GP Spanien 2022: Schicksalsrennen für Mercedes?

Schicksalsrennen für Mercedes?
Wenigstens den Fehler finden

GP Spanien 2022

Barcelona ist der ideale Ort für eine Standortbestimmung. Und damit auch für das erste große Upgrade-Festival. Zum ersten Mal in der Saison gibt es einen Vergleichswert. Die Teams waren im Februar schon einmal da. Drei Monate später können sie überprüfen, ob sie ihre Autos verstanden oder in die richtige Richtung weiterentwickelt haben. Der Circuit de Barcelona-Catalunya liefert praktisch alle Antworten. Es gibt schnelle und langsame Kurven und eine lange Gerade. Und die Reifen sind gefordert.

Praktisch jedes Team bringt neue Teile. Und für viele wird der Freitag der Tag der Experimente. Ferrari will herausfinden, ob sich eine exzellente Basis noch verbessern lässt, um gegen Red Bull wieder etwas Land zu gewinnen. McLaren will die Fehler beheben, die man beim Saisonauftakt in Bahrain entdeckt hatte. Aston Martin will das Bouncing abschaffen und eine Sekunde gewinnen. Alpine will sich im Renntrim stabilisieren und Alfa-Sauber seinen Aufwärtstrend fortsetzen. Und Mercedes sucht den Schlüssel zu einem Auto, das im Windkanal die Gene zu einem Siegerauto andeutet, auf der Rennstrecke aber nicht umsetzen kann.

Mercedes - GP Spanien 2022 - Barcelona
Motorsport Images

Mercedes-Vergleich mit dem Präsentationsmodell

Für den Konstrukteurs-Weltmeister der letzten acht Jahre ist der GP Spanien gewissermaßen ein Schicksalsrennen. Die Ingenieure um Technikchef Mike Elliott erwarten nicht unbedingt gleich den Sprung an die Spitze, aber wenigstens die große Erleuchtung. Barcelona soll endlich Licht ins Dunkel bringen, warum der Silberpfeil auf den Geraden hüpft wie auf einer Rüttelpiste. Daten gibt es genug. Jetzt kommt auch der Abgleich mit dem Präsentationsmodell dazu, das an den drei Testtagen im Februar weniger vom Bouncing betroffen war als die aktuelle Version, in der Theorie aber auch weniger Abtrieb produzierte.

Nachdem das Rennen in Miami für Mercedes neue Fragen aufwarf, erhoffen sich die Ingenieure vom sechsten WM-Lauf endlich Antworten: "Wir arbeiten an ein paar Teilen am Unterboden und anderswo. Sie werden das Problem noch nicht lösen, uns aber zeigen, ob es besser oder schlechter wird. Es wird wie früher ein Trial and Error-Prozess." Neu ist auf jeden Fall der Unterboden. Fotos zeigen einen länglichen Schlitz nahe der Kante, um gestaute Luft unter dem Auto abzulassen. Über der Kufe des Bodens ist wie am Red Bull ein zusätzlicher Flügel montiert.

Einfach irgendwelche Teile ans Auto zu schrauben, bringt nichts. Deshalb hat Mercedes einen Filmtag in Paul Ricard genutzt, um zu sondieren, was Sinn macht und was nicht. Einige Versuchsreihen sind schon eine Reaktion auf Miami. "Die Daten von dort werden uns weiterbringen, weil wir zum ersten Mal einen Tag lang ein Auto hatten, das sein Potenzial gezeigt hat. Wir wissen jetzt, was wir nicht hätten tun sollen. Dann hätten wir am Sonntag ein besseres Rennauto gehabt", erklärt ein Ingenieur.

Mercedes - GP Spanien 2022 - Barcelona
Motorsport Images

Ist das Fenster zu schmal?

So viel weiß man bereits: "Je mehr sich der Boden unkontrolliert bewegt, und bei uns ist das der Fall, umso mehr schaukelt das Auto. Wir können einige Elemente erklären, warum das Auto langsam ist, und versuchen zu verstehen, warum wir wie in Miami innerhalb eines Tages eine Sekunde verlieren. Wir sind nicht total verloren, aber wir waren bis jetzt nicht in der Lage, das Auto so abzustimmen, dass es konstant schnell ist."

Weil die Umstände Mercedes oft dazu zwingen, hoch und hart zu fahren. Für diese Konfiguration wurde der W13 nicht gebaut. Und das kostet dann Rundenzeit. Die Eigenschaft, dass der Silberpfeil nur in einem winzigen Fenster reagiert, wird er wahrscheinlich auch dann behalten, wenn das Bouncing unter Kontrolle ist.

Erst dann wird sich zeigen, ob das Setup-Fenster generell zu schmal ist, oder ob man mit den konventionellen Dämpfern und Federn noch keinen Weg gefunden, das Auto in allen Lebenslagen in dem Wohlfühlbereich zu halten. Mit Massenträgheitsdämpfern und Absenkvorrichtungen wie in der Vergangenheit war das einfacher.

Konzeptänderung keine Sieggarantie

Der Mercedes ist optisch und von seinen Eigenschaften der glatte Gegenentwurf zum Ferrari, der in einem breiten Spektrum an Bodenfreiheiten funktioniert und die Fahrer mit ausreichend Federweg verwöhnt. "Die Stärke des Ferrari ist seine aerodynamische Stabilität", gibt man bei Mercedes zu.

Die Ingenieure mögen es nicht, wenn man Barcelona zum Schicksalsrennen deklariert. Man kann nicht einfach so einen Schlussstrich ziehen, solange man die Defizite seines Autos nicht hundertprozentig versteht. Deshalb macht es auch keinen Sinn, in Panik für 2023 das Konzept zu wechseln. Dazu müsste erst einmal bewiesen werden, was ein Red Bull oder Ferrari besser macht und ob es an deren Fahrzeugphilosophie hängt oder an anderen Faktoren.

Der Alpha Tauri folgt einer ähnlichen Geometrie wie der Red Bull, der Haas trägt Elemente vom Ferrari in sich. Trotzdem sind beide Autos eine Sekunde langsamer als der große Bruder. Wenn Mercedes einen silbernen Ferrari baut, muss man damit noch lange nicht gewinnen.