Im Fußball würde man von einer Fahrstuhlmannschaft sprechen. Honda und die Formel 1, das ist eine Geschichte vom Kommen und Gehen. Vier Mal stiegen die Japaner in die Königsklasse ein, genauso oft wieder aus.
Den nächsten Abschied kündigten sie immerhin mit einem Vorlauf von 14 Monaten an. Das ist neu. Honda war nicht immer so gnädig mit sich selbst und seinen Partnern. Mal meldeten die Japaner das Aus ein halbes Jahr vor dem Vollzug, mal drei Monate und einmal sogar fünf nach Zwölf.
Die vier Epochen von Honda in der Formel 1 hatten eine unterschiedliche Qualität. Von 1964 bis 1968 waren die Jünger von Soichiro Honda mit einem eigenen Rennstall unterwegs. Von 1983 bis 1992 lieferte man nur die Motoren. Das dritte Kapitel begann 2000 als Motorenlieferant und endete 2008 als Betreiber eines Teams.
Im letzten Abschnitt von 2015 bis 2021 war Honda zunächst auch wieder ausschließlich Motorenpartner. Seit 2018 halten sich die Japaner mit Red Bull ein Quasi-Werksteam. Die Gesamtbilanz ist gemischt. 77 Siegen mit dem Motor stehen nur drei mit dem eigenen Auto gegenüber.
Honda Civic killt die Formel 1
Begonnen hat alles am 2. August 1964 auf dem Nürburgring. Firmengründer Soichiro Honda wollte nach dem Zweiradsektor auch den Automobilmarkt erobern. Die Werbetrommel sollten sportliche Erfolge rühren. Ursprünglich wollte Honda nur den Motor liefern. Doch Lotus und Brabham sagten in letzter Minute ab. Daraufhin entschied der Chef: "Dann bauen wir unser Auto eben selbst."
Es wurde ein steiniger Weg nach oben. Die Honda-Ingenieure machten sich das Leben selbst schwer. Sie bauten den 1,5-Liter-Zwölfzylinder quer hinter das Cockpit ein. Das Triebwerk war in seinen Grundfesten von einem 125 Kubikzentimeter-Motorradmotor abgeleitet.
Ein Jahr später war der kleine V12 mit 230 PS das beste Triebwerk im Feld. Richie Ginther gewann auf Honda den letzten Grand Prix der 1,5 Liter-Ära. Als die FIA 1966 den Hubraum verdoppelte, blieben die Techniker unter Yoshio Nakamura dem Zwölfzylinder treu. Auto und Motor waren viel zu schwer.
Honda sprang über den eigenen Schatten und bat seinen Fahrer John Surtees, sich um das Chassis zu kümmern. Der Weltmeister von 1964 erinnerte sich: "Mir war klar. Honda wird keinen leichteren Motor bauen. Also brauchen wir ein leichteres Auto. Die Japaner waren einverstanden. Was mich überrascht hat. Tatsächlich war der Honda von 1967 ein Lola Indianapolis-Auto mit einem Honda-Motor. Es entstand in sechs Wochen. Honda und ich hatten einen Fünfjahresplan vereinbart. Der wurde gestoppt, als Jo Schlesser 1968 in Rouen in einem Honda tödlich verunglückte."
Das war mitten in der Saison. Gerade als Honda mit einem Magnesium-Chassis und einem luftgekühlten V8 das Tor in eine neue Entwicklungsrichtung aufstieß und der Honda V12 mit Surtees am Steuer mit zwei Podiumsplatzierungen langsam Fuß fasste, war es auch schon wieder vorbei.
Der Firmenpatriarch in Tokio zog über Nacht den Stecker. Erklärte wurde das mit der Markteinführung des Honda Civic, der von der noch jungen Automarke die Konzentration aller verfügbaren Kräfte auf die Serie verlangte. Der Rennsport war zu teuer geworden.
Emissionen schon 1992 ein Thema
Diese Inkonsequenz ließ sich auch bei späteren Rückzügen beobachten. Man begann auf der Rennstrecke gerade etwas aufzubauen, da würgte das der Konzern aus anderen Gründen wieder ab. Besondere Umstände auf der Rennstrecke befeuerte 1968 die Entscheidung im Vorstand. In den 60er Jahren ging es den Verantwortlichen mit dem Erfolg auf der Rennstrecke nicht schnell genug. Der Feuerunfall des Franzosen Schlesser beim GP Frankreich verschaffte Honda just in dem Moment schlechte Presse, indem man im Land eine große Werbekampagne gestartet hatte.
