Für Charles Leclerc ist der Traum vom WM-Titel ausgeträumt. Die Chance war ohnehin nur winzig klein. Drei Rennen vor Saisonende beträgt der Rückstand des Ferrari-Fahrers auf Max Verstappen 86 Punkte. Exakt die Menge an Punkten, die er noch einsammeln könnte, wenn er alle drei Rennen und den Sprint in Katar gewinnt und drei Mal die schnellste Rennrunde fährt. Gleichzeitig müsste Verstappen komplett leer ausgehen. Und wäre mit der größeren Anzahl an Siegen immer noch vor Leclerc.
Ferrari kann sich damit voll auf die Konstrukteurs-WM konzentrieren. Der WM-Zweite steht strategisch gar nicht so schlecht da. McLaren muss immer noch an zwei Fronten kämpfen, auch wenn die Titelchancen von Lando Norris dramatisch schlechter geworden sind. Red Bull ist weiter ein Einmann-Team.

Charles Leclerc war bereits vor dem Brasilien-Wochenende skeptisch.
Kein Durchmarsch wie in Austin oder Mexiko
Für den ersten Konstrukteurs-Titel seit 2008 muss Ferrari noch 36 Punkte auf McLaren aufholen. 147 Zähler liegen noch auf dem Tisch. Der GP Brasilien hat die Aufgabe schwerer gemacht. Ferrari verlor gegen McLaren sieben Punkte, gegen Red Bull zwölf. Für die Mission Titelgewinn tut der Nuller von Carlos Sainz am Sonntag doppelt weh.
Charles Leclerc ging schon mit gemischten Gefühlen in den viertletzten Lauf dieser Saison. Im Gegensatz zum Rest des Teams vertrat er im Vorfeld die Meinung, dass Interlagos im Restprogramm zu den schwierigeren Prüfungen für den Ferrari zählt. Er behielt Recht. Das erste Training und die Sprint-Qualifikation ließen bereits ahnen, dass der GP Brasilien kein Durchmarsch wird wie die Rennen in Austin und Mexiko.

Im Sprint fraßen die Ferrari ihre Hinterreifen zu stark auf.
Hoher Verschleiß der Hinterreifen
Als die Ferrari-Piloten nur auf den Startplätzen drei und fünf gelandet waren, sprach Teamchef Frédéric Vasseur von Fehler bei der Fahrzeugabstimmung. Die gleichen Platzierungen im Sprint bestätigte die Einschätzung. Die vielen Bodenwellen, verbunden mit dem Höhersetzen des Autos, bekam den beiden SF-24 nicht gut. Das Wetter lieferte da noch keine Entschuldigung. Am Freitag und Samstagvormittag war es noch warm. Das mögen die Ferrari.
Im Vergleich zu McLaren und Red Bull fehlte den Ferrari nicht nur der Speed. Sie konnten auch in ihrer Paradedisziplin nicht punkten. Leclerc musste ab der 16. Runde die beiden McLaren an der Spitze ziehen lassen. Carlos Sainz konnte von Anfang an das Tempo der Spitzenreiter nicht mitgehen. Der hohe Verschleiß der Hinterreifen trieb Leclerc in immer mehr Fehler, die schließlich darin resultierten, dass Max Verstappen vorbeiziehen konnte. Der Rückstand auf den Sprint-Sieger Lando Norris betrug am Ende 5,6 Sekunden.

Red Bull war in Interlagos schneller als Ferrari. Die Roten waren nur dritte Kraft.
Mal zu wenig, mal zu viel Abtrieb
Die Analyse des Mini-Grand Prix führte zu der Erkenntnis, dass man mit zu wenig Abtrieb unterwegs war. Das traf aber auch auf McLaren zu. Trotzdem feierten Norris und Piastri einen Doppelsieg. Nur Red Bull lag beim Abtriebsniveau richtig. Für die Qualifikation und das Rennen korrigierte Ferrari den Fehler, nur um gleich den nächsten zu machen. Im Rennen fuhren die roten Autos mit zu viel Anpressdruck.
Leclerc und Sainz fehlte der Topspeed zum Überholen. Sie mussten auf Fehler anderer warten, um Plätze zu gewinnen. Und noch etwas zeigte sich. Der Ferrari SF-24 ist kein Auto für Regen. Das konnte man auch schon in Montreal beobachten. Bei kühlen Bedingungen tun sie die Ferrari schwer, Temperatur in die Intermediates zu bringen.

Carlos Sainz stopfte den SF-24 in die Wand. Leclerc wurde im Rennen Fünfter.
Unglückliches Boxenstopp-Timing
Leclerc betrieb mit Platz fünf Schadensbegrenzung. Immerhin kam er vor beiden McLaren ins Ziel. Sainz crashte im Rennen ein zweites Mal. Der Mexiko-Sieger entschuldigte sich: "Ich fand im Regen nie ein Gefühl für das Auto. Es war der falsche Weg, das mit mehr Risiko zu kompensieren."
Vasseur gab zu: "Die Abstimmung der Autos passte nicht. Und das Timing unserer Boxenstopps war unglücklich." Leclerc kam als erster Fahrer im Feld unter Renntempo an die Box. Man wollte ihn mit dem Undercut aus dem Verkehr holen und schickte ihn in einen anderen Pulk hinein.
Jetzt setzt Ferrari in Las Vegas auf Wiedergutmachung. Der Stadtkurs im Zockerparadies ist von der Papierform die beste Strecke für den WM-Zweiten. Da kratzte man schon im Vorjahr am Sieg. Die größte Sorge sind die Temperaturen in der Nacht. Wenn die zu stark in den Keller fallen, könnte Ferrari das Gleiche blühen wie am Sonntag in Interlagos.