Ferrari-Doppelsieg Bahrain: schnell & zuverlässig

Ferrari schnell und zuverlässig
Scuderia hat das kompletteste Paket

GP Bahrain 2022

Das nennt man einen Traumstart: Pole Position, Doppelsieg, schnellste Rennrunde, maximale Punktausbeute von 44 Zählern. Ferrari hat über den Winter ganze Arbeit verrichtet. Der F1-75 ist aktuell das ausgereifteste Paket. Das Auto glänzt mit Abtrieb, einem gutmütigen Fahrverhalten, einem schonenden Umgang mit den Reifen, dem stärksten Motor im Feld und seiner Zuverlässigkeit. Red Bull kämpfte phasenweise um den Sieg, war auf Kurs zu einem Podest, doch der Herausforderer stolperte über die Standfestigkeit.

Ferrari scheint dagegen kugelsicher zu sein. Weder bei den sechstägigen Testfahrten noch am ersten Rennwochenende der Saison hatte die Scuderia mit technischen Gebrechen zu kämpfen. Maranello beglückte sich selbst mit einem Doppelsieg. "Dieser Sieg ist die Belohnung für zwei Jahre harte Arbeit", erläuterte Sieger Charles Leclerc, der zugleich festhielt. "Wir sind dabei. Wir können mit diesem Auto kämpfen." Teamkollege Carlos Sainz fasst zusammen: "Ferrari ist zurück im Kampf. Ferrari ist dort, wo es hingehört."

Der Teamchef freut sich natürlich, bremst gleichzeitig jedoch die Euphorie. "Von einem Doppelsieg konnten wir nicht einmal träumen. Das ist also ein hervorragender Start für uns. Unsere Basis ist gut. Ich denke aber, dass wir vier bis fünf Rennen abwarten müssen, bis wir eine aussagekräftige Hackordnung im Feld haben." Für Ferrari war es übrigens der erste Doppelerfolg seit Singapur 2019.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Bahrain 2022 - Sakhir
xpb

Ferrari schont Reifen

Der frühe Entwicklungsstopp mit dem alten Auto hat sich für Ferrari ausgezahlt. Die Ingenieure haben ganze Arbeit geleistet – sowohl in der Chassis- als auch in der Motorenabteilung. Der Sechszylinder-Turbo aus Maranello gilt als das Maß der Dinge im Feld. Man hört, dass Ferrari sogar mehr Leistung mobilisiert als noch im letzten Jahr. Trotz der Umstellung auf E10-Benzin. Mercedes und Honda mussten dagegen federn lassen. Renault hat offenbar auch zugelegt, kommt aber von weit hinten.

Leclerc münzte seine Pole Position am Start in die Führung um. Der Monegasse enteilte seinem Verfolger, Max Verstappen im Red Bull, in jedem Stint. Red Bulls Ingenieure rechneten vor, im Schnitt drei Zehntel langsamer gewesen zu sein als das rote Auto. Ferrari fuhr mit mehr Abtrieb. Man kann es sich mit seinem Motor leisten. Red Bull bezahlte für kleinere Flügel mit stärkerem Reifenabbau.

Zum Zusammenschluss der Sieganwärter kam es bei den Boxenstopps. Red Bull machte jeweils den ersten Zug, Ferrari reagierte einen Umlauf später. Ein Vorsprung von 3,7 Sekunden reichte Leclerc vor dem ersten Reifenwechsel nicht, um sicher in Führung zu bleiben. Der Undercut mit frischen Reifen war in Bahrain ein mächtiges Strategie-Instrument.

Max Verstappen - Charles Leclerc - GP Bahrain 2022 - Sakhir
xpb

Duell Leclerc vs. Verstappen

Leclerc machte es selbst spannend. "In der Inlap habe ich einen kleinen Fehler begangen. Dazu war der Reifenwechsel nicht schnell. Es hakte vorne rechts. In der Outlap war ich zu vorsichtig mit den Reifen. Ich wusste nicht, wie viel Grip sie mir liefern würden." So entbrannte in den Runden 17, 18 und 19 ein Duell, das jetzt schon seinen Platz in den Saisonhighlights hat. Verstappen und Leclerc überholten sich drei Mal gegenseitig. Der Niederländer ging in der ersten Kurve vorbei, der Ferrari-Pilot konterte stets erfolgreich vor Kurve vier.