Surtees war der erste, der erfuhr wie kompliziert es sein konnte, mit Honda zusammenzuarbeiten. In einem Gespräch 2014 verriet er: "Zuerst die Entfernung und die unterschiedlichen Zeitzonen. Aber auch ihre Einstellung. Die japanische Philosophie war immer, den Motorsport zur Ausbildung von Ingenieuren zu nutzen."
"Sie glaubten an den Rennsport. Ihrer Meinung nach entwickelten Autorennen nicht nur neue Technologien, sondern bessere Ingenieure. Weil sie dort unter Druck arbeiten müssen. Deshalb herrschte im Technikbüro ein ständiges Kommen und Gehen. Es gab keine Stabilität. Und du hattest ständig mit unerfahrenen Leuten zu tun."
In den 80er Jahren bereitete sich Honda auf sein zweites Formel-1-Abenteuer besser vor. Zuerst sammelte man Erfahrungen mit einem V6-Motor in der Formel 2. Dann experimentierte Honda mit dem relativ unbekannten Spirit-Team eine Klasse höher, bis man sich schließlich mit Williams verbrüderte. Es dauerte eineinhalb Jahre, bis die Honda-Ingenieure den V6-Turbo im Griff hatten. Doch dann war es der beste im Feld. Nelson Piquet und Ayrton Senna wurden 1987 und 1988 mit Honda-Power Weltmeister.
In der Saugmotor-Ära gaben die Japaner von Anfang an den Ton an. Weil die Ingenieure im Entwicklungszentrum Wako früher mit der Konstruktion eines V10 begonnen hatten als die versammelte Konkurrenz. Drei Titel in Folge gingen nach Fernost. McLaren-Honda war mit Ayrton Senna und Alain Prost zweitweise eine uneinnehmbare Festung.
Honda war sich seiner Sache so sicher, dass man den V10 ab 1991 an Kunden auslieferte und sich selbst auf das Abenteuer eines V12 einließ. Im ersten Jahr ging es noch gut. Im zweiten nicht mehr. Williams-Renault hatte dazugelernt, McLaren-Honda dagegen verschiedene Technologien wie das halbautomatische Getriebe oder die aktive Aufhängung verschlafen. In der Not wurde in Wako ein komplett neuer Zwölfzylinder gebaut, mit einem Zylinderwinkel von 75 statt 60 Grad. Es reichte nicht mehr für den Titel.
In der Saison 1992 entstanden ersten Risse in der Erfolgsgemeinschaft. Im Verlauf der Saison sickerten Gerüchte durch, Honda könnte sich zum Jahresende aus der Formel 1 verabschieden. Offiziell wurde es erst im September verkündet. Präsident Nobuhiko Kawamoto begründete den Rückzug mit einer weltweiten Rezession, verschärften Abgas-Emissionsgesetzen auf dem Kernmarkt USA und den hohen Kosten in der Formel 1.
Obwohl Kawamotos Herz am Rennsport hing, wurde er mit dem Satz zitiert: "Wir müssen abwägen zwischen Siegeslorbeer und den Problemen unserer Zeit wie zum Beispiel Umweltschutz." Das ist ein Zitat von 1992, nicht von heute. McLaren tröstete sich mangels Alternativen mit einem Kundenmotor von Ford.
Notbremse 34 Tage nach Saisonende
Die Nabelschnur zwischen Tokio und der Formel 1 wurde nach dem zweiten Ausstieg nie komplett gekappt. Honda hielt über die Tochterfirma Mugen losen Kontakt zur Königsklasse. Hirotoshi Honda, der Sohn des 1991 verstorbenen Firmengründers, versorgte verschiedene Teams mit der Kundenversion des Zehnzylinders.
Ab 2000 war Honda wieder hochoffiziell dabei. 2005 wurde im neuen Entwicklungszentrum Tochigi der stärkste Saugmotor der Formel 1 gebaut. Der Zehnzylinder reizte mit 965 PS bei 18.900/min alle physikalischen Limits aus. Nur das Timing passte nicht. Mit Chassispartner BAR war gegen Ferrari und Michael Schumacher kein Blumentopf zu gewinnen.
2006 nahm Honda selbst das Heft in die Hand. Der Autokonzern kaufte das Team. Ab sofort verlangte das Reglement einen Achtzylinder. Statt den Motor wie gewohnt in Japan zu entwickeln, konsultierte Honda seine US-Sparte. Die hatten mit V8-Motoren bereits Erfahrungen in der IndyCar-Serie gesammelt.
