Können Sie die Rekord-Saison von Max Verstappen mit Sebastian Vettels bestem Jahr 2013 mit 13 Siegen vergleichen?
Marko: Man muss fairerweise sagen, dass es heute viel mehr Rennen gibt. Aber nach ein paar Monaten vergisst jeder, was die Basis war. Es wird sicher nicht leicht sein, diesen Rekord noch einmal einzustellen. Und wir dürfen nicht vergessen: Es sind ja noch zwei Rennen.
Erwarten Sie, dass das Feld mit dem Budget-Cap in den nächsten Jahren enger zusammenliegt und diese Rekordmarke dann kaum noch zu schlagen ist?
Marko: Bisher hat das Budget-Cap überhaupt nichts geändert. Warum soll das in Zukunft anders sein? Man muss einfach besser entwickeln. Uns trifft natürlich, dass wir durch den Gewinn des Konstrukteurspokals schon weniger Windkanalstunden haben. Da muss jetzt bei uns jeder Versuch sitzen. Am Ende kommt es aber immer auf die Qualität des Personals an.
Wie wichtig ist es, jetzt mit Sergio Perez Platz zwei in der Fahrerwertung zu sichern?
Marko: Wenn man sonst schon alles erreicht hat, dann geht man auf solche Zuckerl. Man braucht ja auch einen Anreiz für die Leute, damit die Motivation oben bleibt.
Würden Sie 2022 als die beste Saison von Red Bull aller Zeiten bezeichnen?
Marko: Ja, weil die Konkurrenz viel größer und besser ist.

Lag der Erfolg eher am Fahrer oder eher am Auto?
Marko: Es liegt an beidem. Man hat in der Anfangsphase der Saison gesehen, dass Max mit einem Auto, das nicht seinem Fahrstil entspricht, gleich schnell ist wie Perez. Wenn das Auto passt, geht es gleich mal eine halbe Sekunde schneller.
Was sagen Sie den Kritikern, die behaupten, dass das Auto für Verstappen und gegen Perez entwickelt wurde?
Marko: Das ist natürlich Blödsinn. Das Hauptproblem war das große Übergewicht. Wir sind jetzt noch ein bisschen drüber.
War das Gewicht mehr ein Problem als die Aerodynamik?
Marko: Bei der Aero hat nicht viel gefehlt.
Hätten Sie am Anfang der Saison daran geglaubt, dass das Ruder so herumgerissen wird?
Marko: Nein… wie war nochmal die Aussage von Max in Australien: Ich brauche 36 Rennen, um den Rückstand aufzuholen? Das wäre in einem Jahr etwas schwierig geworden. Wir haben unser Programm dann intensiviert. Die Fehler wurden analysiert. Die ersten beiden Ausfälle lagen auf der Seite von Red Bull Racing. Der dritte Ausfall war Honda. Da haben wir dann die Qualitätskontrolle verbessert.
Wird sich durch den Tod von Dietrich Mateschitz irgendetwas am Formel-1-Programm ändern?
Marko: Es wird sich sicher einiges ändern. Es war ja de facto eine Alleinherrschaft. Aber Red Bull Racing ist das stärkste und effizienteste Marketing-Tool des Gesamtkonzerns. Wir haben schon in der Vergangenheit sehr autark gearbeitet. Wir waren die einzigen, die sich nicht an bestimmte Firmenregeln halten mussten. Diese Eigenständigkeit gab es mit Zustimmung von Mateschitz. Es ist aber schon durchgesickert, dass die neue Führung die Formel-1-Aktivitäten weiterführen will. Und zwar so wie jetzt, mit einer relativ starken Unabhängigkeit.

