Unterboden: Profitiert Mercedes von neuen Regeln?

Streit um neue Unterboden-Regeln
Vorteil für Mercedes-Konzept?

Obwohl die Ingenieure das Bouncing der Autos immer besser in den Griff bekommen und von den Piloten öffentlich kaum noch Klagen kommen, will das Thema einfach nicht verschwinden. FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem hat angekündigt, in der Angelegenheit hart durchzugreifen. Der Weltverband befürchtet, dass die 2023er Autos mehr Abtrieb generieren und es für die Fahrer dann wieder ungemütlich wird.

Bin Sulayem hat in der Pause zwischen den Rennen in Spielberg und Le Castellet mehrere Fahrer persönlich angerufen, um sich selbst ein Bild darüber zu machen, wie schlimm die Problematik noch ist. Parallel dazu wurde in einem Meeting des Technical Advisory Committee, in dem die Verantwortlichen der FIA, der Formel 1 und die Entwicklungschefs der Teams sitzen, über mögliche technische Lösungen gesprochen.

Die Experten des Weltverbands gaben zu, dass die Bouncing-Probleme in den letzten Rennen nicht mehr so stark aufgetreten sind, was aber auch an den Strecken gelegen haben könnte. Für 2023 will man auf der sicheren Seite sein. Deshalb wurde angekündigt, dass die Kanten des Unterbodens um 25 Millimeter angehoben werden sollen. Auch eine Erhöhung des Diffusorschachts steht im Raum. Dazu sollen die Verbiegetests beim Unterboden verschärft werden.

Christian Horner & Mattia Binotto - F1 - 2021
xpb

Red Bull kritisiert FIA-Timing

Die FIA bedankte sich im offiziellen Statement noch für die konstruktive Atmosphäre, in der die Gespräche stattgefunden haben. Doch im Fahrerlager von Le Castellet zeigte sich die Stimmung deutlich angespannter. Gleich mehrere Teams befürchten, dass die vorgeschlagenen Regeländerungen Mercedes in die Karten spielen.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner machte seinem Ärger am Sky-Mikrofon Luft: "Ich denke, da wird gerade jede Menge Lobbyarbeit betrieben, um das Reglement für nächstes Jahr entscheidend zu ändern, damit ein gewisses Team sein Auto tiefer fahren kann und dann von seinem Fahrzeugkonzept profitiert."

Natürlich spielte Horner hier auf Mercedes an. Das Weltmeisterteam hatte am meisten unter den Bouncing-Problemen gelitten: "Wir befinden uns schon an einem sehr späten Zeitpunkt im Jahr für solch eine Maßnahme. Ich denke, dass der FIA-Präsident das Richtige macht. Er sammelt alle Informationen und kommt hoffentlich zu einer vernünftigen Lösung. Es ist jetzt einfach schon zu spät für grundlegende Regeländerungen wie diese."

Laut Horner gibt es keinen Grund für den Weltverband überhaupt aktiv zu werden: "Wir hatten das ganze Jahr keine Probleme. Es gibt nur ein Team, dass ein großes Problem hatte. Wir haben einige der talentiertesten Ingenieure auf dieser Welt in unserem Sport und ich kann praktisch garantieren, dass es nächstes Jahr bei keinem Auto ein Thema sein wird. Wir wollen einfach keine voreiligen Entscheidungen, die massive Auswirkungen auf die nächstjährigen Autos haben."

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP England - 1. Juli 2022
Motorsport Images

Ferrari kritisiert Sicherheitsargument

Ferrari schlägt in die gleiche Kerbe. Die Verantwortlichen der Scuderia befürchten, dass die FIA die Maßnahmen im Alleingang durchdrücken könnte. Dafür muss das Thema aber offiziell als sicherheitsrelevant eingestuft werden. Laut Artikel 1.2.2 des Technischen Reglements kann der Weltverband nur dann die Regeln zu diesem späten Zeitpunkt noch gegen den Widerstand der Teams ändern.

"Es gibt keinen Grund, das ganze als Sicherheitsproblem einzustufen. Die meisten Teams haben das Bouncing längst im Griff", winkt Teamchef Mattia Binotto ab. "Zum Rennen in Spa werden sowieso feste Grenzwerte bestimmt. Wenn die Autos die Vorgaben einhalten, sollten sie damit auch sicher sein. Und wenn es kein Sicherheitsargument gibt, muss beim Ändern der Regeln der normale Abstimmungsprozess eingehalten werden."

Binotto ging sogar so weit, dass man gegen die Regeln protestieren werde, wenn man sie so einfach mit dem Sicherheitsargument durchdrücken will. Die FIA muss zwar nicht den Nachweis führen, dass es sich um ein Sicherheitsproblem handelt. Vor einem Zivilgericht könnte aber der Beweis angetreten werden, dass in diesem Fall die Sicherheit nicht gefährdet ist.

Andreas Seidl - GP Monaco 2022
Wilhelm

McLaren unterstützt FIA-Weg

McLaren gehört nicht zu den Teams, die Kritik an den FIA-Plänen üben. Im Gegenteil. Teamchef Andreas Seidl lobt die Initiative des Weltverbands: "Wir sind zufrieden mit den Entscheidungen und der Führungsrolle, die die FIA bei diesem Thema eingenommen hat. Die FIA hat klargemacht, dass es sich hier um ein sicherheitsrelevantes Thema handelt. Deshalb ist es wichtig, die Sache jetzt durchzuziehen und nicht einzuknicken – in welche Richtung auch immer."

Bevor der Streit richtig eskaliert, wollen alle Teams erst einmal die konkreten Maßnahmen abwarten, die nun von den FIA-Technikexperten vorgeschlagen werden. Insgesamt sechs Teams haben sich zu einer Protestgruppe zusammengeschlossen. Sie versuchen den FIA-Präsidenten noch umzustimmen und zu einem Kompromiss zu bewegen. Und der sieht eine Anhebung der Unterboden-Kante um lediglich zehn Millimeter vor. Allerdings drängt die Zeit. Die Unterboden-Reformen stehen auf der Agenda, über die der FIA-Weltrat am 2. August mit einem Fax-Votum abstimmen will.