Knapp die Hälfte der Formel 1-Piloten wohnt in Monte Carlo. Doch nur einer kommt tatsächlich aus dem Fürstentum. Charles Leclerc ist in dem Kleinstaat aufgewachsen. Wenn er aus dem Fenster seiner elterlichen Wohnung blickte, konnte er auf die Ste.Dévote-Kurve sehen. Die Rennstrecke war sein Schulweg, und im Schwimmbad, das jetzt die Formel-1-Autos umkurven, hat er das Schwimmen gelernt. Heute wohnt er "irgendwo in den Bergen über der Stadt", grinst Leclerc und deutet nach oben.
Die berühmteste Rennstrecke der Formel 1 meinte es nie wirklich gut mit seinem berühmten Sohn. In drei Einsätzen sah er nie die Zielflagge. 2021 fuhr er seinen Ferrari auf die Pole Position und nahm dann gar nicht am Rennen teil, weil Ferrari nach einem Trainingscrash einen Riss in der Radnabe übersehen hatte. Und die meldete sich auf der Fahrt in den Startplatz.
Ein Auto zum Gewinnen
Eine Woche vor seinem Heimspiel wurde Leclerc brutal an seine schlechte Serie auf heimischem Boden erinnert. Der Ferrari-Pilot war auf dem Weg zu seinem dritten Saisonsieg, als ihn ein Schaden am Turbolader und der MGU-H aus dem Rennen warf. "Heute hätte mich Max nicht gekriegt", antwortete Leclerc auf die Aussagen von Red Bull, Verstappen hätte seinem WM-Rivalen ohne das DRS-Problem einen großen Kampf geliefert.
Ausgerechnet vor dem wichtigsten Rennen des Jahres verlor Leclerc auch noch die WM-Führung. Doch der Monegasse lässt sich weder vom schlechten Omen noch von seiner unglücklich Monte-Carlo-Statistik aus der Ruhe bringen: "Ich muss nur das tun, was ich bis jetzt auch getan habe. Wir haben ein Auto, mit dem man gewinnen kann. Wenn wir einen guten Job machen, gibt es keinen Grund, warum es hier nicht klappen sollte."
Motordefekt erkannt und behoben
Leclerc beteuert, dass auf ihm weder eine besondere Verantwortung noch ein besonderer Druck laste. "Als Ferrari-Fahrer hast du immer Verantwortung. Egal, ob du vorne fährst oder mithilfst, das Auto nach vorne zu bringen." An Spekulationen, ob sein Ferrari in dem Kurvenlabyrinth besonders gute Chance hat, will sich der neue WM-Zweite nicht beteiligen: "Unser Auto ist in allen Bereichen gut. Die Schokoladenseite sind eher die mittelschnellen Kurven."
Leclerc sieht Ferrari im Duell mit Red Bull gut gerüstet. Bis jetzt hätten alle Upgrades nach Plan funktioniert. Das gibt Zuversicht. Um das Thema Motor macht er einen großen Bogen. Da ist die Situation bei ihm deutlich angespannter als bei Verstappen. Die erste Antriebseinheit ist ein Freitagsmotor, und von der zweiten sind Turbolader und MGU-H in die ewigen Jagdgründe eingegangen.
Man muss kein Mathematiker sein, um auszurechnen, dass Leclerc wohl kaum mit drei Motoren über die Runden kommt. "Wir haben den Schaden von Barcelona erkannt, und das Team hat mir versichert, dass er nicht wieder auftritt", beruhigt sich Leclerc.

Mercedes nie abgeschrieben
Red Bull hat seine interne Hackordnung längst festgelegt. Das Team setzt alle Karten auf Max Verstappen. Sergio Perez muss das tun, was gut für das Team ist. Gut für Red Bull ist, wenn Verstappen Weltmeister wird. Leclerc fordert deshalb nicht den gleichen Status ein: "Das ist eine Frage an den Teamchef. Ich will mich auf so etwas nicht verlassen. Wenn ich meine Arbeit gut mache, brauche ich keine Hilfe von außen."
Carlos Sainz stellt derzeit keine Gefahr für Leclerc dar. Der Monegasse traut dem Frieden nicht: "Carlos wird zurückkommen. Vielleicht hatte er mit der Anpassung an die neuen Autos mehr Probleme als ich. Die Balance geht mehr Richtung Übersteuern. Das passt zu meinem Fahrstil."
Leclerc lässt sich auch von einem Regenrennen nicht abschrecken, das für den Sonntag prognostiziert wird: "Warum nicht? Unser Auto geht im Regen gut. Das hat Imola gezeigt. Letztes Jahr hätte ich mir da mehr Sorgen gemacht." Auch dass Mercedes möglicherweise als dritte Kraft und Störenfried dazwischen funkt, sieht Ferraris Speerspitze positiv: "Ich habe Mercedes nie abgeschrieben. Die haben nicht aus Zufall so viele Rennen gewonnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder da sind. Ich freue mich auf diesen Dreikampf."
Zum Schluss noch eine Liebeserklärung für seinen Heim-Grand Prix, dessen Verbleib im Kalender stark gefährdet ist: "Die Formel 1 ohne Monte Carlo wäre für beide Parteien ein großer Verlust. Für mich wäre es nicht mehr die echte Formel 1. Dieses Rennen ist Teil der Geschichte dieses Sports. Dass im Rennen wenig überholt wird, gehört dazu: Dafür bietet Monte Carlo die beste Qualifikation im ganzen Jahr."