Die Formel-1-Saison 2022 ist abgeschlossen. Am Dienstag (22.11.) begann in Abu Dhabi praktisch schon das neue Jahr in der Königsklasse. Die zehn Teams gingen zwei Tage nach dem Finale an gleicher Stelle in die Nachspielzeit. In einer neunstündigen Testsession durften alle Rennställe noch einmal zwei Rennwagen auf die Bahn schicken.
Dabei gab es allerdings klare Regeln zu beachten. Nur eines der beiden Autos konnte frei nach Wunsch besetzt werden. Im anderen Cockpit musste ein Rookie Platz nehmen. Für alle Teilnehmer stellte Pirelli die neuen Reifen der Generation 2023 zur Verfügung. Die Stammfahrer erhielten zehn Sets, in denen alle Sorten enthalten waren (1x C1, 1x C2, 3x C3, 3x C4 & 2x C5), die Rookies mussten mit acht Sets ohne C1- und C2-Reifen auskommen.
Nach langem Ringen einigten sich die Teams mit Pirelli auch auf neue Regeln zum Reifenaufwärmen. Eigentlich sollten die Gummis in der kommenden Saison nur noch auf 50°C aufgeheizt werden. Jetzt dürfen die Regler an den Decken doch wieder bis auf 70°C hochgedreht werden – allerdings nur noch für zwei Stunden und nicht wie bisher für drei Stunden. Das soll Strom sparen. Am Ziel, die Heizdecken 2024 ganz abzuschaffen, wollen die F1-Verantwortlichen übrigens festhalten.

Alonso mit Frühstart bei Aston
Obwohl die Dienstags-Session offiziell als Reifentest deklariert war, stand das schwarze Gold zunächst einmal nicht im Fokus der Beobachter. Die anwesenden Fotografen hatten ihre Objektive viel mehr auf die Garagen der sechs Piloten gerichtet, die in der Winterpause den Arbeitgeber wechstelten oder einen neuen Vertrag als Stammfahrer unterschrieben haben.
So wanderte Fernando Alonso praktisch direkt nach der Zielflagge am Sonntagabend in den Aston-Martin-Pavillon, um seine Premiere im grünen Rennwagen zu planen. Apropos grüner Rennwagen: Der Aston Martin des Spaniers präsentierte sich am Dienstag komplett jungfräulich. Alle Sponsoren-Aufkleber mussten von der Carbonhaut entfernt werden. Die Maßnahme stellte eine der Bedingungen dafür dar, dass Alpine der Ausleihe seinen abgewanderten Stars zustimmte. Dazu musste Alonso auch noch in einem neutralen schwarzen Rennoverall antreten.
Der zweifache Champion konnte den neuen Abschnitt seiner Karriere offenbar kaum erwarten. Beim Startschuss der Session um 9 Uhr früh war er direkt der erste Pilot auf der Bahn. Schon auf seinen Premierenruns im AMR22 ging der Altmeister ans Limit, was ein kleiner Ausritt in Kurve 13 zeigte. "Das Auto hat sich schon etwas anders angefühlt als der Alpine", berichtete Alonso später. "Wir müssen auf jeden Fall noch einmal eine neue Sitzschale anfertigen lassen. Es gibt einige Stellen, die mir wehtun."
In der nicht sehr aussagekräftigen Zeitentabelle belegte Alonso nach 97 Runden am Vormittag Rang zwölf. Teamkollege Lance Stroll übernahm das Auto am Nachmittag, spulte 70 Runden ab, und reihte sich auf Rang neun ein. Der zweite Aston-Renner präsentierte sich im üblichen Look mit allen Aufklebern der bekannten Partner. Hier nahm Nachwuchsmann Felipe Drugovich Platz. Der frischgebackene Formel-2-Champion schloss sein Tagwerk auf Position 15 ab.

