Interview: Formel-2-Hoffnung Oliver Goethe

Deutsche Formel-2-Hoffnung Goethe im Interview
„Will mich mit einem Formel-1-Test belohnen“

Wie bekamen Sie die Chance, noch 2024 in die Formel 2 aufzusteigen?

Goethe: Es ergab sich erst direkt vor Monza. Ich habe in Valencia für das Campos-Team im Simulator getestet, um mich auf das Formel-3-Finale vorzubereiten. Bei der Abreise nach Mailand erhielt ich am Flughafen einen Anruf meines Managements, welches auch Franco Colapinto betreut. Das gab uns natürlich einen zeitlichen Vorteil. Wir sind in den Austausch mit MP Motorsport getreten, kannten das Team aber schon durch erste Gespräche für 2025. Es war etwas schade, die F3-Rennen zu verpassen, weil ich kleine Chancen auf ein sehr gutes Endresultat hatte. Aber der Aufstieg ist deutlich nützlicher.

Ist es klüger, schnell die Leiter zu erklimmen, um sich in neuen Umfeldern zu beweisen?

Goethe: Für mich wurde es Zeit. In meiner ersten vollen Saison 2023 bin ich auf dem achten Rang eingelaufen, nun verabschiedete ich mich auf dem siebten – ohne die F2-Möglichkeit wären die Top 5 drin gewesen. Alles in allem ist es ein gelungener Karriereabschnitt mit einem guten persönlichen Fortschritt. Ich habe großes Vertrauen, dass es in der F2 ähnlich weitergeht.

Wie fassen Sie Ihre F3-Saison zusammen?

Goethe: Die Formel 3 ist eine komplizierte, extrem enge Meisterschaft. Besonders die chaotischen Qualifikationen zeigen, wie viele Faktoren zusammenpassen müssen, um in die Top 10 zu kommen. Besonders in den letzten Läufen habe ich da Pech gehabt. Das hat mir ganze Wochenenden zerhauen. Ein gutes Beispiel für einen gelungenen Auftritt ist Imola mit einem Sieg und einem zweiten Platz.

Oliver Goethe - Red-Bull-Junior - Formel 3 Imola 2024
xpb

Ohne das DRS, welches in der F3 extrem wirksam ist und Ihre Verfolger stärkte, hätten Sie wohl beide Siege geholt?

Goethe: Es hält das Feld und besonders die Spitze eng zusammen. Wenn jeder in diesem Zug ist, gleicht es sich wieder aus. Obendrauf kommt die verwirbelte Luft. Für eine Überholaktion muss man sich also trotzdem bemühen.

Was sind die größten Unterschiede zwischen den beiden Juniorserien?

Goethe: Die Autos stellen klar den größten Unterschied dar. Durch den zusätzlichen Turbo besitzen die F2-Renner mehr Power, gleichzeitig sind sie schwerer. Auch das Bremsverhalten braucht eine Umstellung. Es ist wirklich ein Wagen mit Charakter, genau deswegen bin ich froh, mich jetzt schon einschießen zu können. Die anderen Rookies werden sich durch die – im Vergleich zu den Rennwochenenden – sehr umfangreichen Tests zwar ebenfalls schnell gewöhnen, aber ich besitze dann schon Routine. Es hilft auch, den besonderen Druck von Rennen samt der für mich neuen Stopps durchgemacht zu haben. Bei der Fahrerqualität fällt die Formel 3 gar nicht so sehr ab, die F2-Piloten bringen nur mehr Erfahrung mit.

Die F2-Autos haben einen Ruf als Diven mit technischen Problemchen, zurecht?

Goethe: Ich kann bisher nur über das unterschiedliche Gefühl am Steuer sprechen. Und das ist angesichts von Turbolöchern usw. ungewohnt. Als ich in Monza ohne digitale oder echte Testkilometer ins Cockpit sprang, war es mehr ein Durchhalten als ein kontrolliertes Fahren. Dafür ist der Rhythmus zu elementar. Aber nach Monza, wo ich komplett ohne Erfahrung fast die Samstags-Pole geholt habe, und Baku fühle ich den Fortschritt.

Oliver Goethe - Red-Bull-Junior - Formel 2 Monza 2024
xpb

Sie gehören zum Motorsport Team Germany, sind aber kosmopolitisch aufgewachsen. Zum Beispiel steht London als Geburtsort in Ihrem Pass.

