Bahrain-Verlierer: Neue Autos, alte Fehler

Fast nur Verlierer in der Formel 1
Neue Autos, alte Fehler

Dieser Saisonauftakt der Formel 1 in Bahrain kannte fast nur Verlierer. Red Bull darf sich nicht nur wegen des Doppelsieges als einer der wenigen Gewinner fühlen. Der Titelverteidiger baute seinen Vorsprung auch noch aus. Trotz Windkanalbeschränkung. Obwohl man den Gegnern 2022 eine Lehrstunde gab. Obwohl alle Teams nach einem Jahr Groundeffect die Tücken dieser Autos erkannt haben sollten.

Nur Aston Martin hat die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Der WM-Siebte des Vorjahres ist die zweite Kraft, weil die grünen Autos im Gegensatz zu Ferrari und Mercedes alles können. Den Sprint über eine Runde und den Dauerlauf. Ferrari ist in der Qualifikation schneller, im Rennen aber verwundbarer. Mercedes liegt in beiden Disziplinen zurück. Wäre Fernando Alonso beim Start nicht hinter die beiden Mercedes gefallen, hätte er Charles Leclerc von Anfang an eingeheizt.

Im Rest des Feldes erreichten nur Alfa Romeo und Williams Normalform. McLaren gab wie im Vorjahr eine erbärmliche Vorstellung ab. Langsam und unzuverlässig. Alpine redet sich die Welt schön. Der Abstand zur Spitze wurde größer, nicht kleiner. Red Bull gewann im Vergleich zum letzten Jahr neun Zehntel, Alpine nur sieben. Das neue Auto scheint eher ein Schritt rückwärts als vorwärts.

Haas überzeugt nur auf eine Runde. Im Rennen leiden die US-Renner unter der Ferrari-Krankheit. Sie fressen ihre Reifen. Auch wenn die Abnutzung diesmal etwas geringer ausfiel als befürchtet. Alpha Tauri hat sich am Ende des Feldes festgebissen. Da machte Williams die bessere Figur. Das Schlusslicht des letzten Jahres hat im Rennbetrieb den höheren Speed als Haas und Alpha Tauri.

Lance Stroll - Aston Martin - GP Bahrain 2023
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Aston Martin besser als RB18

Viel dramatischer als im Tabellenkeller ist die Situation an der Spitze des Feldes. Man muss sich ernsthaft fragen, wer weitere Doppelsiege von Red Bull verhindern will. Der RB19 ist so gut, dass auch Sergio Perez damit schnell fährt. Das zeigt der geschrumpfte Abstand zu Max Verstappen.

Aston Martin hat zwar einen riesigen Schritt gemacht und schrieb damit auch die positive Story des Rennens, aber man darf von den grünen Autos jetzt auch keine Wunder erwarten. Das Team aus Silverstone hat sich über den Winter das ehrgeizige Ziel gesetzt, in allen Bereichen besser als der alte Red Bull RB18 zu sein. Das hat man mit dem AMR23 geschafft. Leider ist der neue Red Bull noch einmal ein gutes Stück schneller. Die Aston Martin-Bäume werden also nicht so schnell in den Himmel wachsen.

Bei Ferrari und Mercedes muss man sich fragen, was über den Winter passiert ist. Statt auf Red Bull Boden gutzumachen, haben die Verfolger verloren. Ferrari vier Zehntel, Mercedes zwei. Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass keiner von beiden weiß, was den Red Bull so schnell macht und wie man den gigantischen Rückstand aufholen soll.

Lewis Hamilton - Formel 1 - GP Bahrain 2023
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Topspeed gut, Kurven schlecht

Sicher, einige Defizite wurden abgestellt. Mercedes und Ferrari liegen am Mindestgewicht. Red Bull aber auch. Mercedes und Ferrari haben den Topspeed-Vorteil von Red Bull egalisiert, verlieren dafür aber in den Kurven. Mercedes in den schnellen, Ferrari in den langsamen. Mercedes und Ferrari haben kein Bouncing mehr. Red Bull hatte es nie.

