Der GP Australien war gnädig. Er hat uns glauben lassen, dass McLaren um die Plätze in der ersten Startreihe und den Sieg von Lando Norris kämpfen musste. Auf der Strecke war es auch so. Doch bei Licht betrachtet halfen da die Umstände und drei Safety-Cars kräftig mit. Ohne die wäre der McLaren-Express am Horizont verschwunden.
Innerhalb von 16 Runden machten die McLaren-Piloten auf Intermediates 14 Sekunden auf Max Verstappen gut. Der Speed der Papaya-Renner mit alten Reifen ist atemberaubend. Und Lando Norris und Oscar Piastri bezahlen dafür nicht mit zögerlichem Aufwärmverhalten. In der Qualifikation waren sie mindestens vier Zehntel schneller als der Rest. Die Reifen scheinen immer im richtigen Fenster zu sein. Bei den meisten anderen Autos werden sie auf die Dauer zu heiß.

Red Bull hängt am Tropf von Max Verstappen.
Red Bull braucht Verstappen-Faktor
Das Geheimnis von McLaren liegt in einer ausgewogenen Fahrzeugbalance in allen Lebenslagen. Die MCL39 rutschen weniger als die Konkurrenzprodukte. Das hält die Reifen am Leben. Mercedes kam McLaren am nächsten, auch wenn Max Verstappen auf dem dritten Startplatz stand und im Ziel als Zweiter nur 0,8 Sekunden hinter Norris lag.
Das ist aber nicht der Red Bull, sondern der Verstappen-Faktor. George Russell hätte den Formel-1-Weltmeister ohne Fehler in seiner besten Q3-Runde schlagen können. Die Schwachstelle des Mercedes W16 liegt im Dauerlauf. Da hält der Red Bull seine Reifen besser in Schuss.
Ferrari enttäuschte. Ab dem Q3 ging der Speed verloren. Angeblich, weil man die Bodenfreiheit hochsetzen musste. Das führte zu Problemen mit der Balance. Ferrari konnte weder auf eine Runde noch über die Distanz überzeugen. Die Williams und Toro Rosso waren ständige Begleiter. Dass man bei den Italienern beim zweiten Boxenstopp auf Risiko setzte, zeigte den Grad der Verzweiflung.

Haas war in Melbourne klar das schwächste Formel-1-Team.
Haas mit Totalabsturz
Williams und Toro Rosso führen die zweite Hälfte des Feldes an. Doch die Abstände sind minimal. Aston Martin präsentierte sich nach seinem undurchsichtigen Testprogramm in Bahrain besser als erwartet und war auf dem Niveau von Alpine. Bei Aston Martin reichte es für Punkte, bei den Franzosen nicht.
Sauber zeigte sich mit neuem Frontflügel und mehr Informationen über das neue Auto verbessert und geigte am Ende des Verfolgerfeldes mit. Aus eigener Kraft wäre Nico Hülkenberg nicht in die Punkte gefahren, doch er hatte den Speed und das richtige Boxenstopp-Timing, die Geschenke aufzuklauben, die auf der Straße lagen. Das war vor einem Jahr nicht der Fall.
Haas vollzog den totalen Absturz. Vom sechstbesten Auto zum Schlusslicht. Esteban Ocon fehlten sechs Zehntel auf den Rest des Feldes. Das ist alarmierend. Nicht einmal eine alternative Strategie und Chaos auf der Strecke brachte die US-Renner in Punktenähe. Ocon verlor in den letzten sieben Runden noch 12,5 Sekunden auf den zehntplatzierten Hamilton.

1. McLaren
McLaren ist das Maß aller Dinge. Mehr noch als in der zweiten Saisonhälfte 2024. Dieser MCL39 kann alles. Schnelle Kurven, langsame Kurven. Dazu noch Topspeed. Viel Abtrieb, wenig Abtrieb. Den Sprint auf eine Runde, den Marathon über die Distanz. Die Reifen heizen sich schnell auf und halten ewig. Im Moment kann sich McLaren nur selbst schlagen.

