Nach der Besetzung des letzten offenen F1-Cockpits bei Sauber durch Gabriel Bortoleto war klar, dass sich Kevin Magnussen außerhalb der Königsklasse nach einem neuen Job umschauen muss. Jetzt ist der Teamkollege von Nico Hülkenberg endlich fündig geworden. Wie BMW am Donnerstag (5.12.) offiziell mitteilte, wird der Däne kommende Saison in den Werksfahrerkader der Bayern aufgenommen.
Damit wechselt Magnussen aus der Königsklasse wieder zurück in die Sportwagen-Szene. Schon nach seinem ersten Abschied von Haas in der Saison 2021 war der 32-Jährige auf der Langstrecke unterwegs. Damals fuhr Magnussen ein Jahr lang in der US-amerikanischen IMSA-Serie, wo er für das Cadillac-Team von Chip Ganassi an den Start ging. "Es fühlt sich für mich so an, als würde ich wieder nach Hause kommen. Ich bin im Dunstkreis von Sportwagenrennen aufgewachsen. Mein Dad ist da viel gefahren."
Damals sah es kurz so aus, als sei die Formel-1-Karriere des Blondschopfs bereits zu Ende. Doch nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und dem plötzlichen Aus von Nikita Mazepin holte Haas-Teamchef Guenther Steiner seinen ehemaligen Schützling 2022 zurück in die Königsklasse. Als Teamkollege von Mick Schumacher konnte der Skandinavier mit seinem Speed und seiner Erfahrung sofort überzeugen.

Beim Grand-Prix-Debüt 2014 in Melbourne raste Kevin Magnussen direkt aufs Podium. Es blieb leider sein einziger Pokal in der Formel 1.
Ein Podium, eine Pole-Position
So dauerte der zweite Teil seiner Grand-Prix-Karriere am Ende insgesamt drei Jahre. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi feiert Magnussen mit seinem 185. Rennen den zweiten Abschied aus der Königsklasse. Nach Aussage des Piloten fühlt sich dieser viel besser an als der Erste. "Diesmal geht es um etwas. Der sechste Platz ist für Haas unheimlich wichtig. Fast wie ein Sieg. Wir wissen alle, was auf dem Spiel steht und was wir zu tun haben. 2020 war deprimierend. Wir waren nicht konkurrenzfähig."
Einen Sieg gab es in insgesamt neun Formel-1-Jahren leider nicht zu bejubeln. Das größte Highlight setzte K-Mag direkt in seinem ersten Rennen 2014 für McLaren in Melbourne. Damals kletterte Magnussen als Zweiter aufs Podium. "Ein Rennen habe ich ja noch, um zum zweiten Mal aufs Podium zu steigen", grinst der Haas-Pilot. Rückblickend auf Melbourne 2014 meint er: "Es war schon ein ganz spezielles Gefühl. Das ist nicht vielen Fahrern in der Formel 1 vergönnt."
Bei den Sternstunden muss auch noch die sensationelle Pole-Position 2022 mit Haas in Brasilien erwähnt werden. Ansonsten wird Magnussen bei den meisten Fans wohl eher als beinharter Kämpfer im Formel-1-Mittelfeld in Erinnerung bleiben. Der Mann aus Roskilde ist fast ein bisschen traurig, dass er ausgerechnet jetzt aussteigen muss, wo er die Kurve gekriegt hat.
Zunächst stand er mit den Groundeffect-Autos auf Kriegsfuß. "2022 habe ich es gar nicht so gemerkt, weil ich im Vergleich zu meinem Teamkollegen gut aussah. Aber Nico hat mir die Augen geöffnet. Er hat mir gezeigt, was mit diesen Autos möglich ist."