Der 24-Jährige trickste seinen Rivalen aus. Leclerc wusste, dass er den heranstürmenden Red Bull mit DRS auf der Zielgeraden schwer würde halten können. Deshalb konzentrierte er sich darauf, sauber zu fahren, und früher zu bremsen als nötig, um am Messpunkt für das DRS für die folgende Gerade hinter Verstappen zu sein. "Sonst hätte er mich mit DRS in Kurve vier überholt." Das brachte ihm selbst den Vorteil, nach den ersten drei Kurven den Heckflügel umzuklappen, und mit Überschuss vorbeizuziehen. Der Zweikampf könnte ein Vorgeschmack auf ein WM-Duell sein. "Das war hartes und gleichzeitig faires Racing, wie ich es mag. Wir haben uns beide den notwendigen Platz gelassen", schildert Leclerc.

Es war das einzige Mal, dass es so richtig brenzlig für Leclerc an der Spitze wurde. Für den zweiten Reifenwechsel hatte er mit einem Vorsprung von 4,1 Sekunden mehr Luft. "Da waren die Reifen noch besser in Schuss." Je länger die Stints dauerten, desto mehr profitierte Ferrari vom pfleglicheren Umgang mit den Pirellis.

Carlos Sainz - Ferrari - GP Bahrain 2022 - Sakhir
xpb

Ferrari wollte durchfahren

Red Bull wollte die Scuderia mit einem dritten Reifentausch aus der Reserve locken. Diesmal blieb der direkte Konter aus. Ferrari hielt Leclerc auf der Strecke. Man wollte auf den Mediumreifen ins Ziel fahren. "Meine Reifen haben sich gut angefühlt. Trotzdem habe ich die Entscheidung hinterfragt. Aber der Kommandostand hat den besseren Überblick, das Team mehr Daten. Sie haben mir klar gemacht, dass es der richtige Weg ist."

Der Teamchef erläutert die Hintergedanken. "Die Reifen waren in gutem Zustand. Wir hatten genug Saft und Vorsprung. Wir haben uns auf der sicheren Seite gefühlt. Ein zusätzlicher Boxenstopp fühlte sich nach mehr Risiko an." Leclercs Vorsprung zu Verstappen betrug über 27 Sekunden. Die hätte der Weltmeister in 13 Runden aufholen müssen. Und Leclerc auch noch überholen. Red Bulls Sportchef Helmut Marko glaubt: "Zwei oder drei Runden vor Schluss wären wir zu ihm aufgeschlossen."

Ein spätes Safety Car zwang Ferrari, doch noch eine weitere Garnitur der Softreifen aufzuziehen. "Als zunächst das Signal für VSC kam, war ich sehr erleichtert", sagt Leclerc. Das hätte ihm einen Gratis-Stopp mit geringem Zeitverlust beschert. "Als es in ein echtes Safety Car umgewandelt wurde, war mein ganzer Vorsprung weg."

Sainz und Ferrari einig

Der dreimalige GP-Sieger meisterte auch diese Situation. Als Verstappens Red Bull versagte, war er seinen Verfolger los. Und der Weg frei für den Doppelsieg. Leclerc konnte seine Mannschaft sogar veräppeln. "Ich habe noch gescherzt, dass es ein Problem mit dem Motor gibt. Da haben die Ingenieure wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen." 2019 hatte ihn ein Motor-Problem den sicheren Bahrain-Sieg gekostet. Damals lief das Triebwerk nur noch auf fünf Zylindern.

Der Teamkollege konnte das Tempo nicht mitgehen. Carlos Sainz resümierte selbstkritisch. "Ich hatte nur in Q2 und Q3 ein gutes Tempo. Ansonsten konnte ich das Potenzial des Autos nicht umsetzen. Die frischen Reifen haben meine Defizite maskiert. Ansonsten fehlten mir stets drei Zehntel zu Charles. Er fährt besser. Ich kämpfe mit dem Heck und strapaziere die Reifen mehr."

Ohne Umschweife gibt der Spanier zu: "Das war mein schlechtestes Wochenende für Ferrari. So weit weg war ich 2021 nie weg. Aber wenn jedes schlechte Wochenende mit einem zweiten Platz endet, nehme ich das an." Nicht nur das gute Ergebnis erfreute ihn. Sondern auch die bald anstehende Vertragsverlängerung. Fahrer und Team sind sich handelseinig. "Wir müssen es nur noch zu Papier bringen", berichtete Teamchef Binotto.