Ferrari in Kritik: Mercedes-Strategen entlasten

Ferrari übt Selbstkritik
Mercedes entlastet Ferrari-Strategen

GP Monaco 2022

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto war sichtlich angespannt. Schon wieder ein Rennen, das man gegen Red Bull gewinnen hätte müssen. Ein Rennen, in dem der Ferrari wie in Barcelona das schnellere Auto als der Red Bull war. Auf Strecken, auf denen maximaler Abtrieb zählt, können die Ferrari-Fahrer von ihrem Kurvenspeed zehren. Da spielt Topspeed keine Rolle.

Wer Weltmeister werden will, muss seine Heimspiele gewinnen. In Barcelona spielte die Technik Ferrari einen Streich. Charles Leclerc wurde seiner Führung durch einen Turboladerschaden beraubt. Carlos Sainz verlor im Kiesbett zwölf Sekunden. Am Ende stand es 44:12 Punkte für Red Bull. Beide WM-Führungen waren beim Teufel.

Mattia Binotto - Ferrari - GP Monaco 2022
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Ferraris Fehleinschätzungen & Fehler

In Monte Carlo plante Ferrari den Konter. Und legte mit Startplätzen in der ersten Startreihe auch optimal los. Im Rennen schien die Sonne für den Herausforderer nur bis zur 17. Runde. Dann ging schief, was schiefgehen konnte. Aus den Positionen 1 und 2 wurden die Plätze 2 und 4. Der haushohe Favorit Charles Leclerc fiel von einem Extrem ins andere. Innerhalb von sechs Runden wurde aus einer Führung von 6,2 Sekunden ein 4,4 Sekunden Rückstand auf den neuen Führenden Sergio Perez. Mit Carlos Sainz und Max Verstappen zwischen drin.

Binotto weigerte sich von Pech und unglücklichen Umständen zu sprechen. "Wir hätten heute mit beiden Fahrern gewinnen können und haben Fehler in unserer Einschätzung und dem Timing der Boxenstopps gemacht." Binotto bezog sich dabei besonders auf die beiden Reifenwechsel von Leclerc. Der erste auf Intermediates kam zu spät, der zweite auf Slicks zu früh. Und im Rückblick hätte man sich wie bei Sainz den ersten Wechsel auch ganz sparen können.

Früh auf Intermediates, spät auf Slicks

Auf der abtrocknenden Piste in Monte Carlo trat eine Situation ein, die es nur ganz selten gibt. Die Spur wurde so schnell trocken, dass man direkt von Regenreifen auf Slicks wechseln konnte, ohne den Umweg über Intermediates zu nehmen. Binotto verriet: "Wir hatten das auf dem Schirm. Das hat Hamilton 2016 so praktiziert und damit gewonnen."

Manche Fahrer verbrachten nur drei Runden auf den Mischreifen. Das muss nicht unbedingt ein Fehler gewesen sein. Je nach Position im Rennen war es besser, einen Zusatzstopp einzulegen oder lieber extrem langsame Extrarunden auf den Extremwetter-Reifen in Kauf zu nehmen, um sich einen Stopp zu sparen.

Es hing immer davon ab, in welche Lücke man in den Verkehr fallen würde. Wer nach dem Stopp einen langsamen Fahrer vor sich hatte, verbrannte den ganzen Vorteil des besseren Grips. Das Dumme war, dass keiner wusste, welchen Zug der Gegner machen würde, der vor dem gleichen Dilemma stand wie man selbst.

Prinzipiell stellte sich bei der ganzen Rechnerei eine goldene Regel heraus: Es war besser, etwas früher auf Intermediates zu tauschen und etwas später auf Slicks. Warum? Weil der Intermediate ein bisschen schneller auf Temperatur kam als die harte Gummimischung der Slicks. Und weil man mit dem Intermediate notfalls auch auf die nasse Spur ausweichen konnte.

Perfektes Wechselfenster für Perez

Red Bull machte mit Sergio Perez alles richtig. Mit den Runden 16 und 22 erwischte er das perfekte Wechselfenster. Ferrari machte es mit Leclerc in den Runden 18 und 21 am schlechtesten. Max Verstappen kam zeitgleich mit Leclerc zum Wechsel auf Intermediates an die Box, wartete aber wie Perez mit den Slicks jeweils eine Runde länger.

Der Fall Sainz ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel auch vom Zufall abhing. Sainz beschränkte sich als einziger aus der Spitzengruppe auf einen Boxenstopp. Das hätte auch zum Sieg gereicht, hätten nicht zwei Faktoren gegen den Spanier gesprochen. Faktoren, die Ferraris Strategen so nicht vorausahnen konnten. Perez hatte nach seinem Wechsel auf Intermediates freie Fahrt, weil Lando Norris vor ihm in die Boxengasse abbog. Und Sainz hatte eine halbe Runde den überrundeten Nicholas Latifi vor der Nase.

Charles Leclerc- Formel 1 - GP Monaco  2022
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Leclerc musste 3,5 Sekunden warten

Der Mercedes-Kommandostand nahm seine Kollegen von Ferrari zum Teil in Schutz: "Wenn du in Führung liegst, machst du nicht gern den ersten Zug. Du willst gerade in Monaco deine Position auf der Strecke nicht herschenken." Red Bull hatte es mit Perez leichter gehabt. Der konnte nur gewinnen. Und er wurde als Lockvogel für Ferrari eingesetzt. Was Ferrari auch nicht einschätzen konnte war, wie die Gegner bei den ständig wechselnden Bedingungen reagieren würden. Denn eigentlich machten alle ab der 6.Runde das Falsche. Ab da waren Intermediates schneller als Regenreifen. Pierre Gasly und Sebastian Vettel erwischten den idealen Zeitpunkt zum Wechsel, blieben aber im Verkehr hängen, weil die anderen stur auf ihren Regenreifen weiterfuhren.

Der größte Fehler war sicher, Leclerc gleichzeitig mit Sainz an die Box zu rufen. Der Abstand der beiden war so knapp, dass Leclerc bei der Abfertigung absehbar warten musste. Seine Durchfahrtzeit durch die Boxengasse war um 3,5 Sekunden länger als die von Sainz. So verlor der Trainingsschnellste auch noch die Position auf Verstappen, der auf den Intermediates unbedrängt noch eine Runde fahren konnte. Mit einer Zeit von 1.27,259 Minuten war der Weltmeister dabei deutlich schneller als Leclerc in seiner ersten fliegenden Runde auf den harten Gummis.

Binotto begründete die Aktion mit dem Plan eines Undercuts gegen Red Bull, so wie es Red Bull beim Wechsel auf Intermediates mit Perez gelungen war. Doch der Effekt des früheren Boxenstopps war beim späteren Sieger nur so stark, weil sich Ferrari zwei Runden Zeit ließ, darauf zu reagieren.

Dass der Doppelstopp nicht funktionieren konnte merkten die Ingenieure an Ferraris Boxenstand noch bevor er abgewickelt wurde. Leclerc wurde gebeten auf der Strecke zu bleiben. "Da war ich schon längst in der Boxengasse", ärgerte sich der gestrauchelte Favorit. Seine bittere Erkenntnis: "Wir arbeiten an der Aufarbeitung des Problems und werden daraus lernen."