Ferrari-Rückfall im GP England: Pleite für Rot

Ferraris Rückschlag beim GP England
Hoffnung auf Budapest

GP Großbritannien 2023

Fast die Hälfte der Saison ist vorbei. Es spricht einiges dafür, dass Ferrari ein siegloses Jahr erlebt. Im Moment ist es schwer vorstellbar, wer Red Bull und Max Verstappen zu Fall bringen soll, wenn es nicht das Schicksal tut. Ferrari schleppt dafür noch zu viele Probleme mit sich herum. Teamchef Frederic Vasseur weicht auf die Frage aus, ob und auf welcher Strecke er die beste Chance für seine Mannschaft sieht. "Wir wechseln uns mit McLaren, Aston Martin und Mercedes in der Verfolgerrolle ab. Unser Ziel muss es erstmal sein, der Schnellste dieser Gruppe zu werden."

Das waren in Silverstone die McLaren. "Das Profil passte besser zu ihrem Auto als zu unserem. In Österreich war es noch anders herum." Der starke Auftritt des Teams aus Woking muss Ferrari wie Mercedes eigentlich schwer zu denken geben. Auch wenn sie es öffentlich schönreden. Man sehe am Beispiel von McLaren, was durch Neuentwicklungen unter der Saison möglich sei.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff spricht davon, dass McLaren sich um eine Sekunde verbessert habe. Nur müsste man sich bei Ferrari und Mercedes eher die Frage stellen, wieso McLaren so zulegen kann und man selbst nicht. Der Rennstall aus Woking hat einen schlechteren Windkanal, einen schlechteren Simulator und beschäftigt weniger Ingenieure. Kleiner Einschub: In Silverstone passte für McLaren auch alles: Reifen, Wetter, Streckenprofil. Wir müssen daher erstmal Budapest abwarten, ob den Papaya-Autos tatsächlich ein Quantensprung gelungen ist.

Charles Leclerc - Ferrari - GP England 2023 - Silverstone
Wilhelm

Ferrari und die Reifen

Die Gesetze der Groundeffect-Autos machen es nahezu unmöglich, einen Allrounder zu bauen. Wer schnell in langsamen Kurven sein will, braucht viel Abtrieb bei höherer Bodenfreiheit. Wer in schnellen Passagen glänzen will, muss so nah wie möglich am Boden fahren können, ohne von Bouncing oder Bodenwellen ausgehebelt zu werden. Beides in Einklang zu bringen, damit die Aerodynamik unabhängig von tief oder hoch funktioniert, ist fast ausgeschlossen. Red Bull kommt dem Ideal aber am nächsten.

Ferraris Paket harmoniert am besten mit langsameren Ecken. Deshalb hatte man schon vor Silverstone Bedenken. Nach den 52 Runden waren sich Charles Leclerc und Carlos Sainz einig. "Das war ein schweres Rennen." Nach ansprechender Pace in Training und Qualifikation waren die roten Autos am Sonntag nicht so schnell wie erhofft. Man sah es schon im ersten Rennteil als Max Verstappen zusammen mit den McLaren im Rücken Leclerc mehr und mehr davonzogen. Der Monegasse hatte alle Hände voll damit zu tun, den weicher bereiften George Russell hinter sich zu halten. Nicht immer war Russell einverstanden mit den Verteidigungsmanövern des Ferrari-Piloten, speziell auf der Bremse.

Die Updates haben die Performance in schnellen Kurven gebessert, aber nicht die grundsätzliche Schwäche behoben. Es fehlt dort noch immer an Stabilität. Zu wenig Abtrieb lässt die Reifen leiden. In Silverstone sollen im Rennen die hinteren Pirellis am Ferrari zu heiß geworden sein. Die Reifenabnutzung ist weiter tief in den Köpfen der Ingenieure eingenistet. Und treibt sie zusammen mit mangelnder Pace in falsche Strategien.

