Es gab einmal eine Zeit, da war die Formel 1 ein Sport für junge Menschen. Max Verstappen schlug 2016 alle Rekorde, als er im Alter von 17 Jahren und 166 Tagen der jüngste Fahrer wurde, der je einen Grand Prix bestritt. Da hatte der mittlerweile dreifache Weltmeister noch nicht einmal den Führerschein. Im Schnitt war der Formel 1-Fahrer in dieser Saison 26,17 Jahre alt. 2023 lag der Altersdurchschnitt der 20 Piloten bei 28,36.
Zwölf Fahrer in der Formel-1-Geschichte debütierten in einem Alter von unter 20 Jahren, acht davon nach 2000. 40 gilt nach oben als magische Grenze. Michael Schumacher hatte diese Schallmauer überschritten, als er von 2010 bis 2012 eine zweite Karriere wagte. Auch Kimi Räikkönen fuhr in seinen letzten beiden Jahren im Ü40-Club. Beide Fahrer machten jedoch den Eindruck, als hätten sie den Zenit ihrer Leistung bereits überschritten.
Nur zwei Fahrer in den letzten 30 Jahren
Fernando Alonso widerlegte in diesem Jahr die These, dass die Formel 1 den Jungen gehört. Der Spanier bestritt seine 20. Saison, setzte mit 378 GP-Starts neue Maßstäbe und schloss das dritte Jahr nach seinem Comeback als Vierter in der WM ab – vor angehenden Weltmeistern wie Charles Leclerc, Lando Norris oder George Russell.
Der nimmermüde Oldie beendete in der abgelaufenen Saison 19 der 22 Grands Prix in den Punkterängen und acht davon auf dem Podium. Das letzte beim GP Brasilien im Alter von 42 Jahren und 99 Tagen. Damit liegt Alonso in der ewigen Bestenliste gemeinsam mit Maurice Trintignant auf dem 14. Platz.
Von denen, die noch älter auf dem Podium feiern durften, stammt nur einer aus den letzten 30 Jahren. Michael Schumacher war bei seinem dritten Platz 2012 in Valencia 43 Jahre und 172 Tage alt. Und auch an Jacques Laffite können wir uns noch erinnern. Er wurde 1986 in Detroit im Alter von 42 Jahren und 213 Tagen Zweiter. Die meisten anderen sind in den 50er Jahren gefahren (siehe Tabelle unten).

In Brasilien fuhr Alonso den achten Pokal in dieser Saison ein und vergoldete damit eine Meisterleistung.
Mit Glück ein Podestplatz
Und wenn wir schon bei diesem Vergleich sind: Schumacher schaffte es in den drei Jahren nach seiner Rückkehr nur ein einziges Mal auf das Treppchen. Seine beste Platzierung in der Fahrerwertung war der achte Rang. Auf diesem Niveau startete auch Alonso seine zweite Karriere. Bei Alpine war schon eine Ankunft in den Punkterängen ein Erfolg. Immerhin schaffte es Alonso im Gesamtklassement beide Male in die Top Ten. Sein Highlight war der dritte Platz 2021 in Katar.
Als er im Winter zu Aston Martin wechselte, rechnete der älteste Fahrer im Feld damit, erst einmal Aufbauarbeit leisten und Steine fressen zu müssen. Als WM-Siebter des Vorjahres wirkte der britische Rennstall nicht wie ein Kandidat für Podestplätze.
"Wenn ich ehrlich bin", blickt Alonso auf den letzten Winter zurück, "dann habe ich mich bei 80 Prozent der Rennen in den Punkterängen erwartet, bei 50 bis 60 Prozent im Q3 und mit Glück vielleicht ein Mal auf dem Podium. Mit zwei Red Bull, zwei Mercedes und zwei Ferrari erschien mir ein Platz unter den Top 3 wie eine Mission Impossible."

Zum Start des Abenteuers mit Aston Martin lagen die Erwartungen von Alonso deutlich niedriger.
Extremer Fokus gewinnen zu wollen
Es kam anders. Spätestens nach dem Saisonauftakt wussten alle: Dieser Aston Martin AMR23 ist ein Auto für größere Aufgaben. Eines, das aus dem Nichts mitten in das Verfolgerfeld hinter Red Bull gesprungen war und mit Mercedes und Ferrari auf Augenhöhe fuhr.
Aus Sicht von Alonso fühlte es sich wie eine Rückkehr zu seinen Glanzzeiten an, fast schon zu schön, um wahr zu sein. Alonso landete in den ersten acht Rennen sechs Mal auf dem Podium. Erst als die Ingenieure versuchten, auch noch die Lücke zu Red Bull zu schließen, ging der Schuss nach hinten los. Danach kamen nur noch zwei Podestplätze in Zandvoort und Interlagos dazu.
Für Alonso keine Überraschung. Zu Beginn der Saison befanden sich die Gegner noch im Winterschlaf. Und als die Maschinerie der Topteams mal besser geölt war, hingen die Trauben logischerweise höher. "Für dieses Team war es eine neue Erfahrung, ständig im Spitzenfeld zu kämpfen. Und dafür haben wir uns viel besser geschlagen, als man erwarten durfte", relativierte Alonso. Im Gegensatz zu Alpine spürte er in seiner neuen Heimat "einen extremen Fokus gewinnen zu wollen".
Noch nehmen alle im Team Alonso als Mannschaftsspieler wahr, der sich in den Dienst der Sache stellt und die Truppe aufrichtet, wenn es mal nicht so läuft. Und einer, der immer das Maximum aus dem Auto rausholt. Alonso selbst bezeichnet sein Premierenjahr mit Aston Martin als seine "beste Saison seit 2012".

