Reifenprobleme stoppen Ferrari in Monza

Reifenprobleme stoppen Ferrari
Strategiepoker als einziger Ausweg

GP Italien 2022

Ferrari kann nicht mehr gewinnen. Es reicht noch für die Pole Position, aber nicht mehr für den Sieg. Der Speed im F1-75 ist immer noch da, doch über die Distanz frisst das rote Auto seine Reifen. Das spielt Max Verstappen alle Trumpfkarten in die Hand. Monza war da keine Ausnahme, auch wenn Charles Leclerc den Tifosi mit seiner achten Trainingsbestzeit Hoffnung machte. Die war trügerisch.

Ferrari merkte spätestens nach zehn Runden, dass die Partie gelaufen war. Verstappen hatte bis dahin Pierre Gasly, Daniel Ricciardo und George Russell überholt und dabei noch den Rückstand auf Spitzenreiter Leclerc von 2,6 auf 1,2 Sekunden verkürzt. "Der Red Bull war heute das schnellere Auto", gab Rennleiter Mattia Binotto zu. "Wenn wir mit der gleichen Strategie gegen ihn gefahren wären, hätten wir ihn nie geschlagen."

Start - GP Italien 2022 - Monza
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VSC-Geschenk nur halb genutzt

Das Schicksal spielte Ferrari in der 12. Runde eine VSC-Phase zu. Die Strategen unter Inaki Rueda griffen zu und entschieden sich in diesem Moment für ein Zweistopp-Rennen. Das war für Red Bull das Signal, das Gegenteil zu machen. Teamchef Christian Horner räumte ein, dass man Verstappen an die Box geholt hätte, hätte Ferrari Leclerc auf der Strecke gelassen.

Es war Pech, dass die VSC-Phase just in dem Moment endete als Leclerc seinen Ferrari zum Reifenwechsel einparkte. Damit profitierte der WM-Zweite nur zum Teil von dem WSC-Geschenk. Es reichte aber, 13 Runden später wieder in Führung zu gehen, als Verstappen seinen Boxenstopp unter Renntempo abspulen musste. "Zwei Stopps waren grundsätzlich nicht falsch, weil du nie weißt, was später im Rennen passiert. Für uns war ein Poker ohne Risiko", blickt Binotto zurück. Leclercs Tempo war hoch genug, auch mit einem zweiten Boxenstopp vor dem drittplatzierten George Russell zu bleiben.

Zweite Stopp war pure Notwendigkeit

Der zweite Stint des Trainingsschnellsten bestätigte, was der erste angedeutet hatte. Verstappen legte ein Tempo vor, das Leclerc nicht kontern konnte. Sein Rückstand von zunächst 10,1 Sekunden schrumpfte innerhalb von sieben Runden auf die Hälfte. Als Leclerc in der 33. Runde eine weitere Garnitur Soft abholte, sah es fast so aus, als wollte Ferrari der direkten Konfrontation mit dem näher rückenden Red Bull aus dem Weg gehen. Doch der zweite Stopp war pure Notwendigkeit. Leclerc hätte auf den Medium-Reifen nie zu Ende fahren können. Und Russell lag mit 25,4 Sekunden noch komfortabel außerhalb des Boxenstopp-Fensters.

Das SafetyCar am Ende des Rennens kam den Ferrari-Fans zunächst wie eine glückliche Fügung des Schicksal vor, doch als klar wurde, dass der GP Italien hinter Bernd Mayländers Aston Martin zu Ende gehen würde, hallte ein gellendes Pfeifkonzert von den Tribünen. Binotto war zwar nicht glücklich, wie das Safety Car von der Rennleitung gehandhabt wurde, machte aber auch klar: "Wir hätten Verstappen in einem kurzen Sprint bis zum Ende kaum geschlagen. Er hatte frische Soft-Reifen drauf, wir gebrauchte."

Mit dem Rennen von Carlos Sainz konnte Ferrari zufrieden sein. Der Spanier machte vom 18. Startplatz 14 Positionen gut. Mehr ging nicht. Die ersten 13 Runden fegte Sainz wie ein Wirbelwind durch das Feld. Der Silverstone-Sieger überholte 13 Autos als würde es das Phänomen des DRS-Zuges nicht geben. Erst als er endlich frei fahren konnte, begannen seine Reifen abzubauen. Seinen direkten Gegner Sergio Perez ließ Sainz in Runde 33 stehen. Bis das Safety Car auf den Plan trat, hatte Sainz den Rückstand zu Russell auf 7,8 Sekunden verkürzt.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Italien 2022 - Monza
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Welche Rolle spielt das Gewicht?

In Monza setzte sich das Bild der letzten Rennen fort. "Seit dem Grand Prix von Ungarn war der Red Bull das bessere Auto. Nicht am Samstag, aber im Rennen. Bei uns bauen die Reifen schneller ab. Sie bekommen eine bessere Balance hin als wir, und wir müssen hart daran arbeiten das zu verstehen." Diesmal litten die Vorderreifen. Das Rätsel dabei ist, dass es nicht immer so war. Zu Beginn des Jahres ging der Ferrari schonender mit seinen Reifen um.

Max Verstappen bringt das Gewicht des Autos ins Spiel. "Zu Beginn des Jahres hatten wir zu viel Gewicht an Bord, und das auch noch an der falschen Stelle. Seit wir abgespeckt haben, finden wir eine bessere Balance. Das Untersteuern ist weg." Binotto glaubt nicht, dass es allein daran liegt. "Wenn Red Bull gegenüber uns deutlich an Gewicht gewonnen hätte, müsste man es auch auf eine Runde in der Qualifikation merken."

Die Ferrari-Ingenieure haben eher die Aerodynamik im Verdacht. Dass die Suche nach mehr Abtrieb das Arbeitsfenster und damit den Spielraum bei der Fahrzeugabstimmung verkleinert hat. Deshalb fuhr Carlos Sainz im freien Training einen Versuch mit einem alten Unterboden. "Wir wollen nicht dahin zurück, aber durch den Vergleich besser verstehen, was vorher anders als jetzt war", erklärte Einsatzleiter Jock Clear.