Verbiege-Tricks im Visier: Neue Regeln ab Singapur

Neue Technik-Regeln ab Singapur
Flügel-TD mit größeren Folgen

GP Singapur 2023

Am 22. August bekam die Teams Post von Formel-1-Technikdirektor Tim Goss. Der frühere McLaren-Ingenieur verschickte zwei Technische Direktiven, die schon lange existieren, aber immer wieder modifiziert werden müssen, weil die Teams immer neue Wege finden, die Bestimmungen auszutricksen.

In der TD018 geht es auf drei Seiten um die Biegsamkeit von Verkleidungsteilen. Sie tritt in Singapur in Kraft. TD039 definiert die Regeln für die Befestigungen der Bodenplatte und das aerodynamisch erzeugte Schaukeln der Autos.

Die angepasste siebenseitige Interpretation von TD039 galt im Allgemeinen mit dem Datum des Versandes. Die darin enthaltenen verschärften Vorschriften für den vorderen Teil der Schutzplanke treten erst ab dem Rennen in Singapur in Kraft.

Im Bestreben, das Aufsetzen der Autos aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Fahrer so gering wie möglich zu halten, wurde vergangenes Jahr in Spa eine Messung eingeführt, die vertikale Bewegungen des Autos und die Stöße beim Durchschlagen auf die Straße misst. Wer ein gewisses Maß überschreitet, das anhand einer komplizierten Formel errechnet wird, muss nachbessern. Die Grenze liegt grob gesagt bei 8 g.

Die Schutzplanke unter dem Auto erwies sich als unzureichendes Hilfsmittel, um zu viel Bodenkontakt zu verhindern. Sie darf sich zwar während des Rennens an bestimmten Stellen maximal einen Millimeter abnutzen, doch die Teams hatten schnell Tricks gefunden, die Planke trotz Aufsetzen zu schützen.

Mercedes - Unterboden - GP Monaco 2023
xpb

Vier Verbote für Unterboden-Kufe

Zum Beispiel mit einem Dämmmaterial zwischen Chassis und Bodenplatte, das die Stöße abmildert. Oder Befestigungsschrauben, die leicht überstehen und bei Fahrbahnkontakt in der Planke verschwinden und damit auch eine dämpfende Wirkung haben.

Damit machte die TD039 Schluss. Inzwischen ist ein Jahr vergangen, und die Teams haben schon wieder neue Schlupflöcher entdeckt. Der neu hinzugefügte Paragraf 1.3 soll nun auch diese zuschütten.

Im Text steht in Amts-Englisch: "Uns sind Konstruktionsdetails an den vorgesehenen Löchern im Bereich der Unterboden-Kufen aufgefallen, die darauf abzielen, die zulässige Steifigkeit in diesen Bereichen maximal auszunutzen. Während diese Konstruktionen möglicherweise die Durchbiegungsanforderungen erfüllen, möchten wir die Teams daran erinnern, dass die Designs weiterhin mit den Dimensionsbeschränkungen der entsprechenden Verkleidungsteile übereinstimmen müssen. Die besagen, dass auf der Referenzebene eine durchgehende Oberfläche vorhanden sein muss. Die Designs dürfen keine Brüche in dieser Oberfläche verwenden, um Unterschiede in der vertikalen Steifigkeit an diesen Bruchstellen zu ermöglichen."

Die FIA spezifiziert in vier Punkten, was sie künftig als illegal betrachtet: Lücken, Schnitte oder Stoßfugen in dem relevanten Teil der Referenzebene, systematische Schäden, Risse oder Brüche auf der Oberfläche der Referenzebene in der Nähe der für die Skids vorgesehenen Löcher, stark nachgiebige Materialien auf der Planke oder gefaltete Flächen und Verbindungen.

McLaren - GP Italien 2023
ams

Flügelanbindungen im Fokus

In TD018 geht es im weitesten Sinne um Verkleidungsteile, tatsächlich aber um die Flügel vorne wie hinten. Die FIA-Prüfer haben offenbar einige Teams beim Ausreizen des Reglements erwischt. Es betrifft nicht die Flügel selbst, sondern die Verbiegung des kompletten Flügels in Relation zu anderen Teilen am Auto.

So soll sich am Aston Martin der Frontflügel zu stark am Ansatzpunkt zur Nase verdreht haben. Bei anderen Teams wurden Heckflügel entdeckt, die sich im Vergleich zur Stütze oder den Endplatten zu stark verformt haben. Allen ist noch der Wackelflügel von Alpine beim GP Kanada in Erinnerung.

In der jüngsten Technische Direktive werden die Teams gewarnt, es auf die Spitze zu treiben. Die FIA verbietet deshalb ab dem GP Singapur Flügelelemente, die sich relativ zu anderen Teile der Verkleidung in irgendeine Richtung verbiegen oder rotieren können. Verboten sind elastische Füllungen oder Karbonstrukturen, die sich an Verbindungsstellen verdrehen oder "weiche" Materialien an den Kanten der Flügel.

Aston Martin - Formel 1 - GP Miami - 4. Mai 2023
ams

Wer hat die Regeln ausgebremst?

Die meisten Teams geben sich nach außen gelassen und behaupten, dass sie ihre Autos nicht adaptieren müssen. Tatsächlich gab es in Monza einen Ansturm auf die FIA-Messplattform, um herauszufinden, ob man über dem Limit liegt oder nicht. Haas berichtete, dass man am Heckflügel leicht nachbessern muss. Bei Williams steht der Unterboden im Fokus.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff erwähnte, dass Aston Martin bereits einen Schritt zurückstecken musste und es jetzt interessant sein wird, wer noch nachbessern muss. Und wie sich das auf die Rundenzeiten in Singapur auswirkt.

Gerüchteweise war zu hören, dass Mercedes beim Heckflügel und Red Bull beim Unterboden betroffen sein soll. Was natürlich nicht bestätigt wird. Red-Bull-Teamchef Christian Horner ging in Monza in die Offensive: "Da ist nichts, was uns betrifft. Wir haben bei anderen Autos ein paar Gumminasen entdeckt und warten jetzt darauf, dass die verschwinden."

Ein Ingenieur schätzt den Effekt der Flügel-TD größer ein als die Einschränkungen beim Unterboden: "Wer beim Unterboden Korrekturen vornehmen muss und als Folge etwas mehr Bodenfreiheit lassen muss, verliert schlimmstenfalls Abtrieb. Wenn sich der Frontflügel um den Befestigungspunkt an der Nase verdreht hat, dann war die komplette Aerodynamik daraufhin konzipiert. Wer da zurückstecken muss, riskiert nicht nur Abtriebsverlust, sondern auch Balanceprobleme."