John Watson - Mein bestes Rennen

John Watson
Long Beach 1983 - Von Startplatz 22 zum Sieg

Ich habe mich für meinen Grand-Prix-Sieg 1983 in Long Beach entschieden, weil es die Kopie des Rennens war, das Jenson Button im Jahr 2011 in Montreal gezeigt hat. Von ganz hinten nach ganz vorne. Ich stand auf Startplatz 22, mein Teamkollege Niki Lauda eine Position dahinter.

Das Problem waren die Reifen. McLaren ist zu Saisonbeginn noch mit dem Cosworth-Motor gefahren. Michelin aber hat die Entwicklung für die Autos mit Turbomotoren betrieben. Die waren schwerer und haben wegen der größeren Motorleistung den Reifen stärker belastet.

McLaren mit Quali-Schwäche

Wir haben es im Training mit wenig Sprit an Bord nicht geschafft, den Reifen so zum Arbeiten zu bringen, dass er sich von innen aufheizte. Keine Temperatur, kein Grip. Das Auto ist nur gerutscht und hat untersteuert.

Im Rennen war das eine andere Geschichte. Mit Benzin an Bord wurde der Reifen zum Leben erweckt. Ron Dennis und John Barnard gaben Niki und mir die Schuld. Zwei alte Säcke im Cockpit, die keine Risiken mehr eingehen wollten. Später in Monaco sollte uns die Geschichte wieder einholen. Da waren beide Autos noch nicht einmal für das Rennen qualifiziert.

In Long Beach sind wir durchaus mit Hoffnungen an den Start gegangen. Niki und ich wussten, dass unser Auto ein schlafender Wolf war. Und genauso kam es. Wir sind im Tandem durch das Feld gepflügt. Vorne Niki, ich hinterher. Immer wenn er überholte, habe ich versucht, mich sofort dranzuhängen.

Letzter Gegner Teamkollege Niki Lauda

Einige im Vorderfeld haben uns den Gefallen getan, sich ins Auto zu fahren. Tambay und Rosberg zum Beispiel. Die beiden wären sicher eine harte Nuss geworden. Die Turbo-Autos spielten auf der Geraden ihren Boost-Vorteil aus. Du musstest dich wirklich direkt hinter sie klemmen und hoffen, dass der Windschatten dich mitträgt, und sie dann in der Bremszone mit dem besseren Grip deiner Reifen überrumpeln.

Ans Gewinnen dachten wir erst, als wir an der Spitze lagen. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich schneller als Niki fahren könnte. Ich hatte eine andere Reifenwahl getroffen, was sich mit Fortdauer des Rennens als vorteilhaft erwies. In Long Beach gab es nur eine Stelle, wo man überholen konnte: am Ende der langen Hafengeraden.

Ich setzte mich vor der Haarnadel an seine Seite, war spät auf der Bremse, als mein Auto plötzlich einen Satz in seine Richtung machte. Nach dem Rennen hat mich Niki völlig perplex gefragt: Warum hast du das gemacht? Sorry, Niki, habe ich gesagt, aber auf einer Seite hatte plötzlich die Bremswirkung nachgelassen. Ich habe einen Gegenangriff von Niki erwartet, aber er entschied sich dafür, hinter mir zu bleiben. Typisch Niki. Er machte, was nötig war.

Ärger wegen Reifen-Kommentar

Mir fehlte die Intelligenz, so clever zu fahren wie er. Ich habe mich in meine Gegner verbissen, egal wie aussichtslos die Lage war. Ron und John waren sprachlos. Noch nie hatten zwei Fahrer von so schlechten Startplätzen gewonnen. In der Pressekonferenz wurde ich gefragt, welchen Reifentyp ich gefahren sei. Ich gab wahrheitsgemäß preis, dass ich den Michelin-Typ 05 gewählt hatte. Er passte besser zu meinem Fahrstil.

Als ich nach England zurückkam, habe ich die Fabrik besucht. Ron kam sofort auf mich zu und sagte, er müsse dringend mit mir sprechen. Ich hätte unseren Konstrukteur John Barnard aufs Äußerste verärgert. Ich dachte, um Himmels willen, was ist hier los? Er zeigte mir die Zeitschrift "Motoring News" mit meinem Reifenzitat und sagte: Du musst dich sofort bei John entschuldigen. Nicht der Fahrer wählt die Reifen aus, das macht der technische Direktor. Alle technischen Informationen sind Eigentum des Teams. Über die hat ein Fahrer nicht zu sprechen.

Das war der Beginn einer neuen Philosophie, wie ein Rennstall zu führen sei. Der Beginn der modernen Formel 1. Die Tage, an denen du nach einem Rennen zusammensitzen und bei einem Bier Spaß haben konntest, waren gezählt. Heute ist das ganz normal. Die Fahrer geben nur noch Allgemeinplätze von sich.

Lauda-Physio gibt Lebenshilfe

Zum Schluss noch eine Geschichte, die für meine Entwicklung als Rennfahrer enorm wichtig war. Als Lauda 1982 in die Formel 1 zurückkehrte, arbeitete er exklusiv mit seinem Physiotherapeuten Willy Dungl zusammen. Für 1983 entschied Ron Dennis: Ich bezahle den Mann, also gehört er dem ganzen Team. Da Niki vor Long Beach zu einer Werbetour nach Südamerika musste, hatte ich das Privileg, eine Woche lang mit Dungl zu arbeiten.

Willy hat mich verstanden. Er hat sofort gesehen, was ich brauchte, um besser zu werden. Mentale und physische Stärke. Mein Körper war vergiftet. Willy hat mir beigebracht, besser zu essen und zu trinken. Als Niki von seiner Werbetour zurückkam, war ich ein anderer Mensch. Nach dem Rennen hat mir Willy gestanden: Ich wusste, dass Du dieses Rennen gewinnen würdest.