Taktikcheck GP Monaco 2022: Geschenk für Perez

Taktikcheck GP Monaco 2022
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Geschenk für die Manndecker

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Red Bull sprach von der perfekten Taktik. Aber die bekam nur Sergio Perez. Nicht freiwillig. Der Mexikaner sollte den Lockvogel für Ferrari und den Wegbereiter für einen Verstappen-Sieg spielen. Daraus entwickelte sich der goldene Griff. Für einen Sieg von Perez.

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Dieser Grand Prix von Monte Carlo war ein Fest für die Strategen. Vergleichbar mit 2016, wo auch mit Extremwetter-Reifen gestartet wurde und dann alle vor der Frage standen: Sollen wir gleich auf Slicks wechseln oder dazwischen einen Satz Intermediates einschieben? Vor sechs Jahren siegte die Taktik: Direkt von einem Extrem auf das andere.

Lewis Hamilton wartete damals auf seinen Regenreifen, bis die Bahn trocken genug für Slicks war. Sein Gegner Daniel Ricciardo ging zwischendurch auf Intermediates. Ein Boxenstopp mehr und eine Chance mehr, einen Fehler zu machen. Und Red Bull machte damals den Fehler. Man fand die Reifen für Ricciardo zu spät.

Ferrari hatte sich in seiner Strategiebesprechung vor dem Start an dieses Rennen erinnert. Und lief genau in die gleiche Falle. Der Kommandostand machte alles richtig mit dem Manndecker Carlos Sainz. Der Spanier spielte die Hamilton-Nummer. Doch der Mann, der diesen Grand Prix eigentlich gewinnen sollte, schob einen Stopp zusätzlich ein. Und verlor wie einst Ricciardo das Rennen.

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Ferrari bremste Charles Leclerc mit einer falschen Reifen-Strategie aus.

Zwei galaktische OUT-Runden

Ferrari reagierte mit Charles Leclerc auf Sergio Perez. Sie hätten es, wenn überhaupt, besser mit Sainz gemacht. Genau das war der Plan von Red Bull. Eigentlich war Perez nur als Lockvogel für Ferrari gedacht. Keiner konnte ahnen, dass der Mexikaner immer genau zum richtigen Zeitpunkt an die Boxen fuhr. Für Intermediates früh genug, für Slicks so spät wie möglich. Und dass er in beiden Fällen eine galaktische OUT-Runde auf die Bahn zauberte. Aus Sicht der Mercedes-Strategen der Schlüssel zum Sieg.

Das perfekte Timing waren die Runden 16 und 22. Ein bisschen Glück war auch dabei. Dass Lando Norris just an die Boxen abbog, als Perez auf Intermediates auf den McLaren auflief. Dass Sainz in seiner Runde aus der Box raus eine halbe Runde hinter dem überrundeten Nicholas Latifi vertrödelte. Weder Red Bull noch Ferrari ahnten zu diesem Zeitpunkt, dass sie mit ihren Entscheidungen ausgerechnet den Manndeckern ein Geschenk gemacht und den Nummer-1-Piloten ein Ei gelegt hatten.

Die Strategie für Max Verstappen war alles andere als ideal. Er kam wie Leclerc eine Runde zu spät für Intermediates an die Box. Der Weltmeister gewann gegenüber dem Ferrari nur eine Position, weil Ferrari drei Runden später Leclerc ohne Not zusammen mit Sainz an die Box rief. Das kostete 3,5 Sekunden Wartezeit in den Boxen und weiteren Zeitverlust, weil angefahrene Intermediates besser waren als der harte Reifen in seiner ersten Runde.

Für Leclerc gab es im Rückblick zwei Optionen. Ferrari verpasste beide. Wäre der Trainingsschnellste eine Runde nach Perez an die Box gekommen, hätte er seine Führung behalten. Hätte er wie Sainz bis Runde 21 gewartet, um dann direkt auf Slicks zu wechseln, auch. Die zwei Extra-Runden auf den Regenreifen kosteten ihn im Vergleich zu Perez zwölf Sekunden. Der um eine Runde zu frühe Wechsel von Intermediates auf harte Reifen fünf Sekunden auf Verstappen.

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Max Verstappen hatte die schlechtere Taktik, war über das ganze Wochenende aber auch langsamer als Sergio Perez.

Leclercs Zeitverlust auf Intermediates

Trotzdem hätte das Rennen für den großen Favoriten besser ausgehen können, wären da nicht die drei Runden auf Intermediates gewesen, die Fragen aufwerfen. Leclerc war auf dem Mischreifen im Vergleich zu den Red Bull zu langsam. Auch weil in einer Runde Alexander Albon im Weg stand. Hier der Vergleich.

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Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sprach im Rückblick von Fehleinschätzungen und Fehlern. "Wir hätten Charles entweder eine Runde früher auf Intermediates holen oder gleich bis zum direkten Wechsel auf Slicks warten sollen. Aber als Führender gibt man immer ungern seine Position auf."

