Zwei Jahre lang saß Mick Schumacher bei Mercedes auf der Ersatzbank. Der 25-jährige Deutsche reiste zu den meisten Rennen um im Fall aller Fälle für Lewis Hamilton oder George Russell einzuspringen. Oder er saß an ausgesuchten GP-Wochenenden in Brackley in der Nacht von Freitag auf Samstag im Simulator, um die Ingenieure bei ihrer Abstimmungsarbeit zu unterstützen. Oder er sprang bei Reifentestfahrten ein und spielte im 2022er-Mercedes die Messlatte für den neuen Mercedes-Fahrer Andrea Kimi Antonelli.
In diesem Jahr suchte sich Schumacher zu seiner Arbeit in der Versenkung eine Nebenbeschäftigung als echter Rennfahrer. Der Sohn des Rekordsweltmeisters Michael Schumacher begab sich bei Alpine auf ein neues Gleis und fand sich auf Anhieb in dem A424 zurecht. Höhepunkt seiner ersten Saison für die Franzosen war der dritte Platz beim 6-Stunden-Rennen in Fuji.

Mick Schumacher (rechts) feierte in Fuji mit seinen Alpine-Teamkollegen Nicolas Lapierre (links) und Matthieu Vaxivière (Mitte) den ersten Podestplatz in seiner WEC-Karriere.
Alle F1-Türen fielen zu
In diesem Jahr hoffte Schumacher nach zwei Saisons hinter den Kulissen auf ein Formel-1-Comeback 2024. Doch trotz exzellenter Schulnoten von Mercedes und Alpine für seine Arbeit fiel eine Tür nach der anderen zu. Bei Mercedes, Alpine, Williams und zuletzt auch Sauber.
Nach den enttäuschten Hoffnungen macht der frühere Haas-Pilot eine Zäsur. Schumacher will sich in der kommenden Saison voll auf das richtige Rennfahren konzentrieren und mit Alpine um den WEC-Titel fahren. Er kam zu dem Schluss, dass es für seine Entwicklung als Rennfahrer besser ist, als krampfhaft einen Fuß in der Formel-1-Tür zu halten, sich aber den ganzen Reisestress und einen zweiten Fokus aufzuhalsen.

Bei Mercedes war Mick Schumacher der dritte Mann. Zum Renneinsatz kam er unter Teamchef Toto Wolff nicht.
Selbst Fahren besser als Zuschauen
Mercedes-Teamchef Toto Wolff kann das verstehen: "Mick ist in erster Linie ein Rennfahrer. Sowohl in seiner Zeit in der Formel 1 als auch in diesem Jahr bei seinen Leistungen in der Langstrecken-Weltmeisterschaft haben wir gesehen, dass er ein Fahrer von unglaublichem Kaliber ist, der es verdient, in den besten Meisterschaften anzutreten." Mercedes wird seine Dienste nächstes Jahr möglicherweise auf die Schultern von Valtteri Bottas und Frederik Vesti verteilen.
Mick Schumacher erklärte seinen Schritt. "Ich bin Toto und dem gesamten Mercedes-Team dankbar für die Einblicke, die ich in den vergangenen zwei Jahren erhalten habe. Sie haben mich zweifellos zu einem erfahreneren Rennfahrer gemacht, weil ich auch die technische Seite besser kennengelernt habe. Aber es ist hart, diese Autos im Rennen zu beobachten, ohne selbst im Cockpit zu sitzen."

Seit der Saison 2024 ist Mick Schumacher Stammfahrer im WEC-Team von Alpine.
Comeback über den Umweg?
Schumacher will sich deshalb wieder voll und ganz dem sportlichen Aspekt des Rennsports widmen. "Als Rennfahrer will ich vor allem eines: Rennen fahren. Denn nur das gibt mir das Gefühl, dass ich so liebe." Die Alpine-WEC-Mannschaft freut sich. Mit Schumacher hat sie jetzt einen Fahrer ganz für sich, der sich in dieser Saison als der Schnellste des sechsköpfigen Fahrer-Pools herausgestellt hat. "Ich freue mich auf das zweite Jahr der neuen Herausforderung", erzählte Schumacher. "Und ich bin entschlossen, das Projekt zu einem noch besseren Resultat zu führen."
Was wie ein Abschied aus der Formel 1 klingt, muss keiner sein. "Ich werde weiter Kontakt zur Szene halten und sie beobachten. Wenn es 2026 eine Chance gibt, bin ich bereit. Dabei kann mir ein Jahr als Vollzeit-Rennfahrer helfen." Der Hintergedanke dabei: Vielleicht schlagen nicht alle Rookies im nächsten Jahr so ein, wie sich das die Teams erwarten. Oder vielleicht läuft für den ein oder anderen erfahrenen Piloten die Uhr vorzeitig ab. Mit seinen WEC-Einsätzen steht Schumacher besser im Schaufenster als im Simulator.