De Vries und Piastri im Rookie-Cockpit
Bei Alpine waren ebenfalls neue Gesichter zu sehen. Die Equipe konnte direkt den Ersatzmann von Alonso ausprobieren. Außer der neuen Startnummer 10 zeigte sich der französische Werksrenner aber unverändert, als Pierre Gasly in der Früh die Garage verließ. Während sich sein neuer Teamkollege Esteban Ocon in die Ferien verabschiedete, bekam der Neuzugang die komplette Session Zeit, um sich beim neuen Arbeitgeber einzugrooven. Der vierte Platz und 130 Runden deuten auf eine schnelle Eingewöhnung hin. Das Rookie-Auto pilotierte derweil Jack Doohan, der Elfter wurde.
Auch das alte Team von Pierre Gasly ging gleich mit dem Ersatzmann ans Werk. Weil Nyck de Vries in seiner Karriere zuvor erst einen Grand-Prix-Einsatz abgespult hatte, gilt er dem Reglement nach noch als Rookie. So konnten beide Stammfahrer – De Vries und Tsunoda – jeweils eine ganze Session abspulen. De Vries führte sich in der Früh gleich mal mit einem Dreher in Kurve 5 ein, der aber folgenlos blieb. Am Ende stand ein achter Platz und satte 151 Runden – damit war der Neuling der Kilometerkönig. Tsunoda absolvierte 135 Umläufe und kam auf Rang 20.
Auch bei McLaren war das komplette Stammpersonal den ganzen Tag im Einsatz. Hier kam es zum ersten kleinen Duell zwischen Neuling Oscar Piastri und Lando Norris. Nach dem Abgang von Daniel Ricciardo hofft die Teamleitung, dass Norris in der kommenden Saison mehr interne Konkurrenz bekommt. Für Piastri gab es auf den ersten Runden aber Probleme. Sein MCL36 strandete auf der Piste und löste eine rote Flagge aus. Trotzdem reichte es am Ende immerhin noch zu 123 Runden und Rang 14. Norris blieb eine halbe Sekunde langsamer, was aber auch an unterschiedlichen Programmen gelegen haben könnte.

Hülkenbergs erste Haas-Runden
Auch Williams hatte einen neuen Stammfahrer zu bieten. Logan Sargeant wurde am Vortag noch einmal offiziell von Williams als Einsatzpilot für 2023 verkündet, nachdem er bei der Formel 2 am vergangenen Abu-Dhabi-Wochenende die nötigen Punkte für die Superlizenz sammeln konnte. Ohne Grand-Prix-Einsatz gilt auch der US-Amerikaner als Rookie. Bei seinem ersten Einsatz schaffte es der Mann aus Fort Lauderdale direkt auf Rang sieben im Klassement. Der sechste Platz seines neuen Teamkollegen Alex Albon deutet aber stark darauf hin, dass Williams mit weniger Sprit unterwegs war.
Besonders im Fokus der Fans lag in der Früh auch die Box von Haas. Hier präsentierte sich Schumacher-Nachfolger Hülkenberg erstmals im Dress des US-Teams. Der Rheinländer kam aber in den ersten Stunden der Session nicht ganz so viel zum Fahren wie erhofft. Die Mechaniker mussten sich laut Information des Teams gleich um mehrere kleine Technik-Gremlins kümmern. Am Ende standen 110 Runden und eine Zeit von glatten 1,27.000 Minuten, was zu Rang 19 für den einzig verbliebenen deutschen Piloten im Feld reichte.
Wie bei Aston Martin bekamen auch bei den drei Top-Teams beide Stammfahrer die Chance, einen ersten Vorgeschmack auf die neuen Reifen zu bekommen. Vor allem die Ferrari-Piloten konnten sich dabei in den Vordergrund fahren. Carlos Sainz, Charles Leclerc und Ersatzpilot Robert Shwartzman belegten am Ende die ersten drei Plätze im Klassement – und das nur anderthalb Zehntel voneinander getrennt.
Max Verstappen, der den letzten Grand Prix an gleicher Stelle am Sonntag gewonnen hatte, musste sich mit Rang fünf begnügen. Bei Mercedes schien man sich ganz auf Longruns mit viel Sprit zu konzentrieren. Sowohl Lewis Hamilton (P17) als auch George Russell (P23) und Ersatzmann Frederik Vesti (22) fanden sich im hinteren Drittel der Tabelle wieder. Größere Technik-Probleme gab es nicht zu beobachten. Alle Teams schafften es mit beiden Autos über die 200-Runden-Grenze.
In der Galerie zeigen wir Ihnen einige Impressionen von den letzten Testrunden des Jahres.