WM-Aus: Woher kommt Ferraris hoher Reifenabbau?

Leclercs WM-Aus besiegelt
Woher kommt Ferraris hoher Reifenabbau?

GP Japan 2022

Das Muster kennen wir seit der Sommerpause. Ferrari ist schnell auf eine Runde, aber kein Herausforderer mehr für Red Bull im Rennen. Spa-Francorchamps bildete die Ausnahme. Dort hatte Ferrari nicht mal in der Qualifikation eine Chance. Max Verstappen fuhr dort in allen Disziplinen in einer eigenen Liga. Suzuka verlangt Ähnliches vom Auto. Nicht so ausgeprägt, aber ein effizientes Paket ist auf dem 5,807 Kilometer langen Kurs ebenfalls wichtig. Beide Ferrari-Piloten hätten auf Pole Position stehen können. Sie verloren den Tausendstel-Krimi, weil ihnen im letzten Sektor bereits die Reifen abbauten.

Die S-Kurven, die ultralange Löffelkurve und die 130R saugen die Reifen aus. Im Rennen regnete es. Und wieder begann das rote Auto nach ein paar Runden seine Reifen zu stark zu beanspruchen. "Charles hat voll attackiert. Dabei hat er sich schnell die Reifen zerstört. Das müssen wir uns im Team zusammen mit ihm anschauen, um zu verstehen, was wir besser machen können", schildert Teamchef Mattia Binotto.

Es war wie in Singapur. Leclerc hielt damals anfangs auf den Intermediates mit Sergio Perez mit und fiel hinten heraus ab. Gegen Verstappen büßte er in Suzuka bis ins Ziel sogar über 27 Sekunden ein. "Die ersten vier oder fünf Runden nach dem Neustart waren wir sehr schnell. Das Rennen geht leider länger. Es ging nur noch darum, irgendwie zu überleben", erklärte Leclerc.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Japan 2022 - Suzuka
Wilhelm

Ferrari frisst Intermediate-Vorderreifen

Leclercs Vorderreifen waren im Ziel völlig abgefahren. Natürlich hatte Verstappen einen Vorteil. Der Weltmeister fuhr mit freier Sicht nach vorne. An der Spitze bestreitet man ein anderes Rennen. Man kann sich besser die Reifen einteilen, sie in gewissen Kurven schonen. Der Verfolger muss ja irgendwie schauen, wie er dranbleiben und im besten Fall sogar überholen kann. In dieser Situation darf man es nicht zu vorsichtig angehen lassen. Leclerc hatte auch den etwas kleineren Flügel am Auto. Weniger Abtrieb, gleich mehr Rutschen, gleich mehr Abnutzung.

Und doch muss Ferrari die Reifensituation umtreiben. In der ersten Saisonhälfte war das rote Auto schließlich kein Reifenfresser. Der F1-75 ist es erst nach der Sommerpause geworden. Seit die FIA die Technische Direktive TD039 eingeführt hat. Gegen Bouncing und zum besseren Schutz der Planke am Unterboden. Die Abnutzung der Bodenplatte und deren Steifigkeit werden genauer kontrolliert. Im Fahrerlager heißt es, Ferrari habe daraufhin umbauen müssen, was dem Auto Fahrkomfort geraubt hat.

Zwischen Unterboden und Chassis soll zuvor ein kleiner Abstand gewesen sein – erzählt man sich. Und dort soll ein spezielles Füllmaterial die Dämpfung verbessert haben. Laut dieser Theorie war der Ferrari immuner gegen Bodenwellen. Ob das stimmt? Das wissen zu 100 Prozent nur Ferrari und die Inspekteure der FIA. Fest steht: Der Leistungsabfall beim Reifenmanagement und die TD kamen zum gleichen Zeitpunkt. Ferrari tut sich immer schwerer, den Zusammenhang von der Hand zu weisen. Die Konkurrenz will beobachtet haben, dass das rote Auto höher gefahren werden muss. Das kostet Abtrieb und Balance.

Neuer Ferrari-Unterboden funktioniert

Ferrari hatte für den GP Japan am Unterboden nachgebessert. Der Teamchef zeigt sich zufrieden. "Er funktioniert, wie wir es uns erwartet hatten", sagt Binotto. "Wir haben ihn am Freitag im Regen getestet. Dort konnten wir begrenzt Erfahrungswerte sammeln. Im dritten Training auf einer trockenen Strecke haben wir mehr gelernt. Die Daten bestätigen den Entwicklungsschritt."

Am mangelnden Speed liegt es nicht. "Die Pace auf eine Runde ist da. Wir müssen nun schauen, was wir beim Reifenmanagement anders machen können." Leclerc wäre wohl auf Pole gestanden, hätte er keinen älteren, sondern einen frischen Motor im Rücken. GPS-Daten offenbaren, dass der Monegasse gegenüber dem Teamkollegen auf den Geraden etwas Zeit einbüßte. Es spricht einiges dafür, dass es bei Ferrari in den letzten vier Rennen noch einmal zu einem Motorenwechsel kommt. Austin würde sich dafür als Rennstrecke anbieten.

Augenscheinlich mieden es die Ferrari-Fahrer auch, die Randsteine der Zielkurve zu stark mitzunehmen. Die Konkurrenz war hier aggressiver unterwegs. Vielleicht mag es der italienische Sechszylinder-Turbo nicht, wenn er zu sehr durchgeschüttelt wird. Die Zuverlässigkeit bereitete Ferrari ja schon mehrfach Kopfzerbrechen. Die Ventile sollen Probleme bereiten. Die alte Stärke auf Randsteinen, die man zu Saisonbeginn noch hatte, ist verschwunden.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Japan 2022 - Suzuka
Wilhelm

Timing der FIA ärgert Ferrari

Dass man den zweiten Platz nachträglich an Sergio Perez abtreten musste, wurmte die Scuderia ebenfalls. "Charles war vor der Kurve vorn, und danach. Der Abstand blieb gleich. Wo war da bitte der Vorteil?", klagte Binotto, der im nächsten Atemzug sagte. "Wir akzeptieren es, wundern uns aber darüber, dass dieses Mal innerhalb weniger Minuten eine Entscheidung getroffen wurde. Ohne, dass sich die Sportkommissare die Fahrer anhörten."

Sein Fahrer akzeptierte das Urteil dagegen klaglos: "Ich wusste nicht einmal, dass es die letzte Runde war. Ich habe einen Fehler begangen und bin geradeaus gefahren. Ich denke, die Strafe ist die richtige Entscheidung." In Singapur wurde die Bestrafung noch anders gehandhabt. Eine Woche zuvor hatten die Stewards ihre Entscheidung bis nach dem Rennen hinausgezögert und Perez die Chance eingeräumt, sich zu verteidigen. Stringent ist das nicht. Da sollte die FIA zwingend an ihrem System arbeiten.