Die FIA hat den biegsamen Flügeln den Kampf angesagt. Es ist ein Kampf, den sie eigentlich nicht gewinnen kann. Denn Flügel werden sich immer verbiegen. Die Regeln werden ja nicht zum ersten Mal verschärft. Doch immer wieder ist den Formel-1-Konstrukteuren etwas eingefallen, die Regeln auszutricksen.
Die Verschärfung der Vorschriften für den Heckflügel gilt schon ab dem GP Australien. Hier geht es der FIA hauptsächlich darum, dass die Spalte zwischen Hauptblatt und Flap bei nicht aktiviertem DRS nicht größer wird. Das würde einen kleinen DRS-Effekt hervorrufen und den Luftwiderstand senken.
Im letzten Jahr gab es da mehrere Ansätze, die Lücke zu manipulieren. Die einen, wie McLaren, haben den Flap an den Außenkanten nach oben gebogen, die anderen wie Ferrari das Hauptblatt nach unten gedrückt. Das Resultat ist ungefähr das gleiche. Die Formel-1-Regelhüter wollen sich jetzt aber nicht nur mit Belastungstests zufriedengeben, sondern auch mittels der Kameras im Auto visuell prüfen, ob sich da etwas bei großer Last bewegt.
Während die Gewinne beim Verbiegen des Heckflügels relativ gering sind, ist das Thema Frontflügel viel komplexer. Hier geht es primär nicht darum, den Abtrieb an der Vorderachse zu beeinflussen, sondern um ein Problem zu lösen, das typisch für diese Groundeffect-Autos ist. Sie sind viel schwerer auszubalancieren als jedes andere Fahrzeug-Konzept.

Die Flexi-Flügel helfen den Formel-1-Fahrern in den Kurven und auf den Geraden.
Das Problem der Groundeffect-Autos
Der Fahrer will in langsamen Kurven ein Auto, das an der Vorderachse zubeißt und in schnellen eines, dessen Heck auf der Straße klebt. Weil die Autos aber in einem kleinen Fenster knapp über der Straße liegen müssen, um über den Boden maximal Anpressdruck zu erzielen, kann man die Balance mechanisch nur beschränkt anpassen. Es gibt ja kaum Federweg und erst recht keine Niveauregulierung.
Wer dagegen einen Frontflügel hat, der bei zunehmender Geschwindigkeit durch Verdrehen Abtrieb verliert, hat den Jackpot gewonnen. Denn damit erhöht sich automatisch der Anpressdruck an der Hinterachse. McLaren hat das Verbiegen des Flügels im letzten Jahr perfektioniert. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Flaps bei entsprechender Last nach hinten kippen und den Anstellwinkel reduzieren. Wer es gut macht, bei dem rotiert das komplette Flügel-Ensemble.

McLaren hat den wohl den besten verbiegsamen Flügel im ganzen Feld.
Fünf Millimeter weniger Verbiegung
McLarens trickreicher Eingriff in die Aero-Elastizität des Flügels sprach sich schnell herum. Man kann die Dynamik des Flügels nicht verbergen, weil er ständig von einer der Kameras im Auto gefilmt wird. Der Großteil der Konkurrenz zog nach und entwickelte selbst diese Flexi-Flügel, wie sie im Branchenjargon gerne genannt werden.
Nur Red Bull betrieb eisern Lobbyarbeit bei der FIA für eine Verschärfung der Belastungstests. Zunächst wollte der Verband die Belastungstests erst mit Beginn des neuen Formel-1-Reglements 2026 ändern, um den Teams Geld zu sparen. Da die Video-Analyse im letzten Jahr aber ergab, dass es in einigen Fällen extreme Auswüchse drohten, kommt die strengere Regel nun doch. Aber erst ab dem GP Spanien.
Ab da darf sich der Flügel bei einer Kraft von 1.000 Newton (ca. 100 kg) bei einseitiger Belastung nur noch 15 statt 20 Millimeter verbiegen, bei doppelseitigem Druck zehn statt 15 Millimeter. Bei 25 Prozent Versteifung wird es schon deutlich schwieriger, die Fahrzeugbalance so zu beeinflussen, dass die Fahrer sowohl in langsamen wie in schnellen Kurven ein perfektes Auto haben.

Die neuen Regeln bei den Frontflügeln könnte ab dem GP Spanien die Reihenfolge durcheinanderwürfeln.
Nichts kann Flexi-Flügel ersetzen
Red-Bull-Teamchef Christian Horner kritisiert, dass die Teams jetzt zwei Mal Geld investieren müssen. Andere halten ihm entgegen, dass es sowieso wenigstens eine Frontflügelentwicklung geben wird. Da könne man das eine mit dem anderen verbinden.
Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur ist zwar froh, dass es jetzt endlich klare Verhältnisse gibt, sieht eher in der langen Vorlaufzeit ein Problem. Die Ingenieure haben jetzt drei Monate Zeit, sich Gegenmaßnahmen auszudenken, die das konterkarieren, was die FIA erreichen will.
Wenn die Aero-Elastizität trotzdem an ihre Grenzen kommen sollte, dann wird es eng. "Nichts ist beim Thema Balance so mächtig wie die Aerodynamik", erklärt Sauber-Technikchef James Key. "Du kannst die Verluste durch mechanische Eingriffe abschwächen, aber nie ganz kompensieren." Das sieht auch Vasseur so. "Man wird mit einer gewissen Instabilität leben müssen."

Williams-Teamchef James Vowles glaubt nicht daran, dass sich mit den neuen Regularien etwas am Kräfteverhältnis ändern wird.
Muss McLaren Opfer bringen?
Der Franzose hofft, dass die dann im Vorteil sind, die viel Zeit in die Entwicklung der Flügel der alten Generation gesteckt hatten und zum Schluss so einigermaßen damit klarkamen. Also Ferrari. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko glaubt, dass die Regeländerung den Fahrern in die Karten spielt, die auch mit nervösen Autos schnell fahren können. Also Vorteil Verstappen.
Williams-Teamchef James Vowles hat keine Sorge, dass die WM mit Einführung der neuen Flügel-Regel ab Barcelona kippen könnte. "Die Änderung ist nicht groß genug, das Kräfteverhältnis auf den Kopf zu stellen."
Das sehen nicht alle so. Die hoffen, dass McLaren von der Technischen Direktive eingebremst wird. Vowles winkt ab: "Den McLaren allein auf den biegsamen Frontflügel zu reduzieren, wäre ein Fehler. Den haben jetzt alle. Es ist in allen Bereichen ein stimmiges Paket. McLaren hat einfach die Entwicklungsrichtung dieser Art Autos richtig verstanden."