Goethe: Meine Rennsport-Erziehung habe ich in England genossen, wo ich auch meine Jugend samt Schulzeit verbracht habe. Man sollte jedoch nicht glauben, dass ich meine deutschen Wurzeln vergesse. So ein Nachname wie der meines Vaters verpflichtet natürlich (lacht).

Aktuell bessern Sie Ihr Deutsch fleißig auf. Was ist einfacher: das Reinfuchsen in Ihre – in dem Fall – Vatersprache oder in die Formel 2?

Goethe: Oh ja, Deutsch zu lernen ist echt hart. Im Moment stecke ich sehr viel Zeit in das Üben und kann erste Gespräche und Interviews führen. Die Formel 1 ist das Ziel auf der Strecke, daneben ist es, diese Sprache zu beherrschen.

In Ihrem Stammbaum findet sich nicht nur ein Dichter, sondern auch reichlich Rennsport-Leidenschaft. Ihr Vater liebt klassische Wagen, Ihr Bruder Benjamin tritt erfolgreich in GT-Serien an. Sieht man Sie auch bald verstärkt in Sportwagen?

Goethe: Mehrmals konnte ich schon GT-Luft schnuppern. Der erste Versuch endete leider frühzeitig, weil mein Kollege das Auto weggeschmissen hat, was mich um das Rennen brachte. Jedoch sammelte ich Erfahrung mit Stopps. Im Nachhinein war das wichtig, weil es mir ein Gefühl für die Zeit gab, die man dabei verlieren oder gewinnen kann. Auch beim Reifenmanagement gibt es Schnittmengen. Klassische Renner hielt man noch von mir fern, da macht sich meine Mutter zu große Sorgen (grinst). Ich gebe aber nicht auf!

Oliver Goethe - Red-Bull-Junior - Martin Tomczyk - DTM Hockenheim 2024
Red Bull

Es ist fair zu sagen, dass Sie die glückliche Situation vorfinden, familiäres Geld und Talent miteinander zu verbinden. Die Mitgliedschaften im Red-Bull-Förderkader und im Motorsport Team Germany sprechen hier für sich. Aber trotzdem war der Weg nie ein simpler?

Goethe: In meiner Kartzeit fuhr ich lange auf einem regionalen Niveau und bin dann direkt auf eines der höchsten Level gesprungen. Das war schon ein Realitätscheck. Von da führte mein Weg schnell in die Formel 4. Mittendrin musste ich mit den Auswirkungen der Pandemie kämpfen. Für mich war diese Pause allerdings hilfreich, weil ich mich auf mich selbst als Person konzentrieren konnte. Dabei hat es Klick gemacht! Trotzdem blieben die Herausforderungen. In der Spanischen F4 holte ich einen fünften Platz, in der Formula Regional European zerstörten schwierige Rennen etwas mein Selbstbewusstsein.

Über den Umweg der Euroformula Open, deren Meister ich 2022 wurde, fing ich mich. Es machte ein zweites Mal Klick! Dann begann die bereits beschriebene F3-Zeit. Was ich damit sagen will: Eine Karriere besteht aus Höhen und Tiefen. Viele sehen sie als eine Treppe, auf der es nur nach oben geht. Für mich ist es eher eine Leiter, bei der man auch mal Sprossen herunterrutschen kann. Das Vertrauen durch die genannten Programme hilft, eine konstruktive Konstanz zu finden.

Welche Rolle spielt Red Bull neben den deutschen Connections zu Herstellern, Organisatoren usw.?

Goethe: Helmut Marko und sein Team unterstützen mich sehr: natürlich mit finanziellen Mitteln, genauso aber auch mit funktionellen Dingen wie Zeit im Simulator. An der operativen Spitze des Förderprogramms steht Guillaume "Rocky" Rocquelin, den man noch als Renningenieur von Sebastian Vettel kennt. Dass ein Formel-1-Test bei passender Leistung in Aussicht steht, ist wie die perfekte Belohnung.

Was kommt zuerst: Ihre erste volle Lektüre eines Goethe-Klassikers oder das Formel-1-Debüt?

Goethe: Beides gleichzeitig (lacht)!