Das Pendel zwischen den WM-Rivalen schwingt weiter hin und her. Vor zwei Wochen in Imola hatte Red Bull dank eines kleinen Upgrades die Nase vor Ferrari. In der Qualifikation zum GP Miami leitete die Scuderia erfolgreich den Konter ein. Diesmal hat Maranello eine Neuentwicklung im Gepäck. Ein getrimmter Heckflügel soll den Luftwiderstand auf den Geraden verringern. "Wir haben ein bisschen was Neues dabei, und gehen damit in die richtige Richtung", lobt Pole-Setter Charles Leclerc.
Es scheint auch so, als ob der Ferrari auf den Geraden weniger stark hüpft als das in den ersten Rennen der Fall war. Alles kleine Puzzle-Steine, kombiniert mit einem frischen Motor im Auto des Monegassen, die zu einem Erfolg in der Qualifikation führten. Ein Schlüssel: Bei Ferrari läuft an diesem Rennwochenende bis jetzt nichts schief. Bei Red Bull und Verstappen dagegen zu viel.
Am Trainingsfreitag blieb der Kilometerzähler beim Weltmeister nach 15 Runden stehen. "Vier oder fünf davon waren verwertbar," mault Verstappen. "Ich lerne noch die Strecke. Mit unseren Problemen machen wir uns das Leben selbst schwer. Ich bin überrascht, überhaupt um die Pole gekämpft zu haben. Wir können so viel besser sein, wenn wir ein sauberes Wochenende hinlegen." So wie in Imola zuletzt. Im ersten Training hatte das Getriebe überhitzt. Beim Wechsel der Kraftübertragung passierte den Mechanikern beim Zusammenbau ein Fehler, was dazu führte, dass die Hydraulik streikte, Verstappen nicht lenken konnte und die Hinterradbremsen überhitzten.

Strecke lädt zu Fehlern ein
Red Bulls Sportchef Helmut Marko gratulierte Ferrari-CEO zu einer sauberen Leistung. Das rote Auto war am Samstag von Miami eine Spur schneller als das dunkelblaue. Dabei erwischten die Fahrer keine perfekten Runden. "Das Auto war super. Die Quali war ein weiterer Beweis, dass unser Paket unter allen Bedingungen funktioniert", äußert sich Leclerc. Die Hitze macht dem Ferrari nichts aus.
Die Strecke verlangt von den Fahrern maximale Konzentration. "Es ist knifflig, weil es rutschig ist. Eine gute Runde zusammenzubekommen, ist sehr schwierig", sagt der WM-Führende. Teamkollege Carlos Sainz stimmt zu. "Die Strecke ist unberechenbar. Es ist so einfach, einen Fehler hier zu machen." Er erfuhr es im zweiten Training am eigenen Leib. Ein Ausfallschritt neben die Ideallinie reichte, um in die Mauer zu segeln. Sainz prellte sich die Hüfte und stauchte den Nacken.
Unter diesen Umständen stuft er selbst den zweiten Platz hoch ein. Im Finale der Qualifikation roch Sainz sogar für einen Sektor an der Pole Position. Er nahm dem Teamkollegen in den ersten acht Kurven etwa eineinhalb Zehntelsekunden ab. "Meine Runde begann ziemlich chaotisch", schildert Leclerc. "Die Kurven eins bis drei habe ich nicht nach Wunsch getroffen. In den Kurven vier bis acht konnte ich etwas Zeit auf meine vorherige Runde gutmachen, obwohl es auch hier nicht stimmte. Turn 11 und 16 habe ich dagegen erwischt."
Die eine Kurve ist die Ecke am Ende der ersten langen Gerade, die andere die 90-Grad-Links vor dem 1,28 Kilometer langen Vollgasstück. Sainz büßte den Vorsprung im zweiten Abschnitt ein und haderte mit den Zielkurven. "Dort habe ich die ganze Qualifikation eine Zehntel auf Charles verloren. Ich probierte deshalb eine andere Linie. Es hat leider nichts genutzt."