Monza bezeichnet Alonso als eine seiner besten Leistungen, obwohl der Spanier dort nur Neunter wurde.
Präzises Feedback ist schwierig
Die starken Schwankungen in der zweiten Saisonhälfte erklärte der Veteran damit, dass der AMR23 nur in einem kleinen Fenster funktionierte, und dass man mit gewissen Defiziten wie einem hohen Luftwiderstand und einem bescheidenen DRS-Effekt leben musste. Die Komplexität der Autos führte dazu, dass der Rennstall zwei Rennen opfern musste, um sich über die Entwicklungsrichtung im Klaren zu sein. "Nach Mexiko haben wir viele Dinge viel besser verstanden."
Manchmal stand selbst Alonso mit all seiner Erfahrung vor einem Rätsel: "Diese Autos sind schwieriger zu verstehen, weil das Feedback des Fahrers nicht mehr so eindeutig ist. Manchmal passt die Balance des Autos nicht und du wirst Dritter. Dann wieder fühlst du dich im Auto wohl und landest auf Platz 14. Es ist viel komplizierter geworden, einzelne Faktoren für ein bestimmtes Fahrverhalten herauszufiltern. Früher konnte man viel präziser sagen, ob das Problem von der Aerodynamik, dem Fahrwerk oder den Reifen kommt."
Erfahrung ist ein gutes Stichwort bei einem, der sich in seinen zwei Jahren Pause auch in Le Mans, Indianapolis und Wüsten-Rallyes ausprobierte. Gerade in Le Mans hat er viel gelernt, was ihm heute in der Formel 1 hilft. Er spricht dabei den berühmten Nacht-Stint an, der das Fundament zu seinem ersten Le-Mans-Sieg legte.
"Es gibt in der Nacht keine zwei Runden, die gleich sind. Es ist ein ganz anderes Niveau des Rennfahrens. Du musst im Verkehr die Reifenabnutzung und die Energie managen. Das verlangt einen konstanten Speed, um die Reifentemperatur in einem bestimmten Fenster zu halten. Dafür brauchst du einen Plan für die Überrundungen. Du darfst die langsamen Autos nicht im falschen Moment treffen. Ich habe versucht, mir die unterschiedlichen Rücklichter zu merken, um zu wissen, ob ich auf ein GT-Auto auflaufe, einen LMP2 oder LMP1."

Wie lange geht der Spaß noch weiter? Wann steigt Alonso endgültig aus dem Auto aus?
Alonsos Top 5 in der Saison 2023
Wenn er auf seine eigene Leistung 2023 zu sprechen kommt, dann schaffen es Monte-Carlo, Montreal, Zandvoort, Monza und Interlagos in die engere Auswahl seiner besten Saisonrennen. Monte-Carlo, weil er da die Pole-Position und damit wahrscheinlich auch den Sieg nur um 84 Tausendstel verpasst hat. Montreal, weil dort der Abstand zu Max Verstappen ohne die Hilfe eines späten Safety-Cars mit unter zehn Sekunden kleiner war als sonst. Zandvoort, weil er unter schwierigsten Bedingungen Zweiter wurde und beim Re-Start die Chance sah, Verstappen auszutricksen. "Das war eine von zwei Chancen zu gewinnen."
Die Verteidigungsschlacht beim GP Brasilien liegt auf der Hand. Es war die Demonstration eines Fahrers, der alle Tricks auspackte, die er in seiner langen Rennfahrerkarriere gelernt hatte, wie man einen Fahrer in Schach hält, der in einem schnelleren Auto sitzt.
Monza jedoch verlangt nach einer Erklärung. Da kam Alonso nur als Neunter ins Ziel. "Wir hatten in Monza das zweitlangsamste Auto im Feld. Es war schlicht unfahrbar. Das Rennen war ein einziger Überlebenskampf. Die zwei Punkte waren die schönste Belohnung, die man sich vorstellen kann."
Bei Alonsos hohem Alter ist die Frage erlaubt, wie viele Jahre er sich noch gibt. Selbstzweifel haben ihn noch nie geplagt, doch er gibt zu, dass der immer vollere Kalender an der Substanz nagt: "Ich werde mir nächstes Jahr anschauen, wie sich 24 Rennen anfühlen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht mehr die Leistung bringe, die ich von mir erwarte, bin ich der Erste, der die Hand hebt. Noch ist der Moment nicht gekommen." Im gleichen Atemzug verrät er: "Als ich 2007 für drei Jahre bei McLaren unterschrieb, dachte ich: Das war mein letzter Vertrag."