Dass ein Neuling direkt in einem Top-Auto einsteigt, kam in der Formel 1 lange nicht mehr vor. Der letzte Fahrer, der in seiner Rookie-Saison ein Rennen gewinnen konnte, hieß Lewis Hamilton. Ausgerechnet diesen Lewis Hamilton muss Andrea Kimi Antonelli jetzt bei Mercedes ersetzen. Die Fußstapfen könnten größer kaum sein.
Nach mehr als 10.000 Testkilometern in älteren Modellen hatte der Neuling in Bahrain endlich die Gelegenheit bekommen, sich mit dem aktuellen Silberpfeil und der neuesten Reifenspezifikation anzufreunden. Die Ingenieure zogen danach ein positives Fazit. Von ein paar kleineren Ausrutschern abgesehen, deutete der Italiener sein Ausnahmetalent immer wieder an.
Wie beim Auto sind aber auch bei Antonelli noch nicht alle Fragezeichen beseitigt. Hundertprozentig kann sich ein junger Pilot im Rahmen der Testfahrten natürlich nicht auf den Stress und die Anspannung des ersten echten Grand-Prix-Wochenendes vorbereiten. Mit George Russell hat der Italiener zudem einen harten Gegner, der das interne Quali-Duell gegen Hamilton im Vorjahr mit 19:5 für sich entschied.

Lewis Hamilton gab seinem Nachfolger noch ein paar Tipps auf den Weg.
Keine Kampfansage von Antonelli
Antonelli weiß um die Schwere der Aufgabe. Auf die Frage, wie viel Abstand im ersten Rennen akzeptabel ist, wollte der Neuling lieber keine konkrete Antwort geben: "Es ist schwer, eine Zahl zu nennen. George hat im letzten Jahr gezeigt, wozu er fähig ist. Immer, wenn es eine Möglichkeit gab, hat er sie beim Schopf gepackt. Ich kann viel von ihm lernen. Wir werden uns sicher gegenseitig nach vorne treiben."
Teamchef Toto Wolff muss im ersten Jahr der Nach-Hamilton-Ära eine ganz neue Fahrer-Dynamik managen. Russell ist jetzt der neue Teamleader, der die Messlatte darstellt. Antonelli muss beweisen, dass er die großen Vorschusslorbeeren auch verdient. "Wir müssen für beide Fahrer die Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie optimal operieren können", so Wolff.
Im Fall von Antonelli will der Teamchef weder die Erwartungen hochjubeln, noch das Talent des Italieners kleinreden: "Kimi hat in den Junior-Klassen ein riesiges Potenzial gezeigt. Ich möchte aber weder in die eine noch die andere Richtung einen Fehler machen. Ich möchte nicht wie Ron Dennis damals bei Lewis sagen, dass es schon beachtlich wäre, wenn er innerhalb von einer Sekunde von Fernando liegt. Da hat Fernando sicher gedacht, dass es ein Spaziergang wird. Und dann wurde alles ganz anders."

George Russell würde gerne mit Mercedes verlängern. Und Mercedes würde gerne mit Russell weiterarbeiten.
Neuer Mercedes-Vertrag für Russell?
Der Österreicher kündigte eine steile Lernkurve von Antonelli an, bei der das Team aber auch Geduld zeigen müsse: "Kimi braucht die Zeit, sich zu entwickeln. Es geht für ihn darum, die ganzen Strecken zu lernen. Er muss bereit sein für die nächste Saison, wenn es den großen Reglement-Wechsel gibt. Es wird sicher auch mal Momente geben, in denen es schwierig wird."
Auch für Russell hat Wolff eine wichtige Message parat: "George weiß, dass wir nicht von ihm erwarten, dass er Kimi jedes Mal eine Klatsche verpasst. Wir hätten Kimi nicht verpflichtet, wenn wir der Meinung wären, dass so etwas passiert. Ich denke, dass Kimi beim Speed auf einem ähnlichen Level wie George liegt. Aber es gibt noch viel zu lernen, vor allem mit den Reifen auf den längeren Runs."
Weil der Vertrag mit Russell am Ende der Saison ausläuft, kam kurz vor dem Saisonstart natürlich auch die Frage auf, wann denn die Verhandlungen über einen neuen Deal starten. "Wir hatten vor ein paar Wochen schon ein Gespräch darüber, wie der richtige Zeitplan für die Verhandlungen aussehen könnte", verrät Wolff. "Wir werden sicher noch vor dem Sommer Zeit finden, darüber zu reden. Es geht dabei darum, unsere Saison nicht zu stören."
Laut Wolff sieht der Mercedes-Plan vor, mit den vorhandenen Fahrern auch in Zukunft weiterzumachen. Max Verstappen sei aktuell kein Thema. Es gebe aktuell keinen Grund, weiter am Weltmeister herumzubaggern. "Wenn man eine gute Beziehung hat, dann flirtet man nicht mit anderen. Das Thema (Verstappen) haben wir aktuell nicht auf dem Radar", so Wolff.