Rennen Rang sechs belegt.
Der US-Rennstall hatte Einspruch eingelegt, weil die Rennleitung die Reihenfolge für den dritten Re-Start mit der des zweiten minus die verunfallten Autos bestimmt hatte. Das war gleichbedeutend mit dem Überfahren der Startlinie, bevor der Mini-Grand-Prix mit der Kollision der beiden Alpine-Piloten und dem Auffahrunfall von Logan Sargeant in Nyck de Vries im Chaos endete und zum sofortigen Abbruch führte.

Hülkenberg vor Norris an der SC2-Linie
Haas-Teammanager Peter Crolla jedoch hatte die Regeln ganz genau gelesen. Aus seiner Sicht musste für die Reihenfolge des dritten Re-Starts die letzte Linie herangezogen werden, an der man sicher die Positionen der Autos messen konnte. Und das war die Safety-Car-2-Linie hinter der Boxenausfahrt und nicht die vorgelagerte Startlinie.
Da hatte Hülkenberg mit einem Blitzstart bereits Lando Norris überholt. Es war bis zu diesem Zeitpunkt rund 200 Meter hinter der Startlinie die einzige Platzverschiebung im bereits dezimierten Feld. Abzüglich der vier verunfallten Autos, des umgedrehten Aston Martin von Fernando Alonso und dem Ausflug ins Kiesbett von Lance Stroll kehrte Hülkenberg sogar auf dem vierten Platz aus der vorletzten Runde zurück.
Doch die Sportkommissare spielten nicht mit. Sie lehnten den Protest 5:20 Stunden nach der Zielflagge ab. Begründung: Die SC2-Linie liegt in der Bremszone der ersten Kurve. Die dort bezogenen Positionen hingen davon ab, wer früh und wer spät bremste, waren also eher "zufällig". Da die Rennleitung schnell handeln musste, war der Stand an der Startlinie als Grundlage zuverlässiger.
Man wollte sich auch nicht auf GPS-Messungen verlassen, was eigentlich nicht relevant ist, weil an den offiziellen Zeitlinien mit Induktionsschleifen gemessen wird. Wäre das Rennen eine Runde später abgebrochen worden, hätte Haas Recht bekommen. Weil dann das Feld sortiert gewesen wäre und die SC2-Linie tatsächlich zur Anwendung gekommen wäre.
Den Einspruch gegen das Urteil der Sportkommissare zog Haas drei Tage später endgültig zurück. Man schätzte die Risiken bei einer Neubewertung des Falls größer ein als die Chancen. Damit ist das Ergebnis des Melbourne-Rennens offiziell.

Haas-Probleme im Verkehr
Haas kann auch so zufrieden sein. Es hätte auch ganz anders ausgehen können. Hülkenberg stand bei dem zweiten Re-Start auf gebrauchten Soft-Reifen. Alle Fahrer um ihn herum hatten neue, weiche Reifen. Was in den verbleibenden zwei Runden ein veritabler Grip-Vorteil gewesen wäre und den gewonnen Platz schnell wieder hätte kosten können.
Trotz des Reifennachteils legte Hülkenberg den dritten astreinen Start an diesem Tag hin. Das war in allen drei Fällen das Fundament für ein Rennen, in dem der Rheinländer von Anfang bis Ende in den Punkterängen lag. Das allein schon war ein Kompliment für ein Team, das in den ersten beiden Rennen in der zweiten Tabellenhälfte kämpfte.
Doch Haas zeigte bereits in Jeddah mit dem zehnten Platz von Kevin Magnussen ansteigende Form. Die wurde durch das Rennen in Melbourne unterstrichen. Hülkenberg ließ die Gruppe vor ihm mit Carlos Sainz, Pierre Gasly und Lance Stroll nie aus den Augen. Erst in der 38. Runde stieg der Rückstand auf den Ferrari, Alpine und Aston Martin auf über drei Sekunden. "Da sind die Reifen ein bisschen in die Knie gegangen", räumte Hülkenberg ein.
Gleichzeitig rückten von hinten Sergio Perez und Lando Norris immer näher. Beide hatten einen leichten Speed-Vorteil und gingen an Hülkenberg innerhalb von sieben Runden vorbei. Aber auch da konnte sich der Haas-Pilot lange im Windschatten halten. Das Problem für den verlorenen Boden am Ende lag nicht nur an der Reifenabnutzung, sondern auch an einer Schwäche, die der US-Ferrari mit dem Werksauto gemein hat.
Einsatzleiter Ayo Komatsu verrät: "Der Ferrari und unser Auto sind am schwierigsten im Verkehr zu fahren. Das liegt daran, dass wir ein ganz anderes Aerodynamik-Konzept als die anderen Autos haben. Wir leiden im Verkehr, was die Fahrer dazu veranlasst, lieber etwas Abstand zu halten. Dann fallen wir aber aus dem DRS-Fenster, und das schenkt dir in Melbourne eine Sekunde pro Runde. Als Nico von der Gruppe vor ihm abgefallen ist, haben sich Norris und Perez gegenseitig an ihn rangezogen."

MGU-K Panne nach der Zieldurchfahrt
Der Grand Prix mit drei Re-Starts und ebenso vielen Safety-Car-Phasen war für alle Fahrer eine Zerreißprobe. Auch Hülkenberg musste einige Schreckmomente überstehen. Den ersten, als plötzlich der Williams von Alexander Albon in Kurve 6 auf der Ideallinie stand. "Du kommst in eine blinde Kurve und es steht ein Auto auf der Strecke und du siehst es nicht mal vor lauter Staub und Kies. Wir fahren da 250 Sachen. Da war Code-Brown-Alarm angesagt. Das hätte richtig übel ausgehen können."
Auf dem letzten Kilometer gab es noch einmal Alarm: "Ich habe für einen kurzen Moment Leistung verloren. Die Gänge waren nicht mehr synchronisiert. Dann kam die Leistung aber wieder und mir wurde gesagt, dass ich das Auto sofort nach dem Ziel abstellen soll."
Zwei Stunden nach dem Rennen war klar, dass Hülkenberg großes Glück hatte, die Ziellinie überhaupt zu erreichen. Die MGU-K hatte ihren Geist aufgegeben. Deshalb stand das Auto auch noch unter Strom, als es Hülkenberg im Bereich der ersten Kurve parkte. Bei Ferrari dürften ebenfalls die Alarmglocken angehen. Die MGU-K hatte letztes Jahr allein bei Haas vier Mal für Probleme gesorgt.