Was für eine Story. Ausgerechnet das kleinste Team im Feld feierte die Pole Position beim GP Brasilien. Kevin Magnussen stellte seinen Haas sensationell auf die Pole Position für den Sprint. Gleichzeitig startet Mick Schumacher im anderen US-Ferrari am Ende des Feldes. So verrückt und brutal kann Motorsport sein.
Magnussen wusste es schon drei Minuten vor Ende der Qualifikation. Seine Bestzeit von 1:11.674 Minuten würde bis zum Ende halten. Als der Regen so stark wurde, dass nur noch Intermediates in Frage kamen, brach in der Garage des US-Rennstalls der große Jubel aus. "Ich kann es nicht glauben. Wir haben alles richtig gemacht und wurden belohnt. Diese Pole Position geht an Gene Haas. Ohne Gene gäbe es dieses Team nicht und und ohne ihn hätte es für mich kein Comeback gegeben", bedankte sich der 30-jährige Däne beim Teambesitzer.
Auch Chefingenieur Ayo Komatsu konnte seine Freude nicht verbergen: "Wir waren die einzigen, die alles richtig gemacht haben: Das Timing, die Reifenwahl, das Aufwärmen, Kevins Superrunde. Alles hat gepasst. Wir haben unsere Chance gesehen und mit beiden Händen zugegriffen. Wir wussten, dass der Regen zunehmen würde. Als erster in der Schlange hatten wir die beste Strecke."

Haas war ein Q3-Kandidat
Für diese Wette hätte es viel Geld gegeben. Haas ist kein Kandidat für eine Bestzeit. Das freie Training am Mittag hatte aber bereits gezeigt, dass der US-Ferrari unter normalen Umständen ein Auto für das Q3 war. Was Magnussen dann auch als Siebter im Q1 und im Q2 unter Beweis stellte. Diesen Platz traute Teamchef Guenther Steiner seinem Piloten auch auf trockener Strecke zu. "Wir haben mit Platz sieben oder acht gerechnet."
Doch in der Pause zwischen dem Q2 und dem Top Ten-Finale verdunkelte sich der Himmel wieder. Das Radar kündigte Regen für die Minute an, in der das Q3 gestartet werden soll. Doch man kann den Wetterprognosen in Sao Paulo nicht trauen. Das Mikroklima in der Riesenstadt hat seine eigenen Gesetze. "Du weißt nie, wann der Regen genau losbricht", hieß es bei Mercedes.
Richtige Taktik bei Haas
Haas setzte wie die anderen Teams auf Risiko. Magnussen bekam Soft-Reifen. Nur Ferrari splittete die Taktik und stellte das Auto von Charles Leclerc auf Intermediates. Der WM-Dritte hätte der große Held sein können, wenn der Regen wie angekündigt gekommen wäre. Doch die ersten vier Minuten tröpfelte es nur leicht vor sich hin, und das auch nicht konstant über den gesamten Kurs. Am Ende war Leclerc der große Verlierer.
Weil jede Sekunde zählte, war klar, dass der erste Fahrer in der Schlange, die an der Boxenausfahrt auf Grünlicht wartete, einen großen Vorteil haben würde. "Wir hatten den Vorteil der ersten Box, doch sich einfach nur hinstellen und den Platz an der Spitze der Schlange einnehmen, hätte nicht gereicht. Wir durften auch nicht zu früh raus, weil sonst die Reifen zu stark ausgekühlt wären", lobte Steiner seine Strategen.
Belohnung für eine Null-Fehler-Fahrt
Unter den kritischen Bedingungen kam der Aufwärmrunde eine besondere Bedeutung zu. Magnussen war der einzige der Top Ten, der die Reifen so anfahren konnte, wie er es wollte. Alle anderen steckten im Verkehr fest und waren vom Vordermann abhängig. Was folgte war die perfekte Runde. "Kevin ist eine sensationelle Runde gefahren. Er hat Sainz, der hinter ihm war, um mehr als eine halbe Sekunde abgehängt", applaudierte der Teamchef. Es war auch keine glückliche Trainingsbestzeit. Magnussen nahm Max Verstappen 0,203 und George Russell 0,385 Sekunden ab.
Es war auch die Belohnung dafür, dass Team und Fahrer sich nicht den geringsten Fehler erlaubten. Alle anderen drum herum schon. Verstappen verbremste sich in Kurve 8 und ließ eine halbe Sekunde liegen. Russell versenkte seinen Mercedes im Kiesbett. Hamilton klagte über zu kalte Reifen, die sich Mercedes einfing, weil man sich am Ende der Schlange aufstellte. Ferrari verschenkte eine von zwei Chancen, indem man Leclerc die falschen Reifen gab.

Schumacher zu vorsichtig
Die Pole Position ist für den WM-Achten eine Sternstunde in der Team-Historie. Doch Steiner warnte davor, jetzt abzuheben. "Punkte gibt es erst im Sprint und am Sonntag. Wir müssen unsere gute Ausgangsposition in Punkte umsetzen, um uns im Kampf um den achten Platz etwas Luft zu verschaffen."
Für Magnussen spricht, dass ihn die Topfahrer um ihn herum mit Vorsicht behandeln werden. "Der Magnussen ist im Zweikampf ein unangenehmer Gegner. Das haben wir in Singapur gesehen", warnt Red Bull-Sportchef Helmut Marko. Der Haas ist auf Abtrieb getrimmt, was in der entscheidenden Runde auch ein Erfolgsfaktor war. Das zeigt die Sektor-2-Zeit, die so gut war wie die von Lewis Hamilton und Sergio Perez. Die gute Balance in dem Sektor mit seinen acht Kurven sollte helfen die Reifen zu schonen, was im Sprint ein wichtiger Faktor sein kann.
Für Mick Schumacher liegen WM-Punkte weit entfernt. Schlimmer hätte es für den Deutschen nicht laufen können. Er startet als Letzter in den 24-Runden-Sprint. Haas hatte auch im Q1 das Timing mit einem späten Wechsel von Intermediates auf Slicks gut erwischt, weil die Strecke in der Phase immer mehr abtrocknete und in den letzten Minuten im besten Zustand war. Doch Schumacher ging die Runde zu vorsichtig an. Da fahren im Hinterkopf halt doch die Unfälle von Jeddah, Monte Carlo und Suzuka mit. Der Deutsche wollte bei den kritischen Bedingungen auf keinen Fall einen Crash riskieren. "Vom Speed her hatte auch Mick das Q3 drauf", ist Steiner überzeugt.