Michael Schumacher: Der Rekordmann der Formel 1

Michael Schumacher
Der Rekordmann der Formel 1

1000. GP
Michael Schumacher - Ferrari - GP Japan 2006
Foto: Wilhelm

Unter perfekten Bedingungen hätte Michael Schumacher zehn Mal Weltmeister werden können. So oft hatte der siebenfache Champion bis zum letzten Rennen eine Chance auf den Titel. Wenn er nicht ohnehin schon vorher alles klar gemacht hat. In den Jahren 1994, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 fiel die Kugel auf Michael Schumacher. 1997, 1998 und 2006 war der Rekord-Weltmeister nur zweiter Sieger. Seine Bezwinger hießen Jacques Villeneuve, Mika Häkkinen und Fernando Alonso.

Kritiker behaupten, Schumacher hätte in seiner Ära das Glück gehabt, dass er nie gegen einen fahren musste, der in seiner Liga spielte. Es gab keinen Juan-Manuel Fangio, keinen Jim Clark, Jackie Stewart, Niki Lauda, Ayrton Senna, Alain Prost oder Lewis Hamilton in seiner Zeit. Senna starb, bevor es zum großen Duell kam. Mika Häkkinen war ein halbwegs wehrhafter Gegner. Fernando Alonso fuhr 2006 erst seine fünfte Saison. Der Spanier deutete aber bereits an, dass er der nächste Schumacher sein würde. Alonso wäre vermutlich genauso erfolgreich geworden, wäre er sich außerhalb des Cockpits nicht selbst im Weg gestanden.

Vom Gesamtpaket her war Fernando Alonso sicher der Premium-Rivale des großen Meisters. Schumacher selbst jedoch hob immer Mika Häkkinen hervor. Weil der Finne vom reinen Speed her mit seinem deutschen Kontrahenten mithalten konnte. Und weil Häkkinen vollkommen unpolitisch war. Häkkinen konnte auch in einem gleich guten Auto gegen Schumacher gewinnen. Ihm fehlte im Vergleich zu dem Rekordchampion nur das technische Verständnis und die Fähigkeit sein Team mitzureißen.

Von Jordan zu Benetton

Michael Schumacher zählte zu den Fahrern, die schon beim ersten Test, beim ersten Training und beim ersten Rennen die Aura des Besonderen versprühen. "So etwas wie mit Michael hatten wir zuvor nur mit Senna erlebt. Der Junge war sofort schnell. Und alles ging ihm natürlich von der Hand", erinnert sich Eddie Jordan. Der irische Rennstallbesitzer konnte das Juwel nicht halten. Bernie Ecclestone hatte andere Pläne mit dem angehenden Superstar aus der Autonation. Er wusste, dass Jordan 1992 mit Yamaha-Motoren nur eine Statistenrolle spielen würde.

Ausstellung Michael Schumacher - Motorworld Köln - 2018
Wolfgang Wilhelm

Die Schumacher-Story ging nur 14 Tage nach dem Debüt in Spa weiter, und wieder war der Part außerhalb der Rennstrecke so spannend wie der auf der Piste. Die Konditionen für die Saison 1992 lagen auf dem Tisch. Jordan forderte eine Mitgift von 3,5 Millionen Dollar. Doch dann brach Schumachers Berater Jochen Neerpasch die Verhandlungen mit dem Team plötzlich ab. Jordan-Yamaha war Ecclestone eine zu große Unbekannte.

Benetton-Ford kam als Landeplatz für Schumacher gerade recht. Der durch Tom Walkinshaw verstärkte Rennstall hatte das Potenzial, die Arrivierten Ferrari, McLaren und Williams zu ärgern. Für solche Entwicklungen hatte Bernie schon immer ein gutes Gespür. Sein Zirkus brauchte frisches Blut. Also wurde Schumacher zu Benetton umdirigiert. Eddie Jordan drohte noch ein bisschen mit Anwälten, Benettons Nummer zwei Roberto Moreno bekam als Abfindung 500 000 Dollar und das zweite Jordan-Cockpit, und in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vor dem GP Italien wurde aus dem Jordan-Pilot Schumacher ein Benetton-Angestellter.

