Ferrari bei Tests: Großer Sprung mit neuem Motor

Ferrari geht voll ins Risiko
Großer Sprung mit neuem Motor

Noch sollte man vorsichtig sein. Die ersten Testtage besitzen keine große Aussagekraft. Vor allem bei Autos, die aus dem Vorjahr nur das Lenkrad übernommen haben. Keiner weiß, wer was auf der Strecke treibt. Wer mit wie viel Benzin an Bord fährt. Wer welche Motoreinstellungen abruft. Wer noch etwas in der Hinterhand hat, was erst in Bahrain ausgepack wird. Direkte Vergleiche lassen sich schwer ziehen, auch wenn die Teams mit ihren Einschätzungen dank den Erfahrungswerten der letzten Jahre und ihrer Simulationstools meistens nah dran an der Wirklichkeit liegen.

Worüber man sich im Fahrerlager einig ist: Ferrari hinterlässt nach zwei Testtagen einen sehr guten Eindruck. 153 Runden am ersten Tag, 150 am zweiten. Die Last ist praktisch ausgeglichen verteilt. Carlos Sainz und Charles Leclerc spulten ähnliche Distanzen ab. Ferrari ist zu diesem frühen Zeitpunkt ordentlich aussortiert. Das Auto ist von keinen Kinderkrankheiten befallen. Und wenn mal ein Problem auftaucht, ist es schnell gelöst, und hält das rote Auto nicht lange in der Garage.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - Test - Barcelona - 24. Februar 2021
Stefan Baldauf

Alle Hersteller mit neuen Motoren

Nicht nur das Auto ist völlig neu, sondern auch der Motor. Das liegt nicht nur an der Umstellung auf E10-Benzin. Ab dieser Saison muss dem Kraftstoff ein Anteil von zehn Prozent aus biologischen Abfällen beigemischt werden. Das kostet auf dem Papier etwa 20 PS. Dafür musste der ganze Verbrennungsprozess angepasst werden. Die Hersteller hätten aber auch ohne das neue Benzin komplett neue Motoren konstruiert. Weil es die letzte Gelegenheit zum Upgrade bis 2026 ist. So lange werden die Motoren ab dieser Saison eingefroren.

In einem ersten Schritt werden der V6-Turbo und die Elektromaschine MGU-H am 1. März homologiert. Mit der MGU-K, der Batterie und der Leistungselektronik haben die Hersteller bis zum 1. September Zeit, bis die Komponenten eingefroren werden. Danach sind nur noch Eingriffe erlaubt, die der Zuverlässigkeit dienen.

Mercedes gibt an, von einem auf das nächste Jahr noch nie so viele Arbeiten an seiner Power Unit verrichtet zu haben. Im Fahrerlager erzählt man sich, dass das Weltmeisterteam aber noch nicht auf dem Leistungsstand von 2021 ist. Ein paar PS sollen noch fehlen. Auch von Red-Bull-Honda war im Winter zu hören, dass man die Einbußen durch E10 noch nicht wettgemacht habe.

Mattia Binotto - Testfahrten Barcelona 2022
xpb

Maranello geht voll ins Risiko

Ferrari lässt sich wie die Konkurrenz keine konkreten Zahlen entlocken. Allerdings hört man aus den Reihen des italienischen Nationalrennstalls, dass man mit dem neuen Motor einen großen Sprung gemacht habe. Sogar einen größeren als von 2020 auf 2021. Wenn das stimmt, wäre es ein großer Schritt. Wir erinnern uns. Damals hatte Ferrari massiv Leistung eingebüßt, nachdem die FIA der Scuderia auf die Finger geklopft hatte.

Es hatte 2019 Unregelmäßigkeiten mit der Power Unit gegeben. Ferrari musste massiv zurückrüsten. Die Power Unit hinkte deshalb 2020 um rund 50 PS zurück. Im Vorjahr verkürzte Ferrari dem Vernehmen nach auf 20 bis 25 PS. Ein neues Hybridsystem, das spät in der Saison debütierte, brachte weitere ein bis zwei Zehntel.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - Test - Barcelona - 25. Februar 2022
Stefan Baldauf

Mit einem Kraftakt im Winter wollte Maranello die Lücke zum bisherigen Klassenprimus Mercedes schließen. Dafür ist Ferrari voll ins Risiko gegangen. Tenor aus dem Team: Das musste man tun, um konkurrenzfähig zu sein. Die Zuverlässigkeit könne man nachbessern, die Leistung in den nächsten vier Saisons nicht. Ferraris Kundenteams sind zufrieden mit den erzielten Fortschritten, die bisher offenbar nicht auf Kosten der Zuverlässigkeit gingen.

Bei der Konkurrenz wird applaudiert: "Wir haben das Gefühl, dass Ferrari aktuell den stärksten Motor hat", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Man muss das ganze aber einordnen: Es sind erst zwei Testtage absolviert. Zu früh sollte man Ferrari nicht in den Himmel loben. Wintertests können täuschen. Das weiß auch Teamchef Mattia Binotto, der sagt: "Wir sind nicht die Favoriten, sondern die Außenseiter."