Das war das eine. Dann war da noch die Angst, dass Perez auf seinen Intermediates die Ferrari überrennt, wenn man nicht reagiert hätte. Die Intermediates waren vier Sekunden pro Runde schneller als die alternden Regenreifen. Hier hätte Ferrari die Nerven behalten müssen, denn Perez musste ja auch noch einmal an die Box, um auf harte Reifen zu wechseln. Und mit zwei Autos an der Spitze hätte man jederzeit den Abstand für einen Doppelstopp managen können.

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George Russell und Lando Norris duellierten sich um den fünften Platz.

Super-Finale verpasst

Hinter den Spitzentrio ähnelten die Positionen dem Trainingsergebnis. George Russell kam an Lando Norris nur vorbei, weil McLaren mit dem Engländer zwischenzeitlich auf Intermediates ging. Die Boxenstopps waren mit den Runden 17 und 22 fast perfekt getimt. Russells Strategie war trotzdem besser. Auch im zweiten Teil des Rennens machte Norris einen Boxenstopp mehr. Damit hätte er fast das große Los der Woche gezogen.

Norris holte auf frischen Medium-Reifen in den letzten 13 Runden 30,9 Sekunden auf Russell auf. "Eine Runde noch, und Lando wäre vorbei gewesen. Du kannst dich nicht gegen einen wehren, der vier Sekunden pro Runde schneller ist. Spätestens beim Anbremsen der Hafenschikane bist du fällig, weil die Vorderreifen kaum noch Grip hatten", hieß es bei Mercedes.

Der Poker mit Norris wirft die Frage auf, wie dieses Rennen verlaufen wäre, wären andere dem Beispiel gefolgt. Nach Ansicht von Mercedes wurden wir um ein noch viel besseres Finale gebracht. "Hätten wir gestoppt, hätte Leclerc das Fenster gehabt, einen zusätzlichen Stopp einzulegen und dann auch noch Verstappen. Der hätte es sich vielleicht überlegt, weil er unter Umständen in einen Undercut von Leclerc gelaufen wäre. Das Ende des Rennens wäre auf jeden Fall irre gewesen. Da wären drei Fahrer mit viel besseren Reifen auf Perez, Sainz und möglicherweise Verstappen aufgelaufen."

Und warum ließ Mercedes Russell dann auf der Strecke? "Wir sind davon ausgegangen, dass es im Kampf um die Spitze zu einer Kollision kommen könnte. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass die Reifen von Perez durchhalten. Die Chance wollten wir uns nicht nehmen lassen. Im Rückblick ein Fehler. Wir hätten stoppen sollen."

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Lewis Hamilton prallte am Alpine von Esteban Ocon ab.

Hamiltons Trauma hieß Ocon

Mit Lewis Hamilton verfolgte Mercedes eine andere Strategie. Der dreifache Monaco-Sieger steckte im Verkehr fest. Fernando Alonso lag fünf Sekunden weiter vorne. Das rechtfertigte das Risiko eines frühen Wechsels auf Intermediates in Runde 15. Im Prinzip genauso richtig wie der Schachzug von Pierre Gasly und Sebastian Vettel, die schon in den Runden 2 und 6 den Stecker gezogen hatten.

Alles drei waren deutlich schneller als der Rest des Feldes, aber alle drei hatten das gleiche Problem. Sie steckten im Verkehr fest und konnten ihren Speed nicht nutzen. Gasly und Vettel hingen im gleichen Stau hinter Kevin Magnussen und Valtteri Bottas. Hamilton biss sich an Esteban Ocon die Zähne aus. "Hätte es Lewis an Esteban vorbei geschafft, hätte er die Lücke zu der Gruppe vor ihm zugefahren", sind sich die Ingenieure sicher.

Die Retourkutsche für Ocon folgte in Teil 2 des Rennens. Als Hamilton merkte, dass Alonso mit ihm spielte und nach 20 Runden Bummelfahrt plötzlich das Tempo anzog, so dass er dem Alpine nicht mehr folgen konnte, beschränkte sich Hamilton darauf, Ocon so einzubremsen, dass der mit seiner Fünfsekunden-Strafe noch Plätze verliert. Bottas und Vettel warfen den Franzosen noch aus den Punkterängen.

Medium oder Hart beim Re-Start?

Vor dem Re-Start nach Mick Schumachers Mega-Crash standen die Strategen vor einer weiteren heiklen Frage: Medium oder Hart? Red Bull, Mercedes und Alpine entschieden sich für Medium, Ferrari, Alfa-Sauber, Aston Martin und McLaren für hart. Alpha Tauri splittete die Taktik mit Yuki Tsunoda auf Medium und Pierre Gasly auf harten Reifen.

Mercedes begründet seine Wahl so: "Wir sind von 35 Restrunden ausgegangen. Wenn ich zwei Reifensorten habe, die es bis zum Ende schaffen können, