Vasseur-Interview: "Reifen wichtiger als Upgrades"

Frédéric Vasseur im Interview
„Reifen sind wichtiger als Upgrades“

Es hat ein Jahr gedauert, bis Ferrari zur Spitze aufgeschlossen hat. Was waren die wichtigsten Schritte dorthin?

Vasseur: Ich würde nicht von Schritten, sondern von einer kontinuierlichen Verbesserung sprechen. Schon Ende letzter Saison waren wir in der Lage, um die Pole-Position zu kämpfen. Aber wir hatten mit dem Rennspeed noch unsere Probleme. Über den Winter haben wir stark aufgeholt. Diese Saison haben wir den Fokus mehr auf das Rennen gelegt. Deshalb fiel der Schritt über die Renndistanz etwas größer aus als auf eine Runde.

Fehlt Ferrari deshalb etwas Zeit in der Qualifikation?

Vasseur: In der Formel 1 arbeitest du immer an deinen Schwächen. Da findest du das größte Verbesserungspotenzial. Das gilt für das ganze Feld. Die Schwächen der einzelnen Teams sind plötzlich eine Stärke geworden. Letztes Jahr haben wir in den schnellen Kurven gelitten. Dann legst du natürlich viel Aufmerksamkeit auf diesen Bereich und arbeitest im Windkanal dieses Thema ab. Deshalb sieht es so aus, als wären die Stärken des Vorjahres jetzt eine Schwäche. Doch das Feld liegt derzeit so eng zusammen, dass man gar nicht mehr so richtig von Stärken und Schwächen reden kann. Wenn der Unterschied nur noch zwei Zehntel beträgt, dreht sich etwas Positives leicht in etwas Negatives. Auf der anderen Seite werden Entwicklungsschritte jetzt wieder sichtbar. In der Vergangenheit hat kaum einer zwei Zehntel Fortschritt wahrgenommen. Jetzt kann er dich von Platz fünf auf Platz eins bringen. Oder umgekehrt.

Warum hat Ferrari zuletzt etwas den Anschluss verloren?

Vasseur: Das Resultat in Silverstone ist irreführend. Wir verstehen jetzt unser jüngstes Problem besser als noch vor diesem Rennwochenende. Dafür mussten wir die freien Trainingssitzungen am Freitag opfern. Aber die Lehren daraus werden uns weiterhelfen.

Wo liegt das Problem?

Vasseur: Das Barcelona-Upgrade ist auf dem Papier ein Fortschritt. Auch zu einem großen Teil auf der Strecke. Leider kam in einigen schnellen Kurven das Bouncing zurück. Allerdings nicht in allen. Weil das im Windkanal nicht reproduzierbar ist, ist es schwer herauszufinden, was es auslöst. Das Bouncing treibt die Reifentemperaturen nach oben, und das kostet Zeit an anderen Stellen. Deshalb haben wir in Silverstone zwei unterschiedliche Unterboden-Spezifikationen miteinander verglichen. Wir haben jetzt bis Budapest Zeit, eine Lösung zu finden. Am Anfang wird man sich dafür entscheiden müssen, einen Zustand ohne Bouncing herzustellen und ein bisschen Rundenzeit zu opfern. Das Ziel aber muss sein, mit einem Upgrade die Teile auszusortieren, die für das Bouncing verantwortlich sind.