James Allison: "Gedanken schon im Jahr 2026"

James Allison zurück an der Frontlinie
„Mit den Gedanken schon im Jahr 2026“

Nach dem Teamchef ist der Technik-Direktor wohl die wichtigste Position in einem Rennstall. Dass Mercedes die Rolle nun nach drei Rennen neu besetzt, ist in der Formel 1 nicht gerade üblich. Normalerweise werden solche Änderungen in der Organisationsstruktur lange geplant und optimalerweise in der Sommer- oder Winterpause vollzogen.

Doch nach der enttäuschenden Vorsaison und dem schwachen Start in das Jahr 2023 musste sich jetzt offenbar etwas verändern, um das Werksteam wieder auf Kurs zu bringen. Mike Elliott, der erst Mitte 2021 in die Rolle des Technik-Direktors gehoben wurde, gibt das Zepter in der Entwicklungsabteilung nach nur 20 Monaten wieder ab.

Sein Nachfolger ist sein Vorgänger. James Allison, der zuletzt die eher strategisch ausgelegte Position des "Chief Technical Officers" innehatte, tauscht mit Elliott die Rollen. Im offiziellen "F1-Nation Podcast" sprach der 55-jährige Ingenieur jetzt erstmals über die Hintergründe des Wechsels auf der obersten Management-Ebene.

James Allison - Mercedes - Technik-Direktor
Motorsport Images

Mercedes als schlagkräftige Maschine

Laut Allison konnte man die Aufgaben in der bisherigen Konstellation zwar ordentlich erledigen, dabei wurde aber nicht das ganze Potenzial abgerufen: "Vielleicht bin ich besser für den kurzfristigen Kampf einer Weltmeisterschaft geeignet. Und Mike ist der bessere Schachspieler, der in die Rolle des CTOs passt. Also haben wir jetzt diese Lösung entwickelt, die uns insgesamt zu einer schlagkräftigeren Maschine macht."

Die Umstellung verlangt von beiden Beteiligten aber auch ein schnelles Umdenken. Allison gibt zu, dass er zuletzt kaum noch in das Tagesgeschäft der Entwicklungsabteilung eingebunden war. "Meine Gedanken waren mehr im Jahr 2026 als im Hier und Jetzt und dem aktuellen Auto. Es erfordert viel Aufwand, wieder überall auf den aktuellen Stand zu kommen."

Bei der Rückkehr an die Spitze des Feldes will Allison nicht zu sehr auf die Konkurrenz schauen: "Es geht jetzt vor allem darum, Bereiche mit viel Steigerungspotenzial zu identifizieren. Dann müssen wir diese Möglichkeiten ausschöpfen, entweder durch neue Hardware oder durch neue Arbeitsansätze. Wir sind uns der Stärke von Red Bull und insbesondere von Max bewusst. Sie sind ein würdiger Gegner, den es niederzuringen gilt."

Generell sieht Allison seine Mannschaft nicht schlecht aufgestellt. Man habe ein starkes Fahrerduo. Und der aktuelle AMG W14 bietet bereits eine gute Basis. "Das Auto ist besser als die meisten Autos im Feld. Aber solange es nicht das schnellste Auto ist, fühlt es sich für uns immer wie ein schwaches Auto an."

Mercedes - Formel 1 - GP Bahrain 2023
xpb

W14-Charakter noch nicht ausgebildet

Als Stärken des aktuellen Silberpfeils nennt Allison die Zuverlässigkeit und den schonenden Umgang mit den Reifen. Das Abtriebsniveau sei höher als bei den meisten anderen Autos, was aber noch nicht ausreiche, um an der Spitze zu kämpfen. Auch beim Handling sieht der neue, alte Technik-Direktor noch Steigerungspotenzial.

Was den grundlegenden Charakter des Silberpfeils angeht, sei es aber noch etwas früh für ein Urteil: "Wenn ich mich auf etwas festlegen müsste, dann würde ich sagen, dass wir auf Strecken besser aussehen, auf denen die Vorderreifen mehr beansprucht werden. Barcelona und Silverstone sollten uns also liegen. Das Auto ist aber noch verhältnismäßig neu. Da kann sich also noch etwas ändern."

Allison hofft, dass die gute Leistung von Melbourne erst der Anfang des Steigerungsprozesses ist. Mercedes habe bisher bei allen drei Rennen neue Teile im Gepäck gehabt. Auch in Baku wird noch einmal nachgelegt. "Wir sind bei der Entwicklung leider vom Budget-Deckel limitiert. Aber wir befinden uns an einem Punkt der Saison, an dem noch ordentlich Munition vorhanden ist, um Wochenende für Wochenende mehr Rundenzeit zu finden."

Teamchef Toto Wolff hatte bereits angekündigt, dass in den nächsten Rennen – wahrscheinlich in Imola – dann auch noch eine B-Version des W14 kommen soll. Die Zahlen im Windkanal versprechen jetzt schon einen großen Schritt. Man darf gespannt sein, ob die erhoffte Performance auch wirklich auf der Strecke ankommt und ob Mercedes noch einmal auf den WM-Zug aufspringen kann.

James Allison - Ferrari - Technik-Direktor - 2016
Motorsport Images

Beziehung sorgt für Pause

Allison freut sich, wieder im Maschinenraum anzupacken und nicht mehr nur von der Brücke aus in die Ferne zu blicken. Dass er die Position überhaupt abgegeben hatte, lag auch am plötzlichen Tod seiner Frau im Jahr 2016, wie der Ingenieur verriet. "Ich hatte das Glück, nach ein paar Jahren jemand Neues kennenzulernen. Sie hat in Frankreich gewohnt und hatte dort seit 20 Jahren ihren Lebensmittelpunkt. Als sie dann netterweise, manche würden sagen törichterweise, zugestimmt hat, zu mir zu ziehen, hat sie jede Menge aufgegeben."

"Es wäre unfair gewesen, sie nach England wegzulocken und ihr dann zu sagen: Wir sehen uns aber nur fünf Minuten pro Woche. Der Rückzug von der Front, an der ein Technik-Direktor arbeiten muss, hat uns den Raum gegeben, damit sich unsere Beziehung entwickeln konnte. Das wäre anders nur schwer möglich gewesen. Das ist jetzt mehr als zwei Jahre her. Mittlerweile hat sie hier Wurzeln geschlagen und macht ihr Ding, das sie nicht auf mich angewiesen ist. Jetzt ist für mich wieder mehr möglich als noch vor zwei Jahren."