Was mag sich wohl Sergio Perez daheim auf der Couch in Guadalajara gedacht haben? Max Verstappen ist gerade dabei, den nächsten Formel-1-Teamkollegen zu beerdigen. Der GP China zeigt das ganze Dilemma von Red Bull. Max Verstappen fährt an der Spitze des Feldes, Liam Lawson am Ende.
Das Ganze in Zahlen. In der Sprint-Qualifikation (21.3.) landete der Weltmeister auf Platz zwei, sein Teamkollege auf dem 20. Rang. Im Qualifying für das Hauptrennen wurde Verstappen Vierter und Lawson wieder Letzter. Zwischen den beiden lag im Schnitt eine Sekunde. Auch wenn Lawson neu im Team ist und noch lernt, ist der Abstand zu groß. Der Platz im zweiten Red Bull bleibt vermutlich der Schleudersitz der Formel 1.
Schon werden wieder Stimmen laut, dass der Neuseeländer bald schon zu Toro Rosso degradiert werden und stattdessen Yuki Tsunoda ins A-Team aufsteigen könnte. Sportchef Helmut Marko wählte in Shanghai Worte, die wir auch schon früher vor internen Fahrer-Rochaden gehört haben. "Lawson bringt nicht das, was wir von ihm erwarten. Wir werden das in Ruhe analysieren müssen. Alle bei Red Bull wissen: Bei uns zählt das Leistungsprinzip."

Liam Lawson bekommt im Red Bull kein Bein auf den Boden und fährt am Ende des F1-Feldes herum.
Auch Tsunoda löst Red-Bull-Problem nicht
Yuki Tsunoda fährt zwar in der Form seines Lebens, doch auch er würde an der Situation bei Red Bull wenig ändern. Vielleicht wäre er drei Zehntel näher dran an Verstappen, würde aber mittelfristig mental mehr leiden als der noch unverbrauchte Lawson. Und genauso würde es Isack Hadjar, Ayumu Iwasa oder Arvid Lindblad gehen. Ihre Karriere wäre vorbei, bevor sie begonnen hätte.
Red Bull muss einsehen, dass es keine Idealbesetzung neben Verstappen gibt. Nicht in der aktuellen Konstellation. Der Niederländer ist zu gut und das Auto zu schlecht. Der RB21 zeigt immer noch die Schwächen des Vorgängers, vielleicht ein bisschen weniger stark ausgeprägt und ein bisschen besser kaschierbar. Es verliert aber weiterhin schnell die Balance, benimmt sich von Kurve zu Kurve anders und nimmt deshalb auch die Reifen stärker in die Pflicht.

Nur Max Verstappen kann mit dem RB21 umgehen und schnell sein. Seine Teamkollegen gehen neben ihm unter.
Fenster zu klein für zwei Fahrer
Das Auto hat ein winziges Arbeitsfenster. Die Fahrzeugabstimmung ist eine Doktorarbeit. Verstappen und seine Techniker-Crew treffen meistens irgendwann. Mal früher, mal später. Mal präzise, mal weniger genau. Doch wenn es drauf ankommt, ist der viermalige Formel-1-Weltmeister zur Stelle und holt das Maximum aus seinem Paket. Oder er umfährt die Probleme, die sich nicht lösen lassen.
Der Teamkollege tut sich doppelt schwer. Selbst wenn er das Auto perfekt einstellen könnte, wäre er langsamer als Verstappen. In der Regel trifft er aber das Fenster seltener und nicht so genau. Weil sein Fenster wahrscheinlich ganz woanders liegt. Perez erklärte es immer so: "Dann würde ich mich im Auto wohlfühlen, aber es wäre langsamer." Red Bull müsste einen Fahrer finden, der exakt das gleiche vom Auto verlangt wie ihr Star-Pilot. Lando Norris wäre so einer, doch der würde mittlerweile seinen McLaren nicht mehr gegen ein Red Bull tauschen.
Lawson geht es nicht anders als Perez. Der neue Mann im zweiten Red Bull gab nach der erneuten Quali-Schlappe zu: "Das Fenster des Autos ist extrem klein. Ich finde es nicht. Deshalb habe ich nicht das hundertprozentige Vertrauen ins Auto. Mir fehlt die Zeit, das Auto besser zu verstehen." Das haben wir so oder so ähnlich früher schon von seinem Vorgänger gehört.
Wo wäre Verstappen im Toro Rosso?
Solange es das Technikbüro nicht schafft, ein Formel-1-Auto auf die Räder zu stellen, das gutmütig und schnell ist, wird Red Bull ein Einmann-Team bleiben. Da ergibt es auch keinen Sinn, andere Fahrer aus dem Pool in einen Kampf zu schicken, den man nicht gewinnen kann. So würden nur noch mehr Piloten verheizt. Einen Vorteil haben die jungen Fahrer gegenüber der Lösung vom letzten Jahr. Sie sind allesamt billiger als Perez.
Lawson wünscht sich insgeheim wahrscheinlichden Toro Rosso zurück. Der VCARB02 ist im Augenblick das bessere Auto. Isack Hadjar fehlten nur zwei Zehntel auf Verstappen. Genauso wie Yuki Tsunoda in Melbourne.
Wenn sich der Red Bull weiter als launisches Fahrzeug erweist und sein Schwesterauto von Toro Rosso als Volltreffer, dann stellt sich bald schon eine ganz andere Frage: Hätte Verstappen im B-Team möglicherweise bessere Chancen seinen Titel zu verteidigen? Er wäre nicht der erste Fahrer, der auf zwei verschiedenen Autos Weltmeister würde. Juan-Manuel Fangio begann die Saison 1954 bei Maserati und beendete sie bei Mercedes.
Diesem im Moment noch verwegenen Gedankenspiel stehen zwei Dinge im Weg. Das Potenzial sein Auto weiterzuentwickeln ist bei Red Bull wegen der Manpower und der Infrastruktur größer als bei Toro Rosso. Und Red Bull würde ohne Verstappen in der Konstrukteurs-WM so weit nach hinten rutschen, dass es den Rennstall bei der Ausschüttung durch die Rechteinhaber massiv Geld kosten würde.
Über die Probleme bei Red Bull sprechen wir unter anderem in unserem Youtube-Livestream zum Qualifying-Tag in Shanghai. Ab 14 Uhr geht es los. Schalten Sie ein!