Steht Alpha Tauri eher auf der Kippe?
Marko: Es geht dem Konzern gut. Es gibt keine Notwendigkeit finanzieller Natur, das Team zu verkaufen. Es gibt eher eine Notwendigkeit, das Team sportlich wieder auf ein höheres Niveau zu bringen.
Verdient Red Bull mit dem F1-Rennstall Geld oder muss Geld reingesteckt werden?
Marko: Für die Summe, die eingezahlt wird, ist Red Bull überproportional auf dem Auto vertreten. Wenn man die Red-Bull-Werbung wegnehmen und an kommerzielle Sponsoren verkaufen würde, dann wären wir hoch im positiven Bereich.
Wie sieht es mit dem Red-Bull-Ring aus?
Marko: Der befindet sich im Besitz der Mateschitz-Stiftung. Das ist losgelöst vom Konzern. Es gibt einen Sponsorenvertrag zwischen Red Bull und dem Projekt Spielberg. Da muss man mal schauen, wie es mit der Privatstiftung weitergeht. Aber das ist unabhängig von Red Bull.
Überdenken Sie auch ihre persönliche Funktion? Ist ohne Mateschitz Aufhören eine Option?
Marko: Es gibt demnächst Business-Verhandlungen in Thailand. Ich bin unabhängig. Da kommt es auf das Gesamtgefüge an. Wir haben aber noch Einiges vor. Es läuft gerade gut. Wir arbeiten sehr effizient.
Wie sieht es mit dem Junior-Programm aus? Das war ja zuletzt nicht so erfolgreich.
Marko: Deshalb haben wir ja De Vries verpflichtet.
Wer ist von den Junioren noch an Bord in der kommenden Saison?
Marko: Hadjar fährt Formel 2. Crawford ist noch dabei. Iwasa auch. Wir haben auch ein paar neue Fahrer, die wir aber noch bekanntgeben. Lawson war bei seinem F1-Test sehr schnell. Er wird nächstes Jahr in Japan fahren und einer unserer Reservefahrer für die Formel 1 sein.

War die Strafe der FIA für das Budget-Vergehen gerechtfertigt?
Marko: Es war das erste Jahr des Budget-Caps. Die Regeln waren schwammig. Mit Klarstellungen hat man spät reagiert. Wir haben alles von Ernst & Young abchecken lassen. Man muss sich ja auf etwas verlassen. Wir haben geglaubt, dass wir ein Sicherheitsnetz von drei Millionen haben. Letztlich sind ja nur noch 400.000 Dollar übriggeblieben. Mit dem Geld konstruiert der Hamilton einen Frontflügel (grinst). Der Haas macht ein ganzes neues Auto.
Was hat Mateschitz zu der ganzen Angelegenheit gesagt?
Marko: Für die Woche nach Mexiko war ein Meeting geplant. Dazu kam es ja nun nicht mehr. Mateschitz hat in seiner ganzen Karriere schon so viel Prügel einstecken müssen. Red Bull wurde in den vergangenen Jahren mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Da gibt es also eine gewisse Kampfstimmung.
Können Sie für 2022 ausschließen, dass uns so eine Geschichte noch einmal blüht?
Marko: Aktueller Stand ist, glaube ich, dass sechs Teams drüber sind. Die Inflation ist etwas, was in dem Ausmaß nicht kalkulierbar war. Vor allem bei den Energiekosten.
Sie verbrauchen ja demnächst nicht mehr so viel Strom, wenn der Windkanal weniger läuft.
Marko: Das Problem unseres Windkanals ist, dass es ein Nachkriegsprodukt ist. Der wurde vom englischen Verteidigungsministerium aufgebaut. Der steht unter Denkmalschutz. Er ist wahnsinnig lang und nicht isoliert. Der braucht eine Zeit, bis er sich aufheizt. Wenn es draußen kalt ist, dauert es noch länger.
Adrian Newey schimpft ja auch schon lange.
Marko: Darum bauen wir jetzt auf unserem Gelände einen neuen Windkanal. Was eigentlich idiotisch ist, weil die ganze Entwicklung in Richtung CFD-Simulationen geht. Das sind wieder 50 Millionen, weil man sich nicht einigen konnte.
Wann ist der Windkanal fertig?
Marko: Das Gebäude steht schon. In das wird der Windkanal praktisch eingezogen. Bis alles fertig ist, dürfte es aber noch zwei bis drei Jahre dauern.