Frederic Vasseur - Ferrari - GP England 2023 - Silverstone
Wilhelm

Wenig Erfahrung auf den Softs

Ferrari stoppte mit Leclerc in Runde 18 zu früh. "Wir hatten Angst, dass der Reifenabbau am Ende des Stints zu hoch sein würde. Wir befanden uns im Kampf mit Russell, und wollten die Position nicht verlieren." Sainz dehnte den ersten Stint acht Runden länger aus. "Leider kam das Safety Car für mich zur denkbar schlimmsten Zeit heraus", fluchte der Spanier. Es tauchte sieben Runden später auf der Rennstrecke auf. Der jeweils frühe Boxenhalt warf die Ferrari von den Plätzen vier und sechs auf die Ränge sieben und zehn. Leclerc war noch ein zweites Mal drin, um sich für den Schlusssprint mit frischen Reifen zu rüsten.

Wieder verzichtete der Kommandostand auf die weiche Mischung. Ferrari traute sich die rotmarkierten Kleber nicht zu. Aus Sorge vor Graining und einem möglicherweise zu hohen Abbau. "Wir waren mit hart und medium zu konservativ", gab Teamchef Frederic Vasseur zu. "Der Reifenabbau war geringer als erwartet." Den Ferrari-Ingenieuren fehlten auch die Daten, nachdem Leclerc den wichtigen Longrun im zweiten Freitagstraining nach Elektrik-Schaden nicht antreten konnte. Am Beispiel Russell, der trotz voller Tanks 28 Runden auf den Softs durchhielt, hätte es Ferrari allerdings sehen müssen. Man scheute das Risiko.

Die Scuderia bezahlte die Vorsicht mit einem schlechten Ergebnis. Die Zielflagge sahen die Ferrari-Piloten auf den Plätzen neun und zehn. Das brachte dem Rennstall aus Maranello nur drei Punkte. Ein kleiner Trost: Aston Martin auf dem dritten WM-Platz vor Ferrari erzielte mit sechs Zählern ebenfalls eine magere Ausbeute. Beide Teams eint die Hoffnung, es auf dem technischen Kurs von Budapest besser machen zu können.

Carlos Sainz - Ferrari - GP England 2023 - Formel 1 - Silverstone - Qualifikation
Wilhelm

Verträge bei Ferrari

Der Hungaroring ist deutlich langsamer als Silverstone. Die Abstimmung fällt leichter, weil sich die Kurven in der Geschwindigkeit nicht so spreizen. Alle fahren maximalen Abtrieb, was die aerodynamische Effizienz in den Hintergrund rücken lässt. Vasseur fordert mehr Beständigkeit im System. "Hinter Red Bull ist das Feld unheimlich eng zusammen. Oft entscheiden ein oder zwei Zehntel, ob du ein gutes oder schlechtes Wochenende hast. Wir müssen in Budapest sicherstellen, dass wir einen reibungslosen Freitag erleben. Und dass wir über das Setup dieses Extra-Zehntel finden."

Ferraris Rennleiter versuchte nach dem Rennen in Silverstone auch das Positive herauszukehren. "Wir haben klar ersichtlich an unserer größten Schwäche gearbeitet: die Stabilität über einen Stint hinweg und die Konstanz. Diesbezüglich ist uns durch die Upgrades der letzten Woche ein Schritt gelungen." Außerdem sei der Ferrari nicht mehr so anfällig bei Wind. "Darunter hatten wir beispielsweise in Miami viel mehr gelitten." Eine Baustelle bleibt: "In Turbulenzen straucheln wir mehr als viele andere." Schlimmer ergeht es nur Haas.

Im Hintergrund tauchen Gerüchte zu den Fahrern auf. Vasseur hatte in den letzten Wochen oft betont, keine Eile zu haben, die Verträge seiner Piloten in Kürze zu verlängern. Man habe andere Prioritäten – und zwar, das Auto schneller zu machen. Sowohl Leclerc als auch Sainz sind noch bis Ende 2024 an die Scuderia gebunden. Gerüchten zufolge soll Sainz jedoch auf eine schnellere Entscheidung drängen. Leclerc dagegen spiele eher auf Zeit.