2. Mercedes
Mercedes hat überrascht. Auf eine Runde hat man Verstappen im Visier. Über die Distanz leiden die Reifen noch zu stark. Doch das Fenster, in das das Auto funktioniert, ist größer geworden. Es ist nicht mehr so wichtig, ob es warm oder kalt ist. Die Ingenieure haben wieder Antworten auf ihre Fragen.

3. Red Bull
Wir müssen unterscheiden. Red Bull ist bestenfalls dritte Kraft. Team Verstappen hat die Nase leicht vor Mercedes. In Summe liegt der Red Bull RB21 noch hinter Mercedes. Es gibt immer noch Probleme mit der Fahrzeugbalance. Verstappen muss am Lenkrad mehr zaubern als Russell. Die Ingenieure finden jetzt aber schneller eine Antwort, wie man mit dem Setup reagiert.

4. Ferrari
Ferrari gab allen Rätsel auf. Am meisten sich selbst. Ab dem Q3 ging der Speed verloren. Auf McLaren fehlten sieben Zehntel. Auch im Rennen konnte Ferrari nicht so punkten wie im letzten Jahr. Haben die Ingenieure zu viel riskiert? Verstehen sie ihr neues Auto nicht? Teamchef Vasseur versuchte zu beruhigen: "Wir haben mit dem Setup einen Fehler gemacht."

5. Williams
Williams demonstrierte mit zwei Fahrern in den Top Ten der Startaufstellung und Albon auf dem fünften Platz, dass der FW48 ein gutes Auto ist. Ein viel besseres als sein Vorgänger. Einfacher zu fahren und zu verstehen, besser ausbalanciert und am Gewichtslimit. Schnelle Strecken sind weiter sein Revier. Albon hatte keine Probleme, Hamilton in Schach zu halten.

6. Toro Rosso
Spötter behaupten, dass der VCARB02 das bessere Auto als der Red Bull RB21 ist. Weil Tsunoda nur zwei Zehntel auf Verstappen verlor. Der Japaner wäre vor den Ferrari ins Ziel gekommen, hätte er sich nicht auf die gleiche Risiko-Taktik eingelassen wie sie. Die Sektorzeiten zeigen, dass der Toro Rosso ein sehr ausgeglichenes Auto auf allen Layouts ist.

7. Aston Martin
Aston Martin entzog sich bei den Testfahrten durch ein seltsames Programm einer Beurteilung. Die Ingenieure wollten ihren Setup-Werkzeugkasten füllen. In Melbourne wäre mehr drin gewesen als der sechste Platz von Stroll. Alonso deutete an, dass der Aufstieg ins Q3 und WM-Punkte mit dem AMR25 möglich sind. Doch ausgerechnet der Veteran leistete sich zu viele Fehler.

8. Alpine
Die Experten schätzten Alpine ein bisschen besser ein. In Melbourne lieferten sich die Franzosen ein enges Rennen mit Aston Martin. Gasly schaffte es ins Q3 und verschenkte Punkte durch einen Fehler in Kurve 2. Doohan crashte. Der A525 macht eine deutlich bessere Figur als sein Vorgänger. "Der war im Vergleich dazu ein Traktor", spottet Flavio Briatore.

9. Sauber
Das Team aus Hinwil ist auferstanden. Auf die Ernüchterung bei den Testfahrten folgte das Aufatmen. Mit dem neuen Frontflügel und den Modifikationen am Unterboden und an den Seitenkästen bietet der C45 eine Plattform, auf der sich aufbauen lässt. Man ist dran am Verfolgerfeld, wenn auch am Ende. Doch die Fahrer sind in der Lage, Chancen zu nutzen, wenn sie auf der Straße liegen.

10. Haas
Das war eine Klatsche. Ocon auf Startplatz 19, Bearman mit zwei Unfällen und Start aus der Boxengasse. Auf das Feld fehlen sechs Zehntel. Keiner weiß, wo sie geblieben sind. In Bahrain nervte Untersteuern in langsamen Kurven, in Melbourne zu wenig Abtrieb in schnellen. Der Abstand ist so groß, dass schon ein kleines Wunder passieren muss, das wieder aufzuholen.