Die besten Technik-Kopien der Formel 1

Die dreistesten Kopien der Formel 1
Ideenklau in der Königsklasse

Es war die größte Kontroverse der abgelaufenen Formel-1-Saison. Racing Point gegen den Rest der Welt. Die direkte Konkurrenz lief Sturm, aber nur Renault wagte sich mit einem Protest aus der Deckung. Und bekam Recht. Ja, der Racing Point RP20 war eine gut gemachte Kopie des Mercedes W10 von 2019. Aber er stolperte nicht über die offensichtlichen Gleichteile wie die Nase oder die Seitenkästen. Die Sportkommissare beanstandeten die hinteren Bremsbelüftungen. Sie waren mit unerlaubter Hilfestellung aus der Vorlage von Mercedes hervorgegangen.

Später im Jahr rückte Racing Point teilweise von seinem Vorbild ab. Die Seitenkästen und die Motorabdeckung bekamen eine eigenständige Form, die Radaufhängungen eine andere Geometrie. Es hat die pinken Autos nicht langsamer gemacht. Ganz im Gegenteil. Sergio Perez gewann damit das zweite Rennen in Bahrain.

Ligier wie Ferrari

Kopieren gehört zum Geschäft. Gute Ideen wurden schon immer geklaut. Als Colin Chapman 1962 mit seinem Lotus 25 das Monocoque erfand, dauerte es nicht lange bis alle Teams die leichtere und verwindungssteifere Schalenbauweise übernahmen. Als Matra 1971 mit einer Sportwagen-Nase und einer Airbox über den Ansaugtrichtern des Motors auftauchte, waren die ersten Nachbauten schon ein paar Rennen später zu sehen. Ligier ließ sich mit seinem 1977er Modell vom Ferrari 312T2 von 1976 inspirieren.

Tyrrell P34 - Austin 2012
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Der Sechsrad-Tyrrell von 1976 löste eine wahre Hysterie aus. Jeder befasste sich mit dem Thema, March und Williams bauten sogar Testträger mit vier Rädern hinten, doch bevor sich eine der Konstruktionen hätte durchsetzen können, wurden sechs Räder am Auto auch schon wieder verboten. Manchmal ging das Inventar eines sterbenden Rennstalls in ein anderes Team über. ATS trat 1977 mit einem gelb lackierten Penske PC4 an. Fittipaldi verwendete 1980 die Wolf-Autos von 1979 als Basis.

Wenn Designer das Team wechselten, nahmen sie ihr Konzept mit. Maurice Philippe baute 1975 für Parnelli den moderneren Lotus 72. Harvey Postlethwaite trug seine Konstruktionsphilosophie von Hesketh zu Wolf und von dort zu Ferrari und Tyrrell. Rory Byrnes Handschrift ließ sich bei Toleman, Benetton und Ferrari ablesen. Gustav Brunner konstruierte 1988 für Rial einen blauen Ferrari. Der Österreicher hatte zuvor zwei Jahre lang in Maranello gearbeitet.

Der "Sharrows"-Skandal

Tony Southgate und Dave Wass entfachten einen Skandal, als sie im Winter 1977/78 zusammen mit anderen abtrünnigen Shadow-Angestellten die Zeichnungen des Shadow DN9 zu ihrem neuen Team Arrows mitnahmen. Bei Shadow staunte man nicht schlecht, als der Neueinsteiger Arrows 1978 beim GP Brasilien mit einem Auto auftauchte, das optisch eine 1:1 Kopie der Hinterlassenschaft von Southgate war. Witzbolde tauften ihn den "Sharrows".

Shadow-Teamchef Don Nichols klagte vor Englands höchstem Gericht gegen seine fahnenflüchtigen Söldner auf entwendetes Copyright und gewann. Die Richter stellten fest, dass 40 Prozent des Arrows identisch mit dem Shadow waren. Arrows musste eine Strafe zahlen und alle vier gebauten Chassis auseinanderbauen und in Einzelteilen an Shadow zurückgeben. Der Prozess kostete den neuen Rennstall eine halbe Million Dollar.

Arrows FA01 - Monaco 1978
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Arrows hatte in der Zwischenzeit in seiner Fabrik in Milton Keynes bereits ein anderes Auto gebaut und debütierte in Österreich mit dem A1. Der sah seinem Vorbild immer noch recht ähnlich. Die Kopie funktionierte aber besser als sein Original. Als der Arrows noch ein verkappter Shadow war, sammelte Riccardo Patrese acht Punkte, darunter ein zweiter Platz in Schweden. In Kyalami hätte er um ein Haar gewonnen. Shadow kam trotz Clay Regazzoni und Hans-Joachim Stuck im Cockpit über sechs Punkte nicht hinaus.

Lotus-Kopien besser als das Original

Lotus entfachte 1979 eine ganze Flut von Kopien. Man musste sich allerdings fragen, warum es so lange gedauert hatte, bis bei den Gegnern der Groschen fiel. Lotus hatte bereits 1977 mit dem Modell 78 sein geniales WingCar-Prinzip ins Schaufenster gestellt. Doch kaum einer sprang 1978 auf den Zug auf. Vermutlich weil die anderen Ingenieure das Konzept noch zu wenig verstanden hatten.