Der 22-jährige Kerpener nahm es stoisch hin, als wäre es ein kleiner Betriebsunfall. Über Nacht saß er in einem neuen Auto mit anderen Reifen und mit einem neuen Teamkollegen. Trotzdem hängte er den dreifachen Weltmeister Nelson Piquet sofort um drei Zehntel ab. Der Brasilianer wurde unsanft aus seinem geruhsamen Arbeitsalltag gerissen. "Ich schaue mir an, wie Nelson mit dem Druck von Schumacher zurechtkommt. Er muss jetzt in Vorlage gehen, nicht wir", kommentierte Walkinshaw genüsslich die neue Situation.

Schumacher beendete sein erstes Rennen für Benetton auf Platz 5. Auch die nächsten zwei Grand Prix landete das Greenhorn in den Punkterängen. Routinier Piquet musste noch einmal seine ganze Erfahrung nutzen, um halbwegs gegen Schumacher zu bestehen. Von fünf Rennen hatte Schumacher drei Mal die Nase vorn. Piquet rettete in Estoril und Adelaide seine Ehre. Weil ihm Benetton für 1992 mit einer Gehaltskürzung drohte, trat er zurück.

Der Aufstieg zum Superstar

Schumachers Aufstieg ging unaufhaltsam weiter. Das erste Podium in Mexiko 1992, der erste Sieg in Spa, exakt ein Jahr nach dem Debüt. Mehrere Umständen begünstigten den ersten Erfolg eines Deutschen bei einem Grand Prix seit Jochen Mass 1975 in Spanien. Das wechselhafte Wetter von Trocken auf Regen zurück zu Trocken, das die Überlegenheit der Williams-Renault auf ein erträgliches Maß zurechtstutzte. Ein Missverständnis am Williams-Funk, der Nigel Mansell auf abtrocknender Strecke zu lange auf Regenreifen ausharren ließ. Und ein Ausrutscher von Schumacher in der Stavelot-Passage, der Teamkollege Martin Brundle vorbeiziehen ließ.

Schumacher klemmte sich hinter Brundle und machte eine interessante Entdeckung: "Ich sah, wie stark Martins Regenreifen bereits abgefahren waren. Da wusste ich: Es ist höchste Zeit für Slicks." Schumacher kam umgehend an die Box und erwischte so eher zufällig das optimale Timing für den Reifenwechsel. Schließlich profitierte er noch davon, dass Mansell seinen Schlussangriff abblasen musste. Am Renault V10 brach der Auspuff.

Michael Schumacher - Benetton B194 - GP Frankreich 1994
Motorsport Images

Seine erste komplette Saison beendete Schumacher als Dritter der Gesamtwertung. 1993 erlebte der Senkrechtstarter einen kleinen Dämpfer. Benetton hatte im Vergleich zu Williams zu spät mit der Entwicklung der aktiven Aufhängung, der Traktionskontrolle und ABS begonnen. Und der B193 war im Vergleich zum McLaren MP4-8 das schlechtere Chassis. Das war für den Senkrechtstarter aus Kerpen insofern bitter, da er sich in diesem Jahr direkt mit Ayrton Senna vergleichen lassen musste. Auch Sennas McLaren war mit einem Ford V8 bestückt, teilweise sogar mit einer leistungsschwächeren Spezifikation. Benetton pochte als Werksteam auf Sonderrechte bei Ford.

Sennas feine Antennen hatten längst registriert, dass hier der Gegner der Zukunft heranwuchs. Deshalb ließ es der Brasilianer bewusst auf eine direkte Konfrontation ankommen, um dem Greenhorn rechtzeitig die Hörner zu stutzen. Immer wieder kam es zu verbalen Kollisionen. In Brasilien, in Magny-Cours, beim Testen in Hockenheim. Senna gewann fünf, Schumacher nur einen Grand Prix. Senna wurde Zweiter, Schumacher nur Vierter in der Gesamtabrechnung.

