In Singapur geriet McLaren ins Visier. Red Bull feuerte aus allen Kanonen, nachdem Videoaufnahmen einen sehr eindeutig biegsamen Flap am MCL38 gezeigt hatten. In Austin folgte die Retourkutsche. McLaren sah am Red Bull RB20 in der Verstellung der Kufenhalterung über das Cockpit eine Möglichkeit, heimlich im Parc fermé die Höhe des Unterbodens nachzujustieren.
Die FIA packte nicht die Peitsche aus, sondern reagierte in beiden Fällen mit einer gewissen Kulanz. Der biegsame Heckflügel betraf laut FIA-Sportchef Nikolas Tombazis nicht nur McLaren, sondern insgesamt "zwei bis drei Teams".

Vor der Herbstpause wurde viel über den McLaren-Heckflügel diskutiert.
Strafen bei weiteren Verstößen
Alle müssen ihre Flügelelemente in Zukunft so auslegen, dass deren Verbiegung die Spalte zwischen Hauptblatt und Flap nicht um mehr als zwei Millimeter gegenüber der Grundeinstellung verändert. Laut Tombazis handelt es sich dabei hauptsächlich um Flügelspezifikationen für schnelle Rennstrecken.
Der Verband versteht diese Maßnahme als Warnung. Sollten trotzdem noch Verstöße gegen die Empfehlung beobachtet werden, müssten die FIA-Technikexperten die Angelegenheit an die Sportkommissare weiterleiten. Dann drohen also Strafen.
Auch beim Frontflügel nimmt Tombazis eine entspannte Haltung ein. Die Analyse, wo und wie sich die Flügel verbiegen, wird jetzt zwar bis zum Saisonende fortgesetzt, doch es ist nicht mit einer Verschärfung der Regeln zu rechnen. "Beim Frontflügel ist es extrem schwierig, eine einfache Regel zu schreiben, weil jeder Flügel ein anderes Belastungsmuster aufweist."

Die Verstellung der Unterboden-Kufe erfolgt über die Service-Klappe an der Pedalerie. Die FIA will nicht ausschließen, dass hier heimliche Änderungen vorgenommen werden können.
Potenzial für heimliche Verstellung
Auch das Kufen-Thema wurde geräuschlos geregelt. Um die Gemüter zu beruhigen, klebte die FIA vor dem Parc fermé ein Siegel über die Stellschraube. Begründung: "Das Team hat über den gewählten Verstellmechanismus im Cockpit das Potenzial geschaffen, Änderungen schnell, einfach und heimlich vorzunehmen."
Obwohl der Parc fermé mit Kameras überwacht wird und Aufpasser jede Berührung des Autos durch das Team-Personal streng überwachen, will Tombazis generell einen Verstoß gegen die Parc-fermé-Regeln nicht ausschließen. "Es kommt immer wieder vor, dass Teammitglieder im Parc fermé Teile des Autos inspizieren oder erlaubte Änderungen durchführen. Wenn einer dabei ins Cockpit greift, ist es unmöglich zweifelsfrei auszuschließen, dass er dabei etwas Verbotenes tut."
Mit dem Siegel habe man aber eine elegante Lösung gefunden, die Zweifler zu beruhigen. McLaren-Chef Zak Brown forderte trotzdem, dass Red Bull den Mechanismus ändern müsse, weil sich Aktivitäten im Cockpit schwer überwachen lassen. So weit will die FIA nicht gehen. "Red Bull muss das Teil nicht ändern, aber es wäre ratsam, es zu tun. Das würde uns die Arbeit erleichtern, weil wir dann nicht immer mit dem Siegel hantieren müssten."
Tombazis erwartet bei dem verschärften Wettbewerb, den wir gerade in der Formel erleben, weitere Beschwerden von Teams gegen andere Teilnehmer. "Konkurrenz verändert den Sportsgeist." Aus Sicht des obersten FIA-Funktionärs wurden die Auswirkungen der beiden jüngsten Affären auf die Wettbewerbsfähigkeit der Autos maßlos übertrieben. "Bei der Kufenhalterung um den Faktor 100, bei den Flügeln um den Faktor 150." Es war der perfekte Sturm im Wasserglas.