Der neue Mercedes mit seinen minimalen Seitenkästen erregt die Gemüter, bevor die Saison überhaupt begonnen hat. Er war Thema bei einer Sitzung der Technischen Direktoren zu Beginn der Woche. Über sein revolutionäres Konzept mit dem Flügel vor den Seitenkästen, die auch als Spiegelhalterung dienen, wird in den nächsten Tagen auch noch abgestimmt.
Ferrari und Red Bull hatten beinahe reflexartig ihre Zweifel angemeldet, also sie das Auto ihres Hauptkonkurrenten zu ersten Mal sahen. Red Bull zog sich jedoch langsam zurück, weil man Angst haben muss, selbst ins Visier der Konkurrenz zu geraten. Die will am Upgrade des RB18 unter den Seitenkästen etwas entdeckt haben, was nicht ganz dem Geist des Reglements entsprechen könnte.
Beim Mercedes W13 drehen sich die Diskussionen um die obere seitliche Crashstruktur, die isoliert vor den Seitenkästen steht und auch als Spiegelhalterung missbraucht wird. Die Kritiker monieren, dass Mercedes ein sicherheitsrelevantes Teil, also die Crashstruktur und die Spiegel, zu aerodynamischen Zwecken einsetzt.

Ferrari erinnert sich an 2018
Ferrari ist da ein gebranntes Kind. 2018 hatten die Ingenieure der Scuderia die Spiegel am Halo angebracht – inklusive kleiner Finnen, die von den Spiegelhalterungen weg ragten. Diese Lösung wurde schnell verboten. Der Verband stellte den Sachverhalt damals in einer entsprechenden Technischen Direktive klar. Die wurde inzwischen aber wieder einkassiert.
Das mag Mercedes zusätzlich dazu bewogen haben, ihre Spiegelhalterung so zu interpretieren, wie sie jetzt am Auto zu sehen sind. Trotzdem lässt die Konkurrenz nicht locker. Ihr Problem ist, dass man dieses Konzept in diesem Jahr nicht so einfach kopieren kann.
Nach Aussage eines Ingenieurs ist es selbst für 2023 schwierig, den Mercedes-Trick nachzubauen. Weil es wegen der zurückversetzten Seitenkästen Änderungen am Chassis verlangt. Und weil man erst einmal wissen muss, wie man die ganzen Innereien in den schlanken Seitenkästen und unter der Motorabdeckung so verstaut, dass nichts überhitzt. Und weil Mercedes bei den Kühlern Weltraumtechnik einsetzt. Mit dem Prinzip Flüssigkeit zu Flüssigkeit ist man in der Lage, die Zahl der Kühler zu reduzieren.

Drei Optionen auf dem Tisch
Die FIA hat den Scharfschützen schnell klar gemacht, dass man nicht daran denkt, den Mercedes pauschal zu verbieten. Sollte der Fall an die Sportkommissare weitergeleitet werden, würden die Techniker des Verbandes das Konzept des W13 für legal erklären. Die Delegierten müssten ja sonst argumentieren, warum sie den Silberpfeil überhaupt zugelassen haben. Der Antrag mit den entsprechenden CAD-Dateien wurde ja schon vor der Designphase gestellt.
Im Gespräch der FIA mit den Technikdirektoren wurden drei Optionen ausgehandelt, wie man mit dem Thema weiter umgeht. Option 1: Das Konzept wird prinzipiell für legal erklärt. Die Gegner müssen dann schauen, ob sie es für die kommenden Jahre nachbauen. Option 2: Die Regeln werden dahingehend geändert, dass es den anderen Teams leichter fällt, den Mercedes-Trick nachzubauen.
Option 3: Das Konzept ist ab 2023 illegal. Bei Mercedes füchtet man, dass die meisten Teams für die dritte Variante stimmen werden. Dann hätte der Konstrukteurs-Weltmeister nur eine Saison lang den Vorteil. Wenn es denn einer ist. Die FIA könnte Option 2 favorisieren. Offenbar reduiziert das Mercedes-Konzept die Verwirbelungen hinter dem Auto. Das wäre im Sinne der Ziele des neuen Reglements.