Dafür haben die Verfolger des Weltmeisters die entscheidenden Defizite der alten Autos mit in die neue Saison übernommen. Dem Mercedes W14 fehlt ganz offensichtlich Abtrieb im Heck. Das raubt den Fahrern das Vertrauen in schnellen Kurven und killt die Traktion. Auf eine Runde können das die Fahrer überspielen. Auf die Dauer nicht. Somit wird auch die einstige Paradedisziplin, der Longrun, zum Problem. Mercedes präsentierte sich über eine Runde besser als über die Distanz.

Ferrari mangelt es an Zuverlässigkeit im Antrieb, auch wenn das Problem diesmal wohl eher die Batterie betraf als den Motor. Doch Charles Leclerc hat nun schon zwei Energiespeicher im Pool. Da drohen am Horizont schon wieder Startplatzstrafen. Die starke Reifenabnutzung wurde Ferrari nicht los. Verstappen nahm Leclerc bis zum Ausfall 24 Sekunden ab. Dabei ging der Holländer mit zwei gebrauchten Reifensätzen ins Rennen, Leclerc mit drei frischen.

Mercedes - Formel 1 - Bahrain Test 2023
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Schnelle Lösungen für Red Bull-Jäger?

Bei Mercedes und Ferrari tagte gleich nach dem Rennen der Krisenrat. Der speziell hecklastige Kurs von Bahrain mag die eigenen Defizite und die Stärken des Red Bull verstärkt haben, doch man würde sich selbst in die Tasche lügen, darauf zu hoffen, dass sich das Bild auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Jeddah dramatisch verändert. Die Abstände mögen sich verringern, die Tendenz wird bleiben.

Red Bulls ehemaligen Rivalen brauchen Lösungen, und sie brauchen sie schnell. Sonst ist der WM-Zug abgefahren, bevor es so richtig losgeht. Mercedes redet von einem Konzeptwechsel, hat zwei Antworten in der Hinterhand, und wollte in der Woche nach Bahrain entscheiden, welchen Weg man geht. Doch reichen die aus, Red Bulls Vorsprung aufzuholen?

Man habe seine Ziele mit dem aktuellen Auto erreicht, heißt es im Team, doch die waren offensichtlich zu niedrig gesteckt. Zweifel kommen auf, ob die bei den Alternativen höher und damit hoch genug angesetzt waren.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Bahrain 2023 - Qualifikation
Wilhelm

Schnelles Auto muss auch Dauerlauf können

Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur konnte nach dem enttäuschenden Saisonauftakt nur Beruhigungspillen verabreichen. Man habe ein Auto, das auf die Pole Position hätte fahren können. Das hatte man 2022 auch. Frische Reifen kaschieren so manche Schwäche. Vasseurs Erfahrung nach könne es kein Hexenwerk sein, einem im Prinzip schnellen Auto auch den Dauerlauf beizubringen. Die Probleme liegen eher im Setup als in den Genen des Autos. Ein Ingenieur meinte, auch die Fahrer müssten zur Lösung beitragen.

Mit diesem Ansatz könnte Ferrari auf die Nase fallen. Die Krankheit des hohen Reifenverschleißes befiel die roten Autos in der zweiten Hälfte des letzten Jahres. Laut Jock Clear hätte Red Bull im Vorjahr das Auto derart verbessert, dass Leclerc und Sainz gezwungen waren, das Tempo im Rennen entsprechend zu erhöhen. Und das habe die Reifen gekillt. Erst am Jahresende hätten sie gelernt, wie man die Reifen streichelt.

Das hilft nur alles nichts, wenn der Reifenstreichler Verstappen dann immer noch schneller ist als der Reifenstreichler Leclerc, weil ihm das Auto die besseren Möglichkeiten bietet. Vasseur musste zugeben, dass man Red Bulls Reifenfolge soft-soft-hart nie hätte fahren können. Ferrari brauchte zwei Mal hart. Das zeigt den Klassenunterschied. Und der holt sich nicht in vier Wochen auf.

Wenigstens reicht der Kalender den Geschlagenen von Bahrain eine Hand. In den ersten zwei Monaten finden nur drei Rennen statt. Wer Zeit gutmachen muss, hat bis zum GP Aserbaidschan Ende April Zeit.