Die Formel 1 macht sich für Automobilhersteller immer attraktiver. Mercedes, Ferrari und Renault sind bereits an Bord. Honda nach dem Ausstieg Ende 2021 zumindest noch verkappt über einen Liefervertrag mit Red Bull. 2026 könnte der japanische Hersteller ein vollwertiges Comeback in der Königsklasse hinlegen. Dann greift ein neues, noch nachhaltigeres Motorenreglement. Für 2026 eingeschrieben hat sich Honda jedenfalls.
Audi wird 2026 sicher dazustoßen und einen eigenen Motor bauen. Mit General Motors klopft schon der nächste große Player an die Tür der Formel 1. Den großen US-Automobilbauer hat Andretti für sein Projekt gewonnen, das so früh wie möglich starten soll. Andretti visiert an, möglichst bereits 2025 in der Startaufstellung zu stehen. Wie es heißt, soll der Einstieg zunächst mit einem Renault-Kundenmotor erfolgen.
Ben Sulayem pro Andretti
Doch gegen das US-Bündnis regt sich Widerstand. Während sich die FIA für Andretti und General Motors starkmacht, gibt es im Formel-1-Management und beim Großteil der Teams Bedenken. Man hört, dass acht von zehn Rennställen kontra Andretti sind – trotz eines Herstellers wie GM an Bord. Nur Renault und McLaren sehen einem möglichen Einstieg überwiegend positiv entgegen.
FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem wirbt offensiv für Andretti und General Motors, das seine Marke Cadillac ins Rennen schicken will. "Ich habe mit Mario und Michael Andretti am Miami-Rennwochenende gesprochen", sagt er am Rande der Rallye Monte-Carlo gegenüber "auto motor und sport". "Wir waren damals sehr klar in unserer Antwort. Wir wollen einen Hersteller. Wir haben Andretti gesagt, sie sollen mit einem zusammenarbeiten, wenn sie es ernst meinen. Wir haben sie ermutigt, sie haben geliefert."
Insofern versteht der FIA-Präsident nicht, warum der US-Allianz noch immer ein rauer Wind entgegenbläst. "Wie um alles in der Welt könnten wir Nein zu jemandem wie GM sagen?", fragt Ben Sulayem – und gibt selbst die Antwort: "Wir wollten einen großen Hersteller. Sie sind einer. Ich hatte gute Gespräche mit dem Präsidenten von GM. Er hat mir gesagt, dass es nicht allein seine Entscheidung war. Es war das Aufsichtsgremium. Sie haben uns einen Brief geschickt. Wir haben drei Rennen in den USA. Das ist ein gesunder Markt."

Bis zu 26 Autos möglich
Damit sich neue Teams überhaupt um einen Platz in der Formel 1 bewerben können, muss die FIA erstmal einen offiziellen Prozess aufgleisen, und die Startplätze öffentlich ausschreiben. Es könnte ja noch andere Bewerber geben, die sich noch im Hintergrund halten, und nicht wie Andretti laut für sich selbst trommeln. Darauf verweisen auch immer wieder die Rechteinhaber der Formel 1. Der FIA-Präsident hat den ersten Schritt bereits getan, indem er seine Mannschaft beauftragt hat, einen "Prozess der Interessensbekundung für angehende neue Teams" aufzusetzen.
Ben Sulayem betont, dass ernsthafte Neuzugänge der Stabilität der Formel 1 dienen. "Wir können noch zwei Teams mehr aufnehmen. Das ist so in den Regeln verankert. Wenn sie glaubwürdig sind, und es ernst meinen, dann sollten wir neue Teams eintreten lassen." Theoretisch könnte die Formel 1 sogar auf 13 Rennställe aufstocken. In Artikel 8.6 des Sportlichen Reglements ist festgehalten, dass nicht mehr als 26 Autos zugelassen werden dürfen – von jedem Wettbewerber zwei.
Einem großen Fisch wie General Motors sollte man da nicht die Tür zuwerfen, findet der Präsident. "Stellen Sie sich vor, wir würden das tun. Das wäre falsch. Ich wurde nicht gewählt, um Geld zu machen, sondern um den Sport zu stützen. Ich bin ein gewählter Repräsentant des Sports. Wir brauchen eine starke wie faire FIA. Fairness ist sehr wichtig für uns." Und darunter versteht Ben Sulayem auch eine faire Behandlung derer, die anklopfen.
Ben Sulayem gegen Bedenkenträger
Das heißt aber nicht, dass die Formel 1 es nicht tut. Das Management der Königsklasse befand sich schließlich selbst über Monate hinweg im Austausch mit General Motors. Nur gibt es eben noch weitere Interessenten an einem Einstieg in die Königsklasse. Und darauf wird hingewiesen. Wenn das Feld tatsächlich erweitert wird, dann soll auch der beste Kandidat dafür bestimmt werden. Formel-1-Management und FIA müssen sich einig sein. Man kann einander blockieren.
Das F1-Management strebt nach Wachstum. Liberty Media will höhere Umsätze. Die Formel 1 ist schließlich ein Geschäft, das Dividende abwerfen muss. Die Teams fürchten, dass Andretti-Cadillac von ihrem Kuchen abbeißt – und die eigenen Einnahmen durch weitere Rennställe verkleinert werden. Ben Sulayem antwortet den Bedenkenträgern: "Es gibt eine effektive Kostenobergrenze. Und wir arbeiten daran, dass sie noch effektiver wird."
Die etablierten Teams äußern ihre Bedenken bislang hinter vorgehaltener Hand. Sie spielen den Ball geschickt an FIA und F1-Management weiter. "Cadillac und GM: Das ist schon ein Statement", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff erst kürzlich. "Dass sie sich mit Andretti zusammengetan haben, ist definitiv positiv. Es gibt dem Projekt eine weitere Dimension, die für die Formel 1 von Vorteil sein kann oder nicht. Aber definitiv würde niemand von uns jemals den Stammbaum von Cadillac und GM im Motorsport und als Automobilunternehmen infrage stellen." Das ist der Punkt: Die Teams wollen sichergestellt sehen, dass durch Neuzugänge auch ihre Einnahmen steigen.

Neuer Hersteller in Sicht
Den Hinweis der Etablierten, General Motors wolle sich den Einstieg mit einem Kundenmotor verhältnismäßig billig erkaufen, wird von der Gegenseite vom Tisch gewischt. Es gäbe Ambitionen, dass der US-Riese in Zukunft eigenes Knowhow einfließen lässt, und eigene Ressourcen investiert. Die Gegner verweisen noch darauf, dass Andretti gar nicht die Basis und Infrastruktur habe, um auf Formel-1-Niveau zu fahren. Das wäre aber in erster Linie das Problem des US-Teams. Skepsis ist sicher auch insofern vorhanden, als Andretti-GM Ingenieure abwerben könnte. Oder Sponsoren. Und dass die neue US-Allianz womöglich eine bessere WM-Position einfährt.
FIA-Präsident Ben Sulayem sieht vielmehr die Strahlkraft des Namens, die der Formel 1 aus seiner Perspektive zu noch mehr Glanz verhelfen könnte. "Wir müssen für seriöse Bewerber die Tür öffnen. Das könnte weitere Interessenten anziehen." Dann macht er noch eine vielversprechende Ankündigung: "In kurzer Zeit, vielleicht schon nächste Woche, könnte ein weiterer Hersteller für das Motorenreglement 2026 unterschreiben."