Erster Titel mit Nebengeräuschen

Doch Senna sollte mit seiner Prognose Recht behalten. Er bekam es schon bei den ersten beiden Grand Prix des Jahres 1994 zu spüren. Der Brasilianer, der inzwischen zu Williams gewechselt war, ging als haushoher Favorit in die Saison. Doch sein Williams war mit zu vielen Fehlern behaftet. Nach den Rennen in Interlagos und Aida führte Schumacher mit Maximalpunktzahl. Sennas Konto stand noch bei Null.

Dann kam die Tragödie von Imola, und die Saison nahm einen anderen, völlig verrückten Verlauf. Die FIA ordnete eine technische Abrüstung an, die Benetton mehr schadete als Williams. Benetton wurde in Betrugsvorwürfe hineingezogen, Schumacher zwei Mal disqualifiziert und zwei Mal gesperrt. Am Ende kämpfte der Deutsche gegen Sennas Wasserträger Damon Hill um seinen ersten WM-Titel. Er gewann ihn in Adelaide mit einer Kollision. Ein Knalleffekt, der zu der Saison 1994 passte.

Dem ersten WM-Titel folgte ein zweiter. 1995 drehte Schumacher die Schraube ein Stück weiter. Zu viel für Damon Hill. Schumacher gewann im schlechteren Auto. Der Benetton hatte zwar jetzt auch den Renault V10 im Heck, doch der B195 war ein Auto, das im Grenzbereich extrem kritisch war. Nur einer wie Schumacher kam damit klar. Mit neun Siegen stellte er Nigel Mansells Rekord von 1992 ein. Benetton trickste Williams mit der schlaueren Strategie und dem besseren Fahrer aus. "Michael war der Typ Rennfahrer, mit dem man jede Strategie fahren konnte. Wenn er zehn Qualifikationsrunden am Stück drehen musste, um der Taktik einen Sinn zu geben, dann lieferte er sie zuverlässig ab", lobte sein damaliger Technikchef Ross Brawn.

Der Wechsel zu Ferrari

Doch Schumacher war die Welt bei Benetton längst zu eng geworden. Ferrari rief. Als sich diese Ehe für die Saison 1996 anbahnte, da sagte das erste Gefühl: Das passt nicht zusammen. Da der Traditionsrennstall, der von seiner Geschichte und seinem Mythos lebte. Dort der Technikrat Schumacher, der mit Historie und Legendenbildung nichts anfangen konnte. Für Schumacher war Geschichte Ballast. Er lebte im Hier und Jetzt. Seine Einstellung war typisch für seine Generation. Für Erfolge in der Vergangenheit konnte man sich nichts kaufen. Dass er mit Ferrari selbst Geschichte schreiben könnte, wurde ihm erst viel später bewusst.

Als der bis dahin zweifache Weltmeister im Winter 1995 zum ersten Mal die heiligen Hallen in Maranello betrat, da war das für ihn einfach eine andere Formel 1-Werkstatt als die von Benetton, nur rückständiger. Er selbst gab zu, dass er vom Geist des seligen Firmengründers wenig gespürt habe. Schumacher erkannte stattdessen sofort die Baustellen bei seinem neuen Arbeitgeber. Und er rieb sie Ferrari auch gleich ungeschminkt unter die Nase. Was in Italien zunächst nicht so gut ankam. Ferrari ist eine Religion, jede Kritik an der Institution Gotteslästerung. Doch mit Rennleiter Jean Todt hatte Schumacher einen Gleichgesinnten an Bord. Auch Todt war aus Ferrari-Sicht ein Quereinsteiger. Der Franzose sah den Zustand des Patienten Ferrari genauso pragmatisch und kritisch wie sein für viel Geld verpflichteter Fahrer.

Michael Schumacher - Ferrari
Wilhelm

Schumachers Wechsel von Benetton zu Ferrari war ein mutiger Schritt. Okay, er wurde mit rund 25 Millionen Dollar vergoldet. Doch Schumacher musste klar sein, dass er damit zumindest für das erste Jahr die Chance auf einen dritten Titel wegwarf. Benetton war seine Familie. Eine Truppe aus nüchternen Engländern, die zu ihm passte. Ein Garantieschein, um die Weltmeisterschaft zu fahren. Doch irgendwie reizte ihn die Aufgabe, das Unmögliche möglich zu machen, mehr. Diese Herausforderung war es, die ihn zu Ferrari zog. Nicht das Etikett, ein Ferrari-Fahrer zu sein.

