Es scheint ein Streit zu sein, bei dem es am Ende nur Verlierer gibt. Der Automobil-Weltverband FIA hatte am Dienstag (5.12.) überraschend ein offizielles Statement verschickt, in dem man eine Untersuchung ankündigt. Darin heißt es: "Der FIA sind Medien-Spekulationen über einen möglichen Austausch vertraulicher Informationen zwischen einem Formel-1-Teamchef und einem Angestellten des Formel-1-Managements (FOM) bekannt. Die Compliance-Abteilung wird sich den Fall anschauen."
Konkrete Namen werden in dem Statement zwar nicht genannt, aber Medien-Spekulationen dieser Natur hatte es in letzter Zeit eigentlich nur in einem einzigen Artikel des Magazins "Business F1" gegeben. Darin hieß es, dass Toto Wolff in einem Meeting mit anderen Teamchefs Informationen erwähnt haben soll, die eigentlich der Geheimhaltungspflicht unterliegen.
Dass die FIA nach solch einem einzelnen Medienbericht direkt ein Verfahren einleitet, ist äußerst unüblich. Man muss sich deshalb fragen, ob hier nicht eine politische Agenda verfolgt wird. Es ist auch nicht ganz klar, um was für ein Meeting es sich genau gehandelt haben soll, bei dem die angeblich fragwürdigen Aussagen getroffen wurden.

FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem und Formel-1-Chef Stefano Domenicali. Das Verhältnis dürfte aktuell etwas angespannt sein.
Keine Beschwerden über Wolff
Beim letzten Treffen der F1-Kommission hatte es zwar eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Toto Wolff und Red-Bull-Teamchef Christian Horner gegeben, bei dem es laut Augenzeugen um das Thema Budget-Cap ging. Das soll aber nicht Auslöser der FIA-Untersuchung gewesen sein, wie wir fälschlicherweise zunächst angedeutet hatten.
Ein Teamchef erklärte gegenüber auto motor und sport sogar, dass er und seine Kollegen keine Probleme oder Beanstandungen wegen irgendwelcher Aussagen von Toto Wolff in den letzten Meetings hatten. Deshalb sei die Verwunderung über den plötzlichen FIA-Vorstoß groß gewesen. In einer einmaligen Aktion am Mittwochabend machten die neun anderen Teams diese Verwunderung auch öffentlich sichtbar.
Praktisch zeitgleich wurde über die einzelnen Social Media Accounts der Rennställe ein im Wortlaut praktisch identisches Statement gepostet. Darin heißt es: "Wir können bestätigen, dass wir gegenüber der FIA keine Beschwerde eingereicht haben, was den Vorwurf der Weitergabe von vertaulichen Informationen zwischen einem F1-Teamchef und einem Mitarbeiter aus der FOM-Belegschaft angeht." Damit positionierten sich die Teams klar gegen das Vorgehen der FIA.
FOM weist Vorwürfe zurück
Am späten Dienstagabend hatten die betroffenen Parteien bereits selbst auf die Vorwürfe reagiert. Den Anfang machte das Formel-1-Management (FOM) mit einem Statement. Darin beklagte sich das Unternehmen, dass man vor der Eröffnung der Untersuchung nicht von der FIA informiert worden sei. Den Verdacht, dass ein eigener Mitarbeiter vertrauliche Informationen weitergeleitet haben soll, wies die F1-Organisation entschieden von sich.
"Wir sind uns sehr sicher, dass die Anschuldigungen falsch sind. Wir haben klare Prozesse und Abläufe, mit denen wir Informationen und Verantwortlichkeiten bei möglichen Interessenskonflikten trennen können. Wir sind davon überzeugt, dass kein Mitglied aus unserem Team etwas gegenüber einem Teamchef ohne Autorisierung offengelegt hat und wir warnen jeden, solche unüberlegten und ernsthaften Anschuldigungen ohne Grundlage zu verbreiten."

