Mercedes: McLaren als Vorbild für Trendwende in F1

Hamilton lobt sein Ex-Team
McLaren-Story als Mercedes-Vorbild

GP Großbritannien 2023

Silverstone war auf dem Papier die beste Mercedes-Strecke des Jahres. Manche im Lager der Silberpfeile träumten heimlich vom Sieg. Und bei Red Bull hatte man von allen Verfolgern am meisten Mercedes auf der Rechnung. Am Ende stahl McLaren dem Geheimfavoriten die Show. Mercedes musste sich in der Startaufstellung und in seiner Paradedisziplin Rennen hinter McLaren anstellen.

Lewis Hamilton bekam die McLaren erst dank des Safety Cars zu Gesicht. Das schenkte ihm elf Sekunden auf Lando Norris. George Russell dagegen verfluchte das Safety Car. Es klaute ihm einen Platz. Er hatte vorher Reifen gewechselt. "Dritter wäre ich aber auch so nicht geworden", gab Russell zu.

Unter dem Strich profitierte Mercedes von der Neutralisation zwischen Runde 33 und 38. Mit 25 Punkten setzte man sich von Aston Martin und Ferrari weiter ab. Ein Ingenieur rechnete vor: "Ohne das Safety Car hätte der Zieleinlauf Verstappen-Norris-Piastri-Russell-Hamilton gelautet."

Norris - Hamilton - GP England 2023 - Silverstone
Wilhelm

Große Sprünge sind möglich

Teamchef Toto Wolff freute sich trotzdem mit dem Team, das innerhalb von zwei Rennen mit einem großen Upgrade offenbar die Transformation vom Tabellenkeller direkt in das Verfolgerfeld geschafft hat. Etwas, auf das Mercedes noch wartet. Das eigene Entwicklungspaket brachte Besserung, aber nicht genug.

Wolff sieht im Beispiel McLaren eine Bestätigung dafür, dass es möglich ist, große Sprünge zu machen. "Wenn man die richtigen Entscheidungen trifft, kann man eine Sekunde und nicht nur zwei bis drei Zehntel finden. Aston Martin hat es über den Winter geschafft, McLaren jetzt. Heute hatten sie ein besseres Auto, und man konnte besonders in der Schlussphase auf dem harten Reifen sehen, wie stark sie waren."

Wolff bemängelte am eigenen Auto, dass es nicht die Qualitäten zeigte, die es in Silverstone normalerweise immer so stark gemacht hat. "Wir waren in den schnellen Kurven nicht so gut wie unsere Mitbewerber. Und auch die Traktion hätte besser sein können. Aber das Rennen hinter Red Bull ist so eng, dass wir jedes Wochenende eine neue Reihenfolge erleben. McLaren ist auferstanden, Ferrari und Aston Martin haben einen Schritt zurück gemacht."

Mercedes splittet die Taktik

Mercedes fehlte nicht viel, aber wenig ist manchmal auch genug. In der Qualifikation lagen nur 0,119 Sekunden zwischen den Startplätzen drei und sieben. McLaren lag am vorderen, Mercedes am hinteren Ende. Damit war es schon fast unmöglich, bester der Verfolger zu sein. Wie sollte man schnell genug nach vorne kommen bei einem Rennen, dessen Überholdelta bei 0,8 Sekunden lag und bei dem die Gegner nur durch Zehntelsekunden getrennt waren?

Mercedes splittete die Taktik. George Russell wurde auf Soft-Reifen ins Rennen geschickt und überraschte Freund und Feind. Er sollte in der 20. Runde Medium-Gummis für die restlichen 32 Runden bekommen, doch weil Pirellis C3-Mischung unerwarteterweise lange hielt, bog Russell erst nach 28 Runden in die Boxengasse ab. Vier Runden zu früh für das Safety Car.

Lewis Hamilton ging mit dem Plan ins Rennen, auf dem Medium-Reifen so lange wie möglich durchzuhalten, um für späte Safety-Car-Phasen gerüstet zu sein und am Ende einen Sprint auf den Soft-Gummis zu fahren. "Wir hatten schon am Freitag gesehen, dass der Soft-Reifen robuster war als gedacht", erklärten die Strategen.

Für Hamilton zahlte sich das Abwarten aus. Er sprang vom siebten auf den dritten Platz und trat dann im direkten Duell gegen Lando Norris an, dem die McLaren-Box gegen den Wunsch des Fahrers harte Reifen aufgezogen hatte. Norris wehrte beide Angriffe von Hamilton eiskalt ab. Das Volk stand Kopf. Zwei ihrer Landsleute boten ihnen die perfekte Show.

Norris - Hamilton - Formel 1 - GP England 2023 - Silverstone - Rennen
Wilhelm

Hamiltons Wunsch: ein starkes Heck

Hamilton kam ein paar mal neben den McLaren, doch im Spurt auf der Gerade war der Mercedes chancenlos. "Dieser McLaren ist eine Rakete, speziell in den schnellen Kurven", staunte Hamilton am Funk. Der Topspeed war wieder einmal der wunde Punkt des Mercedes. Auch Russell kam ewig nicht an Charles Leclerc vorbei, obwohl er schneller hätte fahren können. "Charles war nicht immer ganz fair."

Da kann McLarens Entwicklungsschritt ein Vorbild für alle sein, die wie Mercedes zu viel Luftwiderstand mit sich herumschleppen. Der MCL60 ist deutlich effizienter geworden. Hamilton spürte es im direkten Zweikampf aus der Luffield-Kurve heraus. "Ich habe den Überholknopf gedrückt, aber der McLaren hatte einfach weniger Luftwiderstand. Es sah so aus, als wären sie einen kleineren Flügel gefahren als wir." Norris bestätigte: "Haben wir, und das war meine Idee."

Im direkten Vergleich konnte Hamilton bis Kurve 13 mit seinen Konkurrenten mithalten. Dann zogen Verstappen und Norris davon. "McLaren und auch Williams haben vorgemacht, dass man sich verbessern kann. Sobald wir das Heck in den Griff bekommen, sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen nur die guten Teile beibehalten und ein paar weitere hinzufügen."