Bis zu seinem Wechsel nach Maranello war Schumacher einfach nur ein Ausnahmetalent. Die ersten vier Jahre bei Ferrari haben ihn dann zu einem kompletten Rennfahrer gemacht. Weil er lernte, in Würde zu verlieren. Mit großen Schmerzen, die uns oft genug an ihm zweifeln ließen. 1997 versuchte er sich im Duell gegen Jacques Villeneuve zum WM-Titel zu boxen. Das ging grandios schief. 1998 würgte er, nicht ganz schuldlos, am Start zum großen Finale in Suzuka den Motor ab. 1999 brach er sich mitten in der Saison ein Bein. Um ein Haar hätte sein treuer Wasserträger Eddie Irvine die Mission vor ihm erfüllt. Man merkte Schumacher an, wie sehr er darunter litt, als er nach seiner Rückkehr auf Befehl von oben für Irvine fahren musste. Und man spürte seine Erleichterung, dass am Ende doch Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes Weltmeister wurde.

Vier Niederlagen vor dem ersten Titel

In diesen vier Jahren wurde Schumacher erwachsen. Und er kehrte seine Qualitäten heraus. Nicht nur, weil er mit Autos Rennen gewann, die seine Teamkollegen als "unfahrbar" bezeichneten. Sondern auch, weil er an seinem Plan festhielt, obwohl er zwei Mal vom damals besten Rennstall McLaren-Mercedes ein Angebot erhielt. Schumacher schlug es aus. Er war seinen Mitstreitern Jean Todt, Ross Brawn und Rory Byrne gegenüber loyal. Und damit auch Ferrari. Er schweißte das Team in den schweren Stunden zusammen. Keiner bei Ferrari wagte es Rennleiter Todt bei Misserfolgen zu feuern, obwohl das in den ersten Jahren in regelmäßigen Abständen gefordert wurde und auch dem natürlichen Reflex einer Firma entsprach, die Sportchefs verheizte wie keine zweite. Schumacher stand hinter seinem Chef. Todt oder einen der leitenden Techniker zu feuern, hätte bedeutet auch Schumacher zu verlieren.

Erst viel später in seiner Karriere begriff Schumacher den Mythos Ferrari. Als er fünf Mal hintereinander den Titel gewann und damit den alten Rekord von Juan-Manuel Fangio auslöschte, da spürte Schumacher, dass Siege in einem Ferrari eine andere Qualität hatten als in einem Benetton. Jeder Erfolg schrieb Geschichte. Die Tifosi freundeten sich auch nur langsam mit dem Deutschen an, der ihnen zunächst viel zu teutonisch, zu wenig emotional, zu wenig Ferraristi war. Erst die Erfolge schweißten die Fans und ihren "Schummy" zusammen. Wer so viel für Ferrari siegte, der musste einfach geliebt werden.

In den goldenen Jahren zwischen 1996 und 2006 holte Ferrari fünf Fahrer-Weltmeisterschaften, sechs Konstrukteurs-Titel und 87 GP-Siege. Allein 72 davon gingen auf das Konto von Schumacher. Damit stellt der Rekord-Weltmeister fast ein Drittel aller 235 Ferrari-Siege. Nur der erste und der vierte von Schumachers Ferrari-Titeln waren heiß umkämpft. 2000 durchbrach Schumacher das Trauma von Ferrari, seit 1979 auf einen Titel zu warten. Der Druck auf die Scuderia war so groß geworden, dass Ferrari "fast explodierte", wie es Jean Todt poetisch ausdrückte. "Hätten wir es 2000 wieder nicht geschafft, das Team wäre auseinandergebrochen".