Red Bull der Effizienz-Meister
Der Rivale aus dem Red-Bull-Lager hatte die verbliebenen zehn Fahrer nach der ersten Q3-Runde noch angeführt. Im zweiten Versuch unterlief Verstappen jedoch ein Fehler. Der Niederländer nahm zu viel Risiko. "Das musste er, weil die Ferrari in den schnellen Kurven besser waren. Max wollte dranbleiben, um im zweiten und dritten Sektor mit den Geraden zurückzuschlagen", entschuldigt Sportchef Helmut Marko. "Das Heck ist in Kurve fünf gekommen. Das war ziemlich seltsam. Aber das passiert eben, wenn du nicht weißt, wo das Limit liegt", ärgert sich der WM-Zweite.
Die Strecke mit den zwei Gesichtern legt die Stärken und jeweiligen Schwächen der beiden besten Autos offen. Ferrari ist in den Kurven nicht zu halten und beschleunigt dank besserer Traktion, mehr Drehoment und besserer Fahrbarkeit schneller auf die Geraden. Red Bull trumpft dafür am Ende auf. Sergio Perez (334,6 km/h) landete zum fünften Mal in der fünften Qualifikation ganz oben in der Topspeed-Liste. Verstappen folgte mit 334,3 km/h. Die Ferrari wurden mit 325,6 (Leclerc), respektive 323,0 km/h (Sainz) gemessen.
Kein Auto holt so viel Abtrieb über den Unterboden wie der Red Bull RB18. Das ist besonders effizient, weil es nicht zulasten des Luftwiderstands geht. So kann das Team auch mit einem kleineren Heckflügel operieren. Das wiederum lässt den windschlüpfrigen Red Bull geradeaus fliegen. Und macht Verstappen und Sergio Perez aus der zweiten Reihe im Rennen zur Gefahr für die Ferrari.

Saudi-Arabien im Kopf
Vielleicht kommt es zur Wiederholung des GP Saudi-Arabien, als Leclerc und Verstappen Katz und Maus miteinander spielten. Mit dem besseren Ende für den Weltmeister. Drei DRS-Zonen halfen ihm, die Ferrari-Speerspitze damals niederzuringen. Auch in Miami darf der Verfolger drei Mal den Flügel flachstellen, sofern er innerhalb einer Sekunde zum Vordermann liegt. "Wir müssen schauen, dass wir in den Kurven weit genug wegkommen, damit sie auf den Geraden nicht attackieren können", fordert Leclerc.
Der Start wird besonders wichtig. Dort will Ferrari die Doppelführung halten, was allerdings kompliziert sein dürfte. Weil Sainz von der schmutzigen Seite startet. "Wir haben die FIA bereits gebeten, die Strecke so gut es geht zu säubern, um ähnliche Verhältnisse auf beiden Seiten zu schaffen", erzählt der Spanier. Abseits der Ideallinie ist der Asphalt nicht griffig genug. Ähnlich war es bei der US-Premiere 2012 in Austin. Verstappen meint sarkastisch: "Ich habe keine Ahnung, wie es rechts oder links in der Startaufstellung um den Grip bestellt ist. Ich konnte ja nie einen Start üben. Das fasst ziemlich gut mein bisheriges Wochenende zusammen."
Eine Frage ist, ob das Überholen einfach oder schwer wird. Drei Geraden und DRS-Zonen laden eigentlich dazu ein. Doch neben der Rennlinie liegen viele Schnipsel und Steinchen, die aus dem Asphalt brechen. "Das fühlt sich an wie auf einer nassen Fahrbahn", sagt Sainz. Oder wie auf Rollsplitt. "Späte Ausbremsmanöver dürften sich als schwierig gestalten. Am besten hat man das Überholmanöver schon vor dem Bremspunkt abgeschlossen." Verstappen könnte das mit dem Topspeed-Überschuss gelingen. Im Rennen will er kontern, und das Pendel zu seinen Gunsten schwingen lassen. "Für die wenigen Daten, die wir gesammelt haben, ist die Fahrzeugbalance ganz gut."