Historische Formel 1-WM-Duelle: Irvine vs. Häkkinen 1999

Historische Formel 1-WM-Duelle (11)
Wasserträger verliert WM-Finale

Was beim Formel 1-Finale 1999 wirklich passierte

Es war eine unwirkliche Situation. Nicht Michael Schumacher kämpfte um den WM-Titel, sondern sein Edeldomestike Eddie Irvine. Schumacher musste nach seinem Unfall in Silverstone sechs Rennen pausieren. Als er zurückkam, wurde er von Ferrari in die Rolle des Wasserträgers gedrängt. Der Gegner hieß wieder Mika Häkkinen. Der haushohe Favorit ging aber mit vier Punkten Rückstand in das Finalrennen von Suzuka.

Vor dem letzten Rennen hatten Rechenexempel Hochkonjunktur. Mika Häkkinen wäre mit seinem fünften Saisonsieg sicher Weltmeister. Weil er dann bei Punktgleichstand ein Rennen mehr gewonnen hätte als Eddie Irvine. Michael Schumacher durfte auf Sieg fahren. Dabei würde seinem Ferrari-Kollegen Irvine ein vierter Platz reichen. Das sollte möglich sein. Auch wenn Irvine in Suzuka das Nervenbündel gab, und Häkkinen die Ruhe selbst war.

Schumacher stellte seinen Ferrari mit 0,350 Sekunden Vorsprung auf Mika Häkkinen auf den besten Startplatz. David Coulthard und Heinz-Harald Frentzen boten unerwartet Geleitschutz. Eddie Irvine war froh, dass er mit einem schlecht abgestimmten Ferrari noch den fünften Startplatz schaffte. Am Renntag machte Häkkinen alles richtig. Er ging beim Start in Führung und gab sie nur für drei Runden beim ersten Boxenstopp an Schumacher ab.

Als der Ferrari-Pilot im Mittelabschnitt Boden auf Häkkinen gutmachte, stand ihm Coulthard im Weg. Der Schotte war nach einem unplanmäßigen Boxenstopp wegen eines Ausrutschers überrundet und revanchierte sich nun für das Rennen in Malaysia. Dort hatten Schumacher und Irvine im Doppelpass Häkkinen ausgetrickst.

Coulthards Fehler ließ Irvine auf Rang 3 vorrücken. Jetzt erst wurde klar, an welch seidenem Faden Häkkinens zweiter WM-Titel hing. Hätte der McLaren-Pilot beim Rennen zuvor in Malaysia nicht zwei Runden vor Schluss Johnny Herbert überholt, dann hätte Ferrari einen Platztausch zwischen Schumacher und Irvine auf den Rängen 2 und 3 angeordnet, und Irvine wäre Champion geworden.

Mika Häkkinen war ein populärer Weltmeister. Sogar Irvine sah das ein: "Mika hat in diesem Jahr sein Bestes gegeben, um mir zum WM-Titel zu verhelfen. In Suzuka wartete ich vergeblich auf Rauchsignale aus seinem Auto."

Unser fiktives Abu Dhabi-Finale 2014

Hamilton steckt als WM-Spitzenreiter in der Haut von Eddie Irvine. Doch der Mercedes-Pilot ist kein Wasserträger. Und er braucht auch keine fremde Hilfe. Ein zweiter Platz in Abu Dhabi reicht ihm. Nico Rosberg steckt nicht ganz in der Häkkinen-Rolle. Ein Sieg ist zu wenig. Bei einem Ausfall von Hamilton muss er mindestens Fünfter werden.

Häkkinen hätte 1999 bei einer Nullrunde von Irvine einen dritten Platz gebraucht. Dann hätte er den Titel aufgrund der höheren Anzahl der dritten Plätze gewonnen. Häkkinen lag in dieser Wertung mit 3:2 in Führung. Nach Siegen hätte es bei der Konstellation 4:4 und nach zweiten Plätzen 2:2 gestanden.

Trotz der besseren Ausgangslage ist Hamilton in Abu Dhabi unerklärlich nervös. Rosberg ruht wie einst Häkkinen in sich selbst. Er hat nichts mehr zu verlieren. Es gibt auch keine Mitspieler wie damals. Das macht das Titelrennen einfacher. Rosberg geht vom zweiten Startplatz aus sofort in Führung. Hamilton fällt auf Rang 5 zurück. Ab der 16.Runde ist er Dritter. Dabei bleibt es. Nico Rosberg und Felipe Massa sind für ihn unerreichbar.

Irvine konnte vor 15 Jahren notfalls noch auf seinen Teamkapitän zählen, der vor ihm an zweiter Stelle lag. Doch ein zweiter Platz hätte dem Nordiren mit Häkkinen als Sieger auch nichts genützt. Deshalb drehte Ferrari die Reihenfolge auch nicht um.

Hamilton hat keinen im Feld, der ihn freiwillig vorbeilässt. Deshalb geht er als Dritter über die Ziellinie. Nico Rosberg hat ihn mit 367:364 Punkten knapp geschlagen. Während Mika Häkkinen 1999 ein unumstrittener Weltmeister war, gehen nach Abu Dhabi die Diskussionen los. Hat einer den Titel verdient, der nur sechs Mal gewinnt, während der Teamkollege zehn Siege einstreicht? Sebastian Vettel hat schon vorher die Antwort gegeben: "Die Aufgabe ist es, die meisten Punkte zu holen. Also ist der mit den meisten Punkten auch ein verdienter Weltmeister."