Vor ihrer gemeinsamen Zeit bei Haas galten Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen nicht als beste Freunde. Am Ende kamen beide sehr gut miteinander aus.
Lernen von Nico Hülkenberg
Magnussen kam im Gegensatz zu Nico Hülkenberg nicht damit zurecht, dass man mit den Autos seit 2022 nicht mehr gleichzeitig bremsen und einlenken kann. "Du musst erst bremsen, dann einlenken und aus der Kurve eine Art V machen. Das passt nicht zu meinem Fahrstil." Erst in seiner letzten Saison hat es Magnussen geschafft, sich mit diesen Autos anzufreunden. "Ich bin stolz darauf, dass ich das noch drehen konnte."
In Mexiko fuhr Magnussen sein bestes Saisonrennen. "Da hatte ich von Anfang an einen Lauf. Das Auto und ich waren eine Einheit." Umso mehr ärgert ihn, dass die ganze harte Arbeit bei Haas durch zwei Glücksschüsse von Alpine möglicherweise kaputtgemacht wurde. "Wenn ich in Katar wie Gasly auf der Strecke bleibe, komme ich vor ihm ins Ziel. Dann werde ich Fünfter und nicht Pierre." Der verfrühte Boxenstopp kostete Magnussen vier Positionen und Haas acht Punkte.
Die Frage lautet, ob der Routinier in seiner neuen Rolle bei BMW wieder um Siege und Titel fahren wird. Noch haben die Verantwortlichen des Langstreckenprogramms nicht entschieden, wie sie ihre Neuverpflichtung genau einsetzen wollen. Der LMDh-Renner BMW M Hybrid V8 wird 2025 sowohl in der WEC als auch in der US-IMSA-Serie an den Start gehen. Man sollte aber auf jeden Fall davon ausgehen, dass Magnussen bei den Saisonhöhepunkten, den 24h-Rennen von Daytona und Le Mans, mit von der Partie ist. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. "Getestet habe ich noch nicht. In naher Zukunft stehen erst einmal Simulatorfahrten an."

Schon in seinem IMSA-Jahr 2021 hat Kevin Magnussen gezeigt, dass er auch mit Dach über dem Kopf unglaublich schnell ist.
Neue Herausforderung bei BMW
BMW-Sportchef Andreas Roos freut sich schon auf die Zusammenarbeit: "Kevin Magnussen ist eine großartige Verstärkung für unser LMDh-Programm. Seinen Speed hat er über ein Jahrzehnt auf höchstem Niveau in der Formel 1 regelmäßig gezeigt. Aufgrund seiner großen Erfahrung ist er eine echte Bereicherung für unser Projekt. Dass er 2021 bereits eine komplette Saison mit einem Sportwagen-Prototyp absolviert hat, ist ein zusätzlicher Vorteil für uns, denn es wird seine Eingewöhnungsphase mit dem BMW M Hybrid V8 sicher erleichtern."
Auch Magnussen selbst freut sich auf die neue Aufgabe: "Ich bin stolz, so eine ikonische Motorsport-Marke wie BMW bei einigen der legendärsten Rennen der Welt repräsentieren zu dürfen. Nach zehn Jahren in der Formel 1 schlage ich ein neues, aufregendes Kapitel auf. Ich freue mich auf die Herausforderung in den innovativsten und fortschrittlichsten Sportwagen der Langstrecken-Geschichte. Mein großer Dank gilt BMW für diese fantastische Chance. Ich kann es kaum erwarten, die Vorbereitungen zu beginnen, und freue mich darauf, gemeinsam mit dem Rest des Teams in die Saison 2025 zu starten."
Den ersten Kontakt zu BMW hatte er über WRT-Chef Vincent Vosse hergestellt, unter dessen Regie die WEC-Einsätze der Bayern durchgeführt werden. "Ich kenne Vincent schon ewig. Er hat mir mal das Leben gerettet, als ich mit zwei Jahren in einen Pool gesprungen bin, aber nicht schwimmen konnte. Er ist im Sonntagsanzug hinterhergesprungen und hat mich rausgefischt. Ich hoffe, dass ich ihm das jetzt mit guten Leistungen zurückzahlen kann."

Man darf davon ausgehen, dass Kevin Magnussen beim 24h-Rennen in Le Mans an den Start gehen wird. Der Langstreckensport hat in der Familie Magnussen Tradition.
Doppeljob bei BMW und Haas?
Mit der Verpflichtung durch BMW muss das Formel-1-Kapitel aber noch nicht ganz abgeschlossen sein. Magnussen bleibt auch immer noch bei Haas im Gespräch. "Wir suchen nach Möglichkeiten, Kevins Erfahrung für uns zu nutzen", verrät Teamchef Ayao Komatsu. Magnussen ist nicht abgeneigt, sich eine Doppelbelastung aufzuhalsen. "So halte ich den Kontakt zur Formel 1."
Auf den Job des Reservefahrers hat er allerdings keine Lust. "Ich will nicht an der Strecke rumhängen und darauf warten, dass sich einer den Fuß bricht." Es geht auch gar nicht, wegen einiger Terminüberschneidungen mit den Sportwageneinsätzen. Möglich aber wären einige TPC-Testfahrten in einem 2023er-Haas. Magnussen könnte dort Vergleichsmaßstab für junge Piloten aus dem Fahrerpool von Toyota sein.