Doch IndyCar und Formel 1 waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Der Honda V8 war kein Meisterstück. Weil die Leistungskurve steil nach unten zeigte, heuerte Honda als letzten Rettungsanker den ehemaligen Ferrari-Technikchef Ross Brawn an. Doch das Superhirn bekam nur ein Jahr Zeit. Dann brauten sich dunkle Wolken über dem Formel-1-Engagement zusammen.
Der Ausstieg wurde über Nacht am 6. Dezember 2008 verkündet, exakt 34 Tage nach dem Saisonschluss. Den Vorwand für die Notbremse lieferte die Finanzkrise, die im September des gleichen Jahres mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank ihren Ausgang nahm.
"Honda muss sein Kerngeschäft schützen", bedauerte Präsident Takeo Fukui. Wieder wurde ein Technologiewechsel als Begründung vorgeschoben. Alle Ressourcen, so die offizielle Verlautbarung, sollten ab sofort in die Entwicklung von kleinen, umweltfreundlichen Autos gesteckt werden. Da hatte die verschwendungssüchtige Formel 1 keinen Platz. Die Einführung des Energierückgewinnungssystems KERS ab 2009 war kein Grund für Honda, seine Entscheidung zu überdenken.
Wenn man wenigstens Erfolg gehabt hätte. Doch das zweite Pleitejahr in Folge brach den Formel 1-Verfechtern im Haus das Genick. Zuerst wollte Honda den Standort in Brackley komplett schließen. Ross Brawn erinnerte die Japaner daran, dass sie ein harter Schnitt teurer käme, als das Team den Mitarbeitern zu schenken und sie noch mit einem Notgroschen von 80 Millionen Pfund auszustatten.
Daraus entstand das Nachfolgeteam BrawnGP, ein Deal mit Mercedes und das unglaublichste Märchen der Formel 1-Geschichte. Die Totgesagten räumten im Jahr darauf acht Siege und beide WM-Titel ab. In Tokio hat man sich so manche Frage gestellt, ob das Timing des Abschieds glücklich war.
Hondas einziger Weg: Erfolg um jeden Preis
Der Zeitpunkt des Wiedereinstiegs war es sicher nicht. Honda sprang ein Jahr zu spät auf den Hybrid-Zug auf. Die Japaner unterschätzten die Größe der Aufgabe und bezahlten vier Jahre lang unter großen Schmerzen Lehrgeld bei McLaren und Toro Rosso.
Wie zwölf Jahre zuvor setzte Honda dann wieder alles auf eine Karte und verbündete sich ab 2019 mit Red Bull. Die Generalüberholung des V6-Turbo Hybrid soll den japanischen Automobilhersteller in eineinhalb Jahren mehr als 500 Millionen Dollar gekostet haben. Immerhin bekam man bis heute fünf GP-Siege dafür. Aber für den Titel reichte es nicht.
Auch nach der letzten großen Technik-Offensive reifte die Erkenntnis, dass Mercedes Klassenprimus bleibt. Nach internen Berechnungen fehlen dem Honda-Antrieb 25 bis 30 PS auf Mercedes. Jetzt fällt Honda zum vierten Mal seine eigene Philosophie auf den Kopf. Sieg um jeden Preis ist nicht mehr tragbar. So wie 1968, 1992 und 2008.

Red Bull betrieb bei der FIA eifrig Politik, die Motorkosten zu senken, um Honda eine Brücke zu bauen und das Projekt noch zu retten. Es reichte nicht. Die Corona-Pandemie wirkte wie vor zwölf Jahren die Finanzkrise als Brandbeschleuniger.
Die Formel 1 mag in Zukunft billiger werden, doch es bleibt bei den Autokonzernen halt auch weniger Geld in der Kasse. Und Honda weiß ganz genau, dass man mit einem Sparpaket nie den Rückstand zu Mercedes aufholen wird. Das hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Für Honda gibt es nur einen Weg: Volle Power ohne Limits.
Dass jetzt wie 1992 und 2008 die Zwänge der Umweltvorschriften herhalten müssen, macht angesichts der Entwicklung in der Formel 1 wenig Sinn. Synthetischer Kraft und Wasserstoff als Energieträger werden ein Zukunftsthema sein, auch wenn die Politik in leichter Verblendung noch nicht so recht darauf anspringt.
Die FIA und das Formel 1-Management haben sich darauf verständigt, dass der Kraftstoff ab 2023 und der gesamte Sport ab 2030 emissionsfrei sein müssen. Da wäre jeder Autokonzern gut aufgehoben. Honda muss sich schon einen besseren Grund suchen, um seinen Ausstieg zu begründen.