Es hat sich etwas verändert im Hause Mercedes. Nach dem Abgang von Lewis Hamilton zu Ferrari ist George Russell zum neuen Teamleader bei den Silberpfeilen aufgestiegen. Der Engländer geht 2025 in seine siebte Formel-1-Saison und kennt die politischen Kniffe in der Königsklasse zur Genüge. Das Amt als GPDA-Direktors (Fahrergewerkschaft) füllt Russell seit 2021 aus. Gerade im letzten Jahr hatte er öffentlich FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem kritisiert.
Bei den Formel-1-Testfahrten (26. bis 28. Februar) in Bahrain hat sich Russell im Rahmen einer Pressekonferenz ein neues Ziel ausgesucht: Pirelli. Der 27-Jährige sorgt sich um die neue Reifen-Generation, die mit dem Reglement-Wechsel ab 2026 Einzug hält. Die Reifenbreite schrumpft auf der Vorderachse um 25 Millimeter auf 280 Millimeter, am Heck werden die Gummis um 40 Millimeter schmaler und messen nur noch 375 Millimeter. Die Formel-1-Fahrer müssen sich also auf weniger Grip einstellen.
Russell gab in Bahrain schon mal den Mahner: "Eine Reihe von Piloten hat bereits die 2026er-Reifen gefahren, die schmaler sein werden, um den Luftwiderstand zu verringern. Das war im Vergleich zu den breiteren Reifen, die wir heute haben, eine ziemliche Herausforderung. Die neuen Reifen waren in dieser Hinsicht deutlich schlechter. Das ist ganz natürlich so, weil sie einfach viel schmaler sind. Hoffentlich werden sie in den kommenden Monaten nochmal verbessert."

Mercedes-Pilot George Russell kritisierte die neuen Pirelli-Reifen für 2026 scharf.
Mercedes-Politik oder berechtigte Sorge?
Die Frage sei erlaubt, weshalb Russell gegen die Pneus geschossen hat? Geht es dem dreimaligen Grand-Prix-Sieger wirklich um die Performance der neuen Reifen oder spielen Mercedes und sein Fahrer ein politisches Machtspielchen? Es gibt Stimmen im Fahrerlager, die behaupten, dass Mercedes grundsätzlich gegen die schmaleren Pirelli ist. Denn sie würden nicht den nötigen Grip liefern, der dem Auto fehlt. Das betrifft aber auch alle anderen Formel-1-Teams, die lernen müssen, damit umzugehen.
Es lässt sich nur spekulieren, ob sich Mercedes Sorgen macht, einen größeren Performance-Verlust zu erleiden als die anderen Rennställe. Zur Erinnerung: Alle Teams, der Weltverband FIA und die Formel 1 haben das neue Reglement gemeinsam geschrieben. Hat Mercedes in seinen Simulationen und den gewonnenen Daten der Tests bereits Erkenntnisse, die für breitere Reifen sprechen?

Pirelli-Motorsportchef Mario Isola entkräftete die Kritik an den Reifen für den anstehenden Reglement-Wechsel.
Pirelli-Chef Mario Isola ist entspannt
Während Russell Pirelli öffentlich angezählt hat, stimmten die Formel-1-Kollegen noch nicht in die Kritik mit ein. Und auch Pirelli-Motorsportchef Mario Isola gab sich in Bahrain gelassen, nachdem er mit Russell gesprochen hatte: "Ich verstehe seinen Standpunkt. Wenn man die Reifendimensionen behalten hätte, wären einige Dinge für den Fahrer leichter zu kontrollieren gewesen – zum Beispiel das Überhitzen."
Pirelli den schwarzen Peter zuzuschieben, will der Italiener jedoch nicht gelten lassen. "Bei den neuen Reifen zählen viele Aspekte mit hinein, wie zum Beispiel das Gewicht zu reduzieren. Das war keine Pirelli-Entscheidung. Es wurde gemeinsam mit den zehn Teams, der FIA und der Formel 1 entschieden. Wir haben das in mehreren Meetings besprochen und die meisten Teams waren für die neuen Reifen."

Pirelli sammelt mithilfe der Mule Cars der Teams Daten für die Reifen der nächsten Auto-Generation in der Formel 1.
Testprogramm mit Mule Cars
Isola relativierte die Aussagen, indem er auf die besonderen Umstände verwies. "Die 2025er-Reifen sind ausgereizt, die haben wir seit 2022 stetig weiterentwickelt. Wenn man das mit Prototyp-Reifen vergleicht, die wir seit Ende 2024 entwickeln, ist es klar, dass die noch nicht auf dem Niveau sind." Trotzdem ist Pirelli das Feedback der Piloten bedeutsam. "Für mich ist es wichtig, welche Hinweise wir von den Fahrern bekommen, woran wir arbeiten müssen. Das betrifft Dinge wie die Steifheit des Reifens, das Überhitzen und den Verschleiß."
Die Formel-1-Fahrer sollen Pirelli mitteilen, welche Prioritäten der Hersteller setzen soll. "Dann legen wir uns auf die finale Konstruktion fest und darauf folgt die Arbeit an den verschiedenen Reifenmischungen", gibt Isola den Fahrplan vor. Eine Rolle bei den Meinungen der Piloten könnten auch die umgebauten Autos (Mule Cars) spielen. "Wir haben unterschiedliche Mule Cars, die die Teams für die Tests verwenden und die sich unterschiedlich verhalten. Das macht es auch für uns schwieriger festzustellen, woran wir arbeiten müssen, um uns zu verbessern", erklärt Isola.
Pirelli will die Erkenntnisse der Tests auch in seinen Simulationen abgleichen, um die neuen Gummis für 2026 weiterzuentwickeln. Für Russell hatte Isola noch Lob übrig. "George ist ein superintelligenter Fahrer. Als GPDA-Direktor wird er natürlich auch mit den anderen Piloten sprechen. Aber ich sehe keinen Grund, warum sich an der Reifengröße noch was ändern sollte. Die meisten Teams wollten diese Dimensionen."
Das Programm mit den neuen Pneus sieht 2025 für Pirelli noch acht Termine vor. Hier können Sie nachlesen, wo der Reifenhersteller seine Entwicklungen noch testen wird.