Die Erlösung fiel auf den GP Japan. Es war ein Pingpongspiel mit seinem einzigen Gegner Mika Häkkinen um die Führung. Ferrari zögerte Schumachers zweiten Tankstopp um drei Runden hinaus. Mit 24,1 Sekunden Vorsprung ging Schumacher an die Box. Mit einem Polster von 4,1 Sekunden kam er wieder raus, und Technikchef Ross Brawn sprach seine berühmten Worte: "It is looking good, it is looking bloody good." Häkkinen blieb bis zur Zielflagge ein ständiger Begleiter. Drei Runden vor Schluss stand der WM-Titel noch einmal kurz in Frage. Michael Schumacher rutschte untersteuernd durch die 130R-Kurve. Es wurde eine lange Party. Nur Jean Todt flog zurück in die Heimat. Er wollte sich bei den Mitarbeitern in Maranello persönlich bedanken.

Die Alleingänge von 2001, 2002 und 2004

Auch 2003 war es knapp. Schumacher brauchte im Finale in Suzuka zwar nur einen WM-Punkt um Kimi Räikkönen im McLaren-Mercedes abzuwehren, doch er machte sich das Leben durch eine Reihe von Fehlern selbst schwer. Am Ende kam er auf dem rettenden 8. Platz ins Ziel. Es hätte auch so gereicht. Teamkollege Rubens Barrichello hatte mit seinem Sieg Räikkönen für den Fall der Fälle die Tour vermasselt. Der Finne hätte schon gewinnen müssen.

2001, 2002 und 2004 waren Alleingänge. Schumacher wurde jeweils lange vor Saisonende zum Weltmeister gekrönt. 2001 in Ungarn beim 13. von 17 Rennen, 2002 in Frankreich schon bei Grand Prix Nummer 11 von 17 und 2004 in Spa, Es war der 14. von insgesamt 18 Rennen. Der 2002er Ferrari mag der beste aller Ferrari gewesen sein, der F2004 war der überlegenste. Nach fünf Siegen in den ersten fünf Rennen schien es so, als könnte der Meister alle Rennen gewinnen. Eine Kollision mit Juan Pablo Montoya hinter dem SafetyCar in Monte Carlo zerstörte den Traum, wenn es denn je einer war. Die Reaktion des Seriensiegers ließ darauf schließen. Trotz fünf Siegen in Folge und einer klaren WM-Führung traf ihn die Niederlage so schwer, dass er bei der Rückkehr an die Boxen seinen Helm gegen die Stellwand in der Garage schleuderte.

Michael Schumacher - Ferrari F2005 - Fernando Alonso - Renault R25 - GP San Marino 2005
Motorsport Images

Wie zur Strafe gewann Schumacher die nächsten sechs Rennen. Der WM-Titel zögerte sich nur deshalb so lange hinaus, weil Barrichello ständig Zweiter wurde. So musste der Rekordsieger bis zum GP Belgien warten, bis der siebte WM-Titel endlich perfekt war. Erst am Ende der Saison kamen McLaren-Mercedes und Williams-BMW in Schumachers Nähe. Ferrari hatte die Entwicklungsarbeit am F2004 zugunsten des nächstjährigen Autos früh eingestellt.

2005 zeigte Schumacher Größe in der Niederlage. Es war die Saison, in der die Erfolgsserie riss. Der Rekord-Champion hätte Bridgestone für seine kurzlebigen Reifen kritisieren können oder Ferrari für ein Fahrzeugkonzept mit Mängeln. Doch Schumacher stellte sich vor sein Team. Kritik wurde nur hinter verschlossenen Türen geübt. Ein Jahr später kämpfte er wieder um den Titel. Gegen sein 12 Jahre jüngeres Ebenbild Fernando Alonso. Schumacher hätte den Titel wohl gewonnen, wäre ihm nicht im vorletzten Rennen in Führung liegend der Motor geplatzt.

Der erste Abschied 2006

Bei seinem ersten Abschied Ende 2006 spürten wir eine gewisse Bitterkeit. Es war kein Abschied nach Maß. Schumacher wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, weil Ferrari schon früh für die Zukunft planen wollte, von seinem Star-Piloten aber keine Antwort bekam. Also sicherte sich Jean Todt mit Kimi Räikkönen ab. Der Finne wäre für den bereits 36-jährigen Schumacher eine andere Bedrohung gewesen als seine bisherigen Teamkollege Eddie Irvine, Rubens Barrichello und Felipe Massa. Der mit 72 Siegen erfolgreichste Ferrari-Pilot hätte noch einmal den Motor auf höchster Drehzahl laufen lassen müssen, um sich gegen einen zu wehren, der keine Angst vor großen Namen hatte, den man mental nicht aus der Balance werfen konnte und der 2007 auf dem Höhepunkt seiner Karriere fuhr.

