Miami-Strategie: F1-Kracher oder Schlaftablette?

Rennstrategie für Miami-GP
F1-Kracher oder Schlaftablette?

GP Miami 2023

Das ganze Rennwochenende in Miami wurde im Fahrerlager eifrig diskutiert, warum das Überholen mit der 2023er Rennwagen-Generation wieder schwieriger geworden ist. Selbst auf einer Strecke wie Baku, mit der längsten Vollgaspassage im Kalender, taten sich die Piloten schwer, Angriffe zu starten. Schnell überhitzende Hinterreifen und zu kurze DRS-Zonen machten die zweite Rennhälfte zu einer Schlaftablette.

In Miami sind die Voraussetzungen auf den ersten Blick auch nicht viel besser. Schon vor Wochen entschieden die FIA-Verantwortlichen, zwei der DRS-Zonen um 75 Meter zu kürzen. Auch der neue Asphalt dürfte sich negativ auf die Überhol-Action auswirken. Schon nach wenigen Runden hat sich in den Trainings eine deutlich griffigere Rennlinie herausgebildet. Nebendran blieb es sehr staubig und rutschig. Wer attackieren will, muss in den Dreck.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Miami - 7. Mai 2023
Wilhelm

Nachteil für gerade Startplätze

Eigentlich hatten die Veranstalter angekündigt, dass in den Tagen vor dem GP-Wochenende eine Behandlung der Fahrbahn mit Hochdruck-Wasserstrahlern vorgenommen wird. Doch dann entschieden sich die Organisatoren für eine schonendere und nicht ganz so gründliche Reinigung, um die neue Oberfläche nicht zu beschädigen.

Die unterschiedlichen Grip-Verhältnisse könnten aber zumindest den Start interessant machen. Auf der linken Seite der Zielgeraden, auf der auch Pole-Setter Sergio Perez steht, werden die Piloten auf den ersten Metern eine deutlich bessere Traktion finden. Die geraden Startplätze rechts sind klar im Nachteil, was das Einfädeln in die erste Kurve zu einer haarigen Angelegenheit machen dürfte.

Unklar ist auch, ob die Teams die Entwicklung der Gripverhältnisse am Sonntag richtig einschätzen. In den Trainings und dem Qualifying wurde die Strecke mit jeder Minute massiv schneller. Wer mit dem Setup nicht richtig reagiert hat, kann im Rennen schnell auf dem falschen Fuß erwischt werden. Während der 57 Runden sind noch einmal deutliche Veränderungen des Griplevels zu erwarten, wenn 20 Autos gleichzeitig kreiseln.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Miami - 7. Mai 2023
Wilhelm

Boxenstopp-Zeitverlust reduziert

Was die Strategie angeht, haben wir dagegen keine große Hoffnung auf Abwechslung. "Unsere Simulationen gehen davon aus, dass der Einstopper die schnellste Variante ist", prognostiziert Pirelli-Chefingenieur Simone Berrra. "Die meisten Teams werden wohl mit dem Medium beginnen, um beim Start guten Grip zu haben und dann irgendwann auf den harten Reifen wechseln."

Bei Pirelli erwartet man, dass die Piloten unter Verschleiß durch Überhitzung der Reifen auf der Hinterachse leiden werden. Im Freien Training ist an einigen Autos zudem Graining an den Vorderreifen aufgetreten. Wer mit einem Stopp durchkommen will, muss die Gummis schonen und mit dem Setup eine gute Balance finden, die beide Achsen gleichmäßig fordert.

Wer mit zwei Stopps pokert, kann zwar mehr attackieren, läuft aber auch Gefahr im Verkehr steckenzubleiben. Die Überholproblematik haben wir bereits beschrieben. Für einen zweiten Reifenwechsel spricht höchstens eine Änderung an der Boxengasse. "Der tempobegrenzte Bereich wurde im Vergleich zum Vorjahr verkürzt", erklärt Berra. "Die ersten Prognosen sprachen eigentlich von einem Zeitverlust von 20,5 Sekunden. Jetzt verliert man beim Service aber doch nur 17 bis 18 Sekunden."

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Miami - 5. Mai 2023
xpb

Bringt Regen mehr Action?

Der größte Action-Faktor ist wohl die bunt durcheinandergewirbelte Startaufstellung. Mit Lance Stroll auf P18, Lewis Hamilton auf P13 und Max Verstappen auf P9 drängen gleich drei Piloten in schnellen Autos nach vorne. Da wird sicher das ein oder andere sehenswerte Manöver dabei sein. Sergio Perez würde mit einem Sieg die WM-Führung übernehmen. Das verhindern will neben Verstappen auch Fernando Alonso, der den ersten Sieg seit 2013 in Reichweite sieht.

Vielleicht sorgt am Ende ja auch das Wetter dafür, dass es anders kommt, als man denkt. Die letzten Prognosen sprechen von einer Regenwahrscheinlichkeit von 70 Prozent für den Rennsonntag – allerdings eher für den Vormittag. Schon am Samstagabend gingen heftige Schauer über der Strecke nieder, die einen Großteil des Gummis von der Bahn gespült haben dürften.

Wenn das Wetter wider Erwarten auch im Rennen verrückt spielt, droht in Florida schnell ein Abbruch. Ein einzelner Blitz im Umkreis von acht Meilen (ca. 12 Kilometern) würde dazu führen, dass sofort die roten Flaggen gezeigt werden. Die Sicherheitsvorgabe in den USA verlangen, dass Zuschauer und Streckenposten dann sofort Unterschlupf suchen müssen.