In der Saison 1979 bestand dann fast das ganze Feld aus Groundeffect-Autos, der Evolution des WingCar-Gedankens. Williams, Ligier, McLaren, Tyrrell, Brabham, Renault, Shadow und Arrows bauten Lotus-Kopien, mit weiterentwickelten Formen, aber der gleichen Idee. Der nächste Schritt von Lotus dagegen floppte. Lotus mottete seinen Typ 80 wieder ein und reanimierte das Vorgängermodell. So waren viele der Plagiate schneller als das Original. Lotus spielte 1979 bei der Titelvergabe keine Rolle mehr.

Auch die hohe Nase wurde schnell ein Feature aller Autos. Jean-Claude Migeot hatte sie 1990 für Tyrrell erfunden, John Barnard sie ein Jahr später für Benetton weitergedacht. Ab 1996 waren sie praktisch alle mit hoher Nase und dem Flügel darunter unterwegs. Ferrari stieg zuletzt um.

Der Toyota, der wie ein Ferrari aussah

Williams war 1996 das Maß aller Dinge. Weil es bei Ferrari gar nichts lief, baute John Barnard auf Druck der Geschäftsleitung für die folgende Saison den Williams einfach nach. Der Ferrari F310B war eine kantigere Version des Williams FW18. Ferrari verkürzte den Abstand zu seinem blauen Ebenbild, aber es reichte wieder nicht für den Titel. Der ging auch 1997 an Williams.

Sechs Jahre später herrschte bei Ferrari helle Aufregung. Maranello warf Toyota vor, über drei ehemalige Mitarbeiter unerlaubte Informationen erhalten zu haben. Als Beweis diente die Ähnlichkeit zwischen dem Ferrari F2002 und dem Toyota TF103. Ove Andersson wies alle Vorwürfe aus Richtung Italien zurück: "Uns wurden nie geheime Dokumente angeboten." TMG-Präsident John Howett wehrte ab: "Toyota war nicht Gegenstand der Ermittlungen. Sie betraf einen Ingenieur in der Aerodynamikabteilung." Es war ein Sturm im Wasserglas. Toyota beendete die WM 2003 auf Platz 8. Weit weg von Weltmeister Ferrari.

Auch die Masche des US-Rennstalls Haas sorgte für böses Blut. Teamchef Guenther Steiner hatte einfach nur das Regelbuch genau gelesen und köderte den amerikanischen CNC-Maschinen-König Gene Haas damit, ein Auto an den Start zu bringen, das so viele Komponenten wie es die Regeln erlauben bei Ferrari einkauft. Am Ende war der Haas VF-16 zu 70 Prozent ein Ferrari. Die Aerodynamik entstand zwar im eigenen Haus, sah dem Auto des Technikpartners aber verdammt ähnlich.

Verschiedene Teams meldeten noch vor dem Start der Amerikaner 2016 Bedenken an und warfen Ferrari und seinem Satellitenteam vor, dass es neben dem erlaubten Verkauf von Teilen auch unerlaubten Informationsaustausch der beiden Designbüros gab. Die FIA leitete 2015 eine aufwendige Untersuchung ein. Mit dem Ergebnis, dass beide Autos zwar im gleichen Windkanal entwickelt wurden, es aber keinen Datentransfer zwischen den beiden Teams gab.

Mercedes vs. Racing Point - Formel 1 - GP Ungarn - Budapest - 18. Juli 2020
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Nur einer kopiert Mercedes

Mittlerweile haben sich die Anfeindungen gegen Haas wieder gelegt. Die Amerikaner fuhren in den letzten beiden Jahren im hinteren Drittel des Feldes. Da spielten die Ähnlichkeiten mit Ferrari plötzlich keine Rolle mehr. Die Racing Point-Story schlug deshalb so hohe Wellen, weil der Mercedes-Partner in der Saison plötzlich um Platz drei im Konstrukteurs-Pokal mitfuhr und Teams wie Renault, McLaren und Ferrari in die Suppe zu spucken drohte.

Noch etwas stieß bei den Rivalen sauer auf. Bis 2019 hatten alle immer nur bei Technik-Guru Adrian Newey kopiert. Egal ob die starke Anstellung oder das Frontflügel-Konzept. Was Newey machte, war Gesetz. Dass Mercedes mit einem anderen Konzept einen WM-Titel nach dem anderen abräumte, schien keinen zu beeindrucken. Bis Racing Point sich das Auto zur Vorlage nahm, das die meisten Rennen gewann.

Mercedes-Technikchef James Allison nahm die Betriebsblindheit seiner Kollegen kürzlich in einem Interview bei Motorsport Aktuell auf die Schippe: "Die Medien machen einen guten Job jedem zu erzählen, dass Adrian Newey die besten Chassis baut, und das hat alle anderen überzeugt, dieses Konzept zu kopieren. In der Zwischenzeit sind wir mit einem Auto unter dem Radar geflogen, von dem alle nur immer geglaubt haben, dass es von seinem starken Motor lebt. Dabei haben viele übersehen, dass unser Auto auch aerodynamisch sehr gut ist."

In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal einige der erwähnten Kopien – und das dazu passende Original.