Lewis Hamilton: Besser als die Mercedes-Simulation

Simulationsprogramm verrechnet sich
Hamilton besser als die Mercedes-Prognose

So hatten sich die Teams selten verrechnet. Alle nahmen sich vor, mit einem Reifenwechsel über die Distanz zu fahren. Am Ende traute sich nur Kevin Magnussen. Und der wurde nur Zwölfter. Sieger George Russell hätte es schaffen können, doch Mercedes stoppte freiwillig zwei Mal, um im Falle eines Safety-Cars nicht auf die Nase zu fallen. "Mit dem Timing unserer Boxenstopps haben wir darauf geachtet, dass George immer frischere Reifen hatte als die Konkurrenz", erklärte Chefingenieur Andrew Shovlin.

Mercedes war so überlegen, dass für den Trainingsschnellsten George Russell jede Strategie funktioniert hätte. Nur ein Mal wurde es eng, als Charles Leclerc in der vierten Runde am Ende des Strips und in der ersten Kurve attackierte. "George hat sich grandios verteidigt", attestierte Teamchef Toto Wolff dem zweifachen Saisonsieger.

Für Leclerc war das der Anfang vom Abstieg. Zwei Runden später setzte so starkes Körnen der Reifen ein, dass der Ferrari-Pilot in der neunten Runde ungewöhnlich früh auf harte Reifen umsteigen musste.

Carlos Sainz - GP Las Vegas 2024
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Körnen kam ohne Vorwarnung

Das Körnen der Reifen bestimmte den Zeitpunkt der Boxenstopps. Der Großteil des Feldes wurde zwischen den Runden 9 und 14 seine Medium-Reifen los. Ein Mal attackieren reichte aus, dann begann sich schon der Gummi von der Lauffläche der Vorderreifen zu schälen. "Das ist von jetzt auf gleich passiert. Ganz ohne Vorwarnung", berichtete Leclerc.

Nicht einmal die gegenüber den Trainingstagen um vier Grad gestiegenen Temperaturen am Rennsamstag konnten den Prozess des Körnens eindämmen. Das Problem zeigte sich später selbst auch auf den harten Reifen, nur weniger dramatisch.

Mercedes schien gegen das Körnen immun zu sein. Und das lag nicht nur daran, dass Russell sein Tempo von der Spitze weg kontrollieren konnte. Lewis Hamilton überholte bis zum ersten Boxenstopp drei Autos. Der Mann vom zehnten Startplatz musste auf Angriff fahren. Und trotzdem brachen die Rundenzeiten nicht ein. Hamilton kam in der 13. Runde an die Box, um nicht zu weit in den Verkehr zu fallen.

Lewis Hamilton & George Russell  - GP Las Vegas 2024
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Simulation hielt Podium nicht für möglich

Die Strategieprogramme hatten dem Rekordsieger vor dem Rennen bestenfalls den vierten Platz versprochen. "Wir hatten die Ferrari besser auf der Rechnung", gaben die Strategen zu. Sainz und Leclerc musste Hamilton nicht auf der Strecke überholen. Das besorgte ein Undercut beim zweiten Boxenstopp.

Ferrari half auch noch mit. Sie waren in der 27. Runde, als Sainz schon in die Boxengass abbog, nicht bereit. Der Spanier kehrte im letzten Augenblick auf die Strecke zurück, verlor bei dem Manöver aber 3,7 Sekunden. Am Ende hatten die roten Rennwagen aber einfach nicht die Pace, um die Silberpfeile vom Doppelsieg abzuhalten.

Es war ein ganz spezieller Cocktail, der Mercedes strahlen ließ. Tiefe Temperaturen, wenig Grip von der Strecke und mehr Gewicht auf der Vorderachse. Das Problem, das die Silberpfeile normalerweise bremst, trat auf dem Las Vegas Strip Circuit nicht auf. Es bestand nie die Gefahr, dass die Hinterreifen überhitzen. Auch nicht später im Rennen, als mehr Gummi auf die Ideallinie kam.

Lando Norris - McLaren - GP Las Vegas 2024 - Formel 1
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Schlussspurt kommt zu spät

Erst im letzten Stint wachten die Ferrari und McLaren auf. Doch da war der Schaden längst angerichtet. Carlos Sainz verkürzte seinen Rückstand auf Russell nach dem zweiten Boxenstopp von 16,6 auf 11,9 Sekunden. Der Spanier holte auch auf Hamilton eine knappe Sekunde auf. Lando Norris konnte seinen Rückstand auf Russell bis zu seinem taktischen Boxenstopp zwei Runden vor Schluss um 2,1 Sekunden verkürzen.

Russell fuhr im letzten Renndrittel mit Blick auf seine Gegner. Hamilton war nie wirklich eine Gefahr, auch wenn es bei den rapide fallenden Zeitabständen kurz so aussah. Russell wusste, dass der Teamkollege mit dem Tempo irgendwann seine Reifen hinrichten würde. Fünf Runden vor Schluss war es soweit. Bis zur Zielflagge stieg Hamiltons Rückstand wieder von 4,9 wieder auf 7,3 Sekunden an.

Hamilton hat den möglichen Sieg in Las Vegas schon in der Qualifikation hergeschenkt. Wieder einmal verlor er von einer Minute auf die nächste den Faden. Während Russell sich bei den Einstellungen der Reifendrücke von seinen Ingenieuren leiten ließ, dachte Hamilton zu viel nach, probierte herum und brachte sich selbst aus dem Rhythmus.

Die Quittung war ein Auto, das plötzlich übersteuerte. Ein Problem, das es in Las Vegas eigentlich nicht geben sollte. Zwei Quersteher in den entscheidenden Runden verbannten ihn auf den 10. Startplatz.

Max Verstappen - Red Bull - GP Las Vegas 2024 - Formel 1
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Verstappen orientiert sich an Norris

Max Verstappen hielt sich aus allem raus. Für den alten und neuen Weltmeister gab es an diesem Tag nur einen Gegner. Er musste lediglich das ganze Rennen vor Lando Norris bleiben, damit war die Mission erfüllt. Die Mercedes und Ferrari waren ihm egal. Als sie von hinten anflogen, ließ er sie fast ohne Gegenwehr vorbei.

Red Bull konnte das Körnen der Reifen länger hinauszögern als Ferrari und McLaren. Der Kommandostand reagierte bei Verstappen jeweils auf leicht steigende Rundenzeiten in Runde 10 und in den Runden 25 und 26. McLaren versuchte Norris zuerst mit einem Undercut in Position zu bringen, dann mit einem Overcut, doch der Herausforderer war an diesem Tag zwei Stints lang einfach zu langsam.

Erst im letzten Abschnitt holte Norris auf seinen WM-Gegner auf. McLaren änderte die Einstellungen, der Pilot seinen Fahrstil. Da machte Norris in zwölf Runden fünf Sekunden auf den Red Bull gut. Was Verstappen bei einem Vorsprung von über 15 Sekunden aber locker verschmerzen konnte. Sportchef Helmut Marko relativierte: "Max ist nur mit Blickrichtung WM-Titel gefahren. Wir hatten den Speed für das Podium."