Die Teams waren gewarnt. Am ersten Trainingstag zum Australien-GP wurden alle 20 Formel-1-Autos mit zwei zusätzlichen Kameras ausgerüstet, die von beiden Seiten direkt auf den Frontflügel und Heckflügel zielen. Ein detaillierter Einsatzplan legte fest, bei welchem Fahrer in welcher Trainingssitzung welche Kamera filmte.
Die 50 Gramm schweren Kameras zeichneten permanent auf. Das konnte man bei einem Formel-1-Fahrer im ersten Training rechts vorne und links hinten sein, beim Teamkollegen umgekehrt. Und im zweiten Training wieder anders.
Der Weltverband begann bereits letztes Jahr, den Teams genauer auf die Finger zu schauen. Es hatte sich herumgesprochen, dass einige Autos mit Frontflügeln ausgerüstet waren, die sich bei zunehmender Last verbogen, um die Aero-Balance von vorne nach hinten zu schieben. Die statischen Belastungstests haben natürlich alle bestanden.

Auf den Heckflügeln wurden Referenz-Punkte angebracht, damit die Verbiegung gemessen werden kann.
Hochauflösende Spezial-Kameras
Beim GP Belgien begann die FIA damit, die Frontflügel zu filmen, um mehr Informationen über das Maß der Verbiegung zu bekommen. Der Test wurde bis zum Saisonfinale 2024 fortgesetzt und führte schließlich zu einer Verschärfung der statischen Tests ab dem GP Spanien.
Beim GP Aserbaidschan im Vorjahr stellte sich dann heraus, dass die Teams auch mit den Heckflügeln tricksen. McLaren bog den Flap an den Außenseiten nach oben, Ferrari drückte bei nicht aktiviertem DRS das Hauptblatt weiter innen nach unten. Beides mit dem Ziel, die Lücke zwischen Hauptblatt und Flap zu vergrößern. Das verringert den Luftwiderstand und erhöht den Topspeed. Im Fachjargon wird die Praxis "Mini-DRS" genannt.
Das führte jetzt dazu, dass die FIA an allen Freitagstrainings von Melbourne auch die Heckflügel videoüberwachte. Die Schiedsrichter geben sich dabei aber nicht mit den Bildern der normalen TV-Kameras zufrieden. Die Spezial-Kameras des Verbandes haben eine dreimal so hohe Auflösung wie die Fernsehbilder.

Im Stand halten alle Teams die Heckflügel-Belastungstests ein.
Keine Disqualifikationen in Melbourne
Gemäß Artikel 3.15.17 im Technischen Reglement darf sich die Lücke zwischen den Flügelelementen nicht mehr als zwei Millimeter vergrößern, wenn im Stand eine Kraft von 750 Newton links und rechts auf den Flügel angewandt wird.
Sollte sich anhand der Videoaufnahmen herausstellen, dass der Spalt beim Fahren mehr als die erlaubten zwei Millimeter aufgeht, kann die FIA dem betroffenen Formel-1-Team auf die Finger klopfen und es bitten, das abzustellen. Eine Disqualifikation ist aber nicht möglich.
Aus Verbandskreisen ist zu hören, dass bei zu vielen Übertretungen entsprechend dem Frontflügel auch im Heck die Regeln kurzfristig verschärft werden könnten. Ansonsten sollen die Auswertungen dafür verwendet werden, die Regeln für die Formel-1-Saison 2026 zu präzisieren.