Das wollte sich Schumacher nicht noch einmal antun. Nicht die Angst vor Räikkönen vertrieb ihn, sondern die Angst davor, seinen ohnehin schon hohen Einsatz noch einmal erhöhen zu müssen. Der Abschied in Brasilien war ein bisschen unwürdig. Es gab keine Ansprache beim letzten Fahrer-Briefing vor dem Grand Prix. Nur einen warmen Händedruck von den Kollegen in der Startaufstellung. Und einen Pokal von Fußball-Legende Pelé. Nach dem Rennen schlich sich Schumacher bei Dunkelheit fast unbemerkt aus dem Fahrerlager.

In den drei Jahren Pause tauchte Schumacher hin und wieder an der Rennstrecke auf. Der Titel "Entwicklungsfahrer" war seine Nabelschnur zu dem Metier, das sein Leben war. Der erfolgreichste Formel 1-Pilot aller Zeiten war nicht nur auf der Rennstrecke ein Vorreiter seiner Generation, sondern auch in der Zeit nach der Formel 1. Schumacher fiel in das berühmte schwarze Loch. Weil sein ganzes Leben bis dahin auf vier Rädern stattgefunden hatte und er ab einem Alter von sechs Jahren im Wettbewerb stand. Und plötzlich war das Lebenselixier weg. Es gab keinen mehr, mit dem er in Wettstreit treten konnte, kein Nervenkitzel mehr vor dem Start, einem Überholmanöver oder einfach nur in einer bestimmten Kurve Vollgas stehen zu lassen.

Ersatzbefriedigungen wie Kartfahren, Fallschirmspringen, Motorradfahren oder Weltreisen reichten dem Adrenalin-Junkie Schumacher bald nicht mehr aus. Da schien ihm das Angebot, 2009 Nachfolger für den verletzten Felipe Massa zu spielen, wie ein Geschenk des Himmels. Umso härter der Rückschlag, als der Nacken nicht mitspielte. Schumacher hatte sich erst ein halbes Jahr zuvor bei einem Motorradunfall in Spanien die Halswirbelsäule verletzt. Ein Test in Mugello zeigte ihm die Grenzen auf. Der Nacken spielte nicht mit. Schon nach wenigen Runden am Limit spürte er einen stechenden Schmerz. Seine Absage an das Angebot von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo bei einer Pressekonferenz klang wie eine Grabrede.

Die Mercedes-Jahre

Das Comeback kam auf Raten. Rückblickend konnte Michael Schumacher froh sein dass er das Angebot Felipe Massa zu ersetzen ablehnen musste. Der Ferrari der Saison 2009 war kein gutes Rennauto. Luca Badoer und Giancarlo Fisichella mussten es leidvoll erfahren. Schumacher hätte sicher besser als die beiden Ersatzleute abgeschnitten, aber bei ihm lag der Anspruch auch höher. Er hätte sich mit Kimi Räikkönen messen lassen müssen, der die Wundertüte F2009 natürlich in- und auswendig kannte. Hätte es schon im August 2009 ein Comeback gegeben, wäre das mit Mercedes in der Saison danach vielleicht nie zustande gekommen.

So gab es eine zweite Chance. Mercedes bot sie ihm. Die ersten Gerüchte, dass es dazu kommen könnte, kursierten beim Saisonfinale 2009 in Abu Dhabi. Man wollte sie zunächst nicht glauben, zu unwirklich schien diese Konstellation. Mercedes hatte von Ross Brawn das Meisterteam BrawnGP gekauft. Der Mythos der Silberpfeile sollte auferstehen. Mit Nico Rosberg war bereits ein deutscher Fahrer an Bord. Weltmeister Jenson Button jedoch pokerte um mehr Geld. Der Engländer pokerte zu hoch. Er dachte, Mercedes hätte keine Alternativen. Doch Ross Brawn begann sich abzusichern. Er sprach Schumacher bei der Saison-Abschlussparty bei einem Bier und einer Zigarre an. Meinte er es mit einem Comeback noch ernst? Würde der Nacken halten? Würde er zu der Firma zurückkehren, die ihm den Einstieg in die Formel 1 mit einem 150 000 Dollar-Scheck erst ermöglicht hatte?

