F1-Technik Bahrain: Angst vor Outwash-Tricksern

Upgrade-Festival in Bahrain
Angst vor Outwash-Tricksern

Das Technische Reglement ist so neu wie die Autos. Ein Koordinatensystem ersetzt den altvertrauten Regeltext. Insgesamt 37 dieser CAD-Cluster gibt es in der neuen Geheimsprache. "Wer es gewohnt ist mit CAD-Systemen zu arbeiten, fühlt sich in dem neuen Reglement zuhause", heißt es bei der FIA. Für den Rest sind die 18 Artikel und fünf Anhänge auf den 169 Seiten Böhmische Dörfer.

Die Regeln sind bewusst so geschrieben. Weil es damit auch weniger Interpretationsspielraum gibt. Jedes Cluster hat ein vorgegebenes Volumen. Innerhalb dieses Raumes sind auch noch Oberflächen definiert. An heiklen Stellen rund um die Vorderräder, im hinteren Diffusor oder dem Heckflügel gibt es kaum Spielraum.

Bei der Nase, dem Frontflügel, den Seitenkästen, den vorderen Diffusorkanälen und der Motorabdeckung umso mehr. Diese Bereiche werden von den Regelhütern als unkritisch angesehen. "Wir wollten geben und nehmen. Dort, wo es unsere Philosophie nicht verletzt, dürfen die Ingenieure auch Freiheiten haben."

Daniel Ricciardo - McLaren - Barcelona-Test 2022
xpb

Vertikale, statt laterale Expansion

Unkritisch heißt: Hier kann eigentlich nichts passieren, was dem großen Ziel schadet. Und das soll dem hinterherfahrenden Auto eine möglichst unverwirbelte Luft bieten, damit sich der Abtriebsverlust im Windschatten eines anderen Autos im Vergleich zu früher drastisch reduziert.

Die FIA-Experten haben penibel darauf geachtet, dass die Ingenieure die schlechte Luft nicht seitlich vom Auto wegleiten oder im Heck nach unten drücken können, und dass die Möglichkeiten beschränkt sind, Wirbelschleppen zum Abdichten oder Ablenken von Strömung zu produzieren. Die Luftwirbel sollen idealerweise innerhalb der Räder nach hinten fließen. "Das Ziel ist vertikale, statt laterale Expansion der Luft."

Deshalb waren FIA-Technikchef Nikolas Tombazis und seine Kollegen gespannt darauf, ob die Ingenieure über den Winter nicht doch irgendwelche Schlupflöcher und Grauzonen gefunden hatten. Immerhin arbeiten sie nun schon 14 Monate an diesen Autos.

Ein Ingenieur bedauert: "Alle werden im Rahmen der Regeln versuchen, so viele Turbulenzen wie möglich nach außen zu drücken. Outwash macht das Auto einfach schneller." Trotzdem meldete Tombazis zum Teststart Entwarnung: "Wir haben bis jetzt nichts gefunden, das gegen unsere Absichten geht."

Cargo - Bahrain-Test - 2022
Bahrain Grand Prix

In einem Jahr zwei Konzepte

Das könnte aber bald schon so sein. In Formel-1-Kreisen kursiert das Gerücht, dass viele Teams ihre heiklen Konstruktionen erst in letzter Minute in Bahrain zeigen, um die FIA-Prüfer vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und natürlich der Konkurrenz nicht zu früh Anschauungsunterricht zu geben. Viele Beobachter waren schon in Barcelona erstaunt, wie viele Freiheiten das Regelwerk den Designbüros gegeben hat. Immerhin kamen dabei zehn höchst unterschiedliche Autos heraus.

Viele Teams nutzen zum Beispiel die Frontflügelverstellung als Ersatz für den früher so mächtigen Y250-Wirbel. Dass jeder den Verstellmechanismus an unterschiedlichen Stellen platziert, ist ein Indiz dafür, dass es noch unterschiedliche Auffassungen über den optimalen Strömungsverlauf gibt.

Williams-Technikberater Willy Rampf erklärt: "Schaut euch die Form der Frontflügel-Flaps und die Befestigung des Flügels an der Nase an. Dann wisst ihr, wer die Luft an welcher Stelle in den Diffusor einleitet." Red Bull-Starkonstrukteur Adrian Newey schwört: "In einem Jahr sehen wir höchstens noch zwei Konzepte."

Aston Martin AMR22 - Technik - F1 - 2022
Aston Martin

Gesprächsstoff in Bahrain

Auch am Einlass in die Kühler, dem vorderen Diffusortunnel und den Bodenplatten waren erstaunlich viele Elemente von früher zu erkennen. Wellen, Ausschnitte und Slots im Boden sind eindeutig dazu da, mit der Strömung zu spielen und den hinteren Diffusor gegen die von den Hinterrädern erzeugten Luftwirbel abzudichten.

Die meisten Teams müssen jetzt an dieser Stelle nachbessern, um das Bouncing auf den Geraden abzustellen. Ein FIA-Mann meinte angesichts der nach wie vor komplexen Unterböden: "Alles, was wir bis jetzt sehen, spricht mehr für das Versiegeln als für Outwash. Das könnte sich aber auch schnell ändern."

An den Seitenkästen waren auch schon einige Outwash-Elemente zu erkennen. Insbesondere die angeschrägten Flächen neben den Kühleinlässen des Mercedes und Aston Martin. Wie wir in Barcelona gehört haben, soll das erst der Anfang gewesen sein. Ein Insider verspricht uns: "Es wird in Bahrain an einigen Stellen der Autos Gesprächsstoff geben."

Lewis Hamilton - Mercedes -  Formel 1 - Test - Barcelona - 24. Februar 2022
Stefan Baldauf

Alle Blicke auf Mercedes

Ein Auto, auf das in Bahrain sicher ganz besonders viele Ingenieure der Konkurrenz ein Auge werfen, ist der Mercedes. Schon in Barcelona wurde bekannt, dass sich der Silberpfeil beim zweiten Test grundlegend verändert präsentieren wird. Manch einer sprach sogar von einer B-Version.

In italienischen Medien kursieren sogar Gerüchte, dass der Mercedes W13 einige revolutionäre Features zeigen soll, sowohl unter der Haube als auch bei der Aerodyamik. Es wird sogar gemunkelt, dass die Mercedes-Ingenieure ein Auto gebaut haben, das praktisch ganz auf Seitenkästen verzichtet. Dabei legte sich die Verkleidung schon bei der Basis-Version ultraschlank an den Motor an.

Noch handelt es sich nur um Gerüchte. Am Donnerstag (10.3.) wird das Geheimnis endlich gelüftet. auto motor und sport ist mit dem Live-Ticker natürlich wieder vor Ort, um Sie mit aktuellen Infos, Rundenzeiten und Technik-Fotos zu versorgen. Um 7.45 Uhr geht es bei uns los!