Selbst die Erzrivalen von Red Bull sorgten für Entlastung für Toto Wolff. Eine Klage bei der FIA habe es nie gegeben.
Mercedes fordert Informationen
Ähnlich verärgert reagierte auch Mercedes auf die angekündigte FIA-Untersuchung und die entsprechenden Medienberichte: "Wir nehmen das allgemein gehaltene Statement der FIA, mit dem auf unbestätigte Anschuldigungen einer einzelnen Publikation eingegangen wird, und das nicht öffentliche Briefing, das diese Angelegenheit mit dem Teamchef von Mercedes in Verbindung bringt, zur Kenntnis."
Genau wie die FOM habe es im Vorfeld keine Kommunikation mit der FIA zu der Angelegenheit gegeben. Man sei von dem eingangs erwähnten Medien-Statement der FIA überrascht worden, heißt es. "Wir weisen die Anschuldigungen in dem Statement und die damit verbundenen Medienberichte entschieden zurück. Mit ihnen wird die Integrität und das regelkonforme Verhalten unseres Teamchefs fälschlicherweise angegriffen." Mercedes forderte die FIA auf, den Inhalt der Untersuchung der Compliance-Untersuchung komplett und transparent auf den Tisch zu legen.
Neben Toto Wolff wurde auch noch Ehefrau Susie Wolff in die Affäre mit hereingezogen. Die ehemalige DTM-Pilotin ist aktuell als Chefin der Formel-1-Frauen-Nachwuchsserie "F1 Academy" angestellt. In diesem Job könnte sie theoretisch an Informationen aus dem FOM-Hauptquartier in London gelangt sein. In vielen Medienberichten wurde der Verdacht geäußert, dass sie vertrauliche Informationen weitergeleitet haben könnte.

Susie Wolff weist Verdächtigungen entschieden zurück, dass sie vertrauliche Informationen weitergeleitet haben könnte.
Susie Wolff wehrt sich
Auch hier folgte noch am späten Dienstagabend ein vehementes Dementi: "Ich fühle mich beleidigt, bin aber leider auch nicht besonders überrascht von den öffentlichen Anschuldigungen", erklärte Susie Wolff über ihren Instagram-Account. "Es ist entmutigend, dass meine Integrität in solch einer Weise infrage gestellt wird, vor allem wenn das Ganze in einschüchterndem und frauenfeindlichem Verhalten wurzelt und hier mehr auf meinen Status als Ehefrau als auf meine Fähigkeiten eingegangen wird. Ich weise die Anschuldigungen so entschieden zurück, wie es nur geht."
Auch Susie Wolff bekam Unterstützung durch die neun anderen F1-Teams. Das eingangs erwähnten Gruppen-Statement schließt mit den bemerkenswerten Worten ab: "Wir freuen uns und sind stolz darauf, dass wir die F1 Academy und ihre Chefin durch unsere Bereitschaft unterstützen, eines der Autos nächste Saison mit unserer Lackierung ins Rennen zu schicken."
Nach all den Dementis und dem Gegenwind für die FIA ist es völlig unklar, wie es nun mit der Untersuchung weitergeht. Neutrale Beobachter befürchten, dass die ganze Nummer in einer Schlammschlacht zwischen dem Weltverband und der Formel-1-Organisation endet, die ein schlechtes Bild auf den ganzen Sport wirft. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten.
Zur Verwirrung trägt auch bei, dass in einigen Berichten zu lesen war, dass es sich möglicherweise um interne Zahlen aus den Bilanzprüfungen der Rennställe handelt, die im Verdacht stehen, weitergeleitet worden zu sein. Doch diese Prüfungen, die zur Überwachung des Budget-Caps notwendig sind, werden von der FIA selbst durchgeführt und nicht von der Formel-1-Organisation.
Generell muss man noch erwähnen, dass es in der Formel 1 nichts Ungewöhnliches ist, dass Informationen zwischen Teams hin- und herwandern. In den Ecken des Fahrerlagers wird bekanntlich viel geredet. Auch durch den Austausch von Mitarbeitern bekommen die Rennställe immer wieder einen guten Einblick in das, was hinter den Türen der Konkurrenz los ist.
Korrektur: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass eine kurze Meinungsverschiedenheit zwischen Toto Wolff und Christian Horner in einem Meeting der F1-Kommission Anlass für die FIA-Untersuchung gewesen sein könnte. Das ist nicht der Fall.