Schumacher beantwortete nach einer Woche Nachdenken alle Fragen mit Ja. Und fertig war es, das Sensations-Comeback von zwei Ikonen des Sports. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo feuerte verbittert Giftpfeile aus dem fernen Maranello: "Der Schumacher, der für Mercedes fährt, muss sein Zwillingsbruder sein." Die anfänglichen Befindlichkeiten legten sich rasch. Dazu war das Vermächtnis des Deutschen einfach zu groß. Juan-Manuel Fangio wurde auch verziehen, obwohl er nur ein Jahr für Ferrari fuhr und den Rennstall im Unfrieden verließ.

Schumacher im Silberpfeil, war das überhaupt noch zu toppen? Der einzige Vergleich, der einem einfällt, war Niki Laudas Rückkehr 1982 nach zwei Jahren Pause. Der Österreicher schaffte, was keiner für möglich hielt. Er gewann den dritten Grand Prix seiner zweiten Karriere, und er krönte sie mit dem WM-Titel 1984.

Das Schicksal schlägt zu

Schumacher war dieser Erfolg nicht vergönnt. 58 Starts, 197 WM-Punkte, gerade mal ein Podium 2012 in Valencia, die WM-Platzierungen 9, 8 und 13. Der Rekordweltmeister hatte das Pech, dass er in einer Zeit zu dem Team stieß, in dem sich die Mannschaft noch zusammenfinden musste und in dem die Rahmenbedingungen noch nicht passten. Ross Brawn gibt rückblickend zu: "Wir hatten nicht das Geld, um gegen Red Bull, Ferrari oder McLaren anzutreten. Unser Budget lag um 50 Millionen Dollar zu niedrig. Dem Vorstand war das Formel 1-Projekt so verkauft wurden, dass man auch mit einer Spar-Nummer Weltmeister werden kann. Erst Toto Wolff und Niki Lauda klärten den Vorstand in Stuttgart auf. Wer Red Bull, Ferrari oder McLaren schlagen will, muss so viel ausgeben wie sie."

Es ist bezeichnend, dass die Mercedes-Ingenieure heute noch erzählen, welchen Anteil Schumacher am Erfolg des Teams hatte. Dass sie nie zuvor und danach mit einem Fahrer gearbeitet hätten, der so professionell war. Als Mercedes endlich siegfähig war, passierte Schumacher das gleiche wie beim ersten Rücktritt. Er zögerte seine Entscheidung über die Fortsetzung seiner Karriere so lange hinaus, bis andere ihm die Entscheidung abnahmen. Was 2007 Kimi Räikkönen für ihn war, wurde 2013 für ihn Lewis Hamilton. Der Engländer, der auf ewig mit McLaren verheiratet schien, unterschrieb überraschend für die Silberpfeile. Und Schumacher war raus. Er hätte es verhindern können, hätte er nur früh genug seinen Vertrag verlängert. Es ist die Tragik dieser einmaligen Karriere, dass Schumacher nie zurücktreten durfte, wie er es gerne gewollt hätte.

Das Schicksal hielt ihm auch kein gutes Finale parat. In 19 Jahren Formel 1 hatte der Ausnahme-Rennfahrer einige schwere Unfälle überlebt, die leicht auch hätten ins Auge gehen können. Er war vom Motorrad gefallen und kam auch da immer mit einem blauen Auge davon. Am 29. Dezember 2013 zog sich Schumacher bei einem an sich banalen Ski-Unfall schwere Kopfverletzungen zu. Der erfolgreichste Formel 1-Fahrer aller Zeiten ist bis heute ein Pflegefall.

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