Horner zum Ricciardo-Comeback: De Vries nur Notlösung

Horner erklärt Ricciardo-Beförderung
„Nyck war nur eine Notlösung“

Der plötzliche Rauswurf von Nyck de Vries und das bevorstehende Comeback von Daniel Ricciardo haben große Wellen geschlagen. Viele Fans waren überrascht vom Timing des Personalwechsels im Red-Bull-Lager. Eigentlich hatte man erwartet, dass de Vries noch mindestens bis zur Sommerpause oder bis zu seinem Heimspiel in Zandvoort direkt nach den Ferien noch an der Trendwende arbeiten darf.

Doch nun ist die Formel-1-Karriere nach einem Grand Prix für Williams und zehn Rennen für Alpha Tauri schon wieder beendet. Kaum einer glaubt, dass der Meister der Formel E und der Formel 2 noch eine weitere Chance in der Königsklasse bekommt. Dafür war der Einstieg zu holprig. Und bei einem für Rookies sehr fortgeschrittenen Alter von 28 Jahren kann man auch nicht mehr auf große Steigerungen hoffen.

Im Interview mit dem offiziellen F1-Podcast macht Red-Bull-Teamchef Christian Horner keinen Hehl daraus, dass er von Anfang an nicht überzeugt war, den Niederländer zu verpflichten. "Ich halte Nyck für einen fähigen Piloten, einen Champion in der Formel E und der Formel 2. Er ist aber kein junger Fahrer mehr. Ich habe nicht gesehen, wie er in unser Junior-Programm passt. Er war da nur so etwas wie eine Notlösung."

Nyck de Vries, Franz Tost & Helmut Marko - Formel 1 - 2023
Red Bull

Marko-Anruf bei de Vries

Noch während Daniel Ricciardo am vergangenen Dienstag (11.7.) seine Testrunden für Pirelli in Silverstone drehte, erfolgte der Anruf bei de Vries. Sportchef Helmut Marko musste seinem Schützling die schlechte Nachricht übermitteln. Laut Horner war es der Grazer, der den Piloten vor einem Dreivierteljahr ins Boot geholt hatte und ihn nun auch wieder vor die Tür setzte. Da kennt man bei Red Bull kein Pardon.

Der Teamchef spricht von einer schwierigen Situation für de Vries: "Die Erwartungen waren hoch. Er hatte zwar noch nicht viel Erfahrung in der Formel 1, aber er war ein erfahrener Pilot. Wir hatten das Gefühl, dass er die Zielmarken nicht erreicht. Dann ging es nur darum, wie unsere Optionen aussehen. Aus Sicht von Red Bull Racing ist es wichtig zu wissen, welche Leistung Daniel zeigen kann. Dann haben wir relativ schnell eine Entscheidung getroffen."

Laut Horner habe die Geschichte des Ricciardo-Comebacks schon am Rande des Mexiko-GPs 2022 begonnen, als Ricciardo noch in Diensten von McLaren stand. Man habe sich in einem Hotelzimmer zum Gespräch getroffen. "Er hat etwas geknickt ausgesehen. Ich habe ihm dann vorgeschlagen, für zwölf Monate zu Red Bull zurückzukehren, um bei der Simulator-Arbeit und Reifentests zu helfen und wieder die Leidenschaft für den Sport zu finden. Die Formel 1 hat ihm keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe den alten Ricciardo kaum noch wiedererkannt."

Noch beim Saisonfinale in Abu Dhabi wurde die Rückkehr Ricciardos ins Red-Bull-Lager offiziell gemacht. Wenige Tage später fand sich der Rückkehrer schon im Simulator des Teams in Milton Keynes wieder: "Das war ein komplettes Desaster", erinnert sich Horner. "Er hat sich alle schlechten Eigenschaften angeeignet, die es so gibt. Wir mussten ihm das Session für Session austreiben. Er wurde besser und besser und sein Selbstvertrauen stieg wieder. Irgendwann setzte er die gleiche Pace wie unsere Stammfahrer."

Daniel Ricciardo - Red Bull - Formel 1 - 2023
Red Bull

Pirelli-Test bringt Entscheidung

Im echten Rennauto konnte Ricciardo sein Talent aber lange Zeit nicht zeigen. Zuerst wurde er hauptsächlich für Marketing-Aktionen eingespannt. Dabei absolvierte der Australier Showruns in alten Red-Bull-Rennern und vertrat das Team bei öffentlichen PR-Events. Doch dann kam der bereits angesprochene Pirelli-Reifentest im Anschluss an den britischen Grand Prix in Silverstone.

Teamchef Horner ließ es sich nehmen, selbst vor Ort vorbeizuschauen, um sich ein Bild zu machen: "Was mich besonders beeindruckt hat: Er saß seit sieben Monaten nicht mehr im Auto und innerhalb von drei, vier Runden lag er innerhalb von nur einer Sekunde zur Pace unserer Rennfahrer. Bei seinem ersten richtigen Run mit vergleichbaren Reifen, das war glaube ich die siebte Runde des Tages, hat er eine Zeit gesetzt, die ihm beim Grand Prix einen Platz in der ersten Startreihe gebracht hätte."

Auch die Longrun-Pace konnte die Red-Bull-Verantwortlichen überzeugen. Die Vertreter von Pirelli zeigten sich mit dem Feedback des achtfachen Grand-Prix-Siegers ebenfalls zufrieden. "Man konnte die Erleichterung in Daniels Augen sehen. Da ist eine Last von seinen Schultern abgefallen. Der alte Daniel war immer noch da", berichtet Horner begeistert. "Am Ende kam Daniel auf knapp 100 Runden. Er hat sich in seiner Pause gut in Form gehalten. Ungarn wird natürlich ein harter Test. Aber ich bin sicher, dass er das durchhalten wird."

Schon vor den Testrunden in Silverstone wurde der Plan zum Platztausch intern diskutiert. Ricciardo selbst musste dem Vorhaben natürlich auch noch zustimmen. Dann ging es ganz schnell. Schon nach wenigen Testrunden war die Entscheidung gefallen. Die Kritik vieler Experten und ehemaliger Rennfahrer an dem vorzeitigen Rausschmiss von de Vries lässt Horner nicht gelten: "Es hätte kein Sinn gemacht, noch länger zu warten. Wir wollten außerdem Daniel die Chance geben, noch zwölf Rennen zu fahren, damit er zeigen kann, was er draufhat."

Daniel Ricciardo - Red Bull - Formel 1 - 2023
Red Bull

Über Alpha Tauri zu Red Bull?

Nun sind vor allem die Fans gespannt, wie sich Ricciardo nach zwei harten Jahren bei McLaren präsentieren wird. Zehn Jahre nach seiner ersten Station beim Junior-Team von Red Bull ist es für ihn die wohl letzte Chance: "In einen Alpha Tauri zu steigen ist ganz anders, als einen Red Bull zu fahren. Das wird eine Herausforderung für ihn", sagt Horner. "Wir mussten erst einmal sicher sein, ob er sich dieser Aufgabe überhaupt stellen will, wenn es im Qualifying nur darum geht, die erste Runde zu überstehen. Er schien aber überglücklich, überhaupt wieder im Feld zu fahren und ein Formel-1-Pilot zu sein."

Horner bestätigte auch, dass sich Ricciardo auf Dauer nicht mit einem Platz beim B-Team zufriedengeben wird. Es sei aber noch zu früh, über eine Beförderung zurück zu Red Bull zu reden: "Wir haben ihn jetzt erst einmal bis Ende der Saison zu Alpha Tauri ausgeliehen. Darüber hinaus gibt es noch keine Pläne. Unsere beiden Fahrer für die nächste Saison heißen Max und Checo. Aber es ist immer gut, wenn man noch Talent auf der Ersatzbank hat. Natürlich will sich Daniel für das Red-Bull-Cockpit 2025 empfehlen. Da sieht er den Weg über Alpha Tauri als beste Option."

Laut Horner sollte man nicht den Fehler machen, und Sergio Perez vorzeitig abschreiben, auch wenn der Mexikaner zuletzt nicht gerade einen stabilen Eindruck hinterlassen hat: "Checo hatte einige schlechte Samstage in Folge. Ein paar Mal war es Pech, ein paar Mal hat er es sich selbst eingebrockt. Wir versuchen, ihm durch diese Phase zu helfen. Er ist immerhin noch Zweiter in der Fahrerwertung und hat zwei Saisonsiege auf dem Konto. Ich hoffe, er kann schnell zur alten Form zurückfinden, die er in Jeddah und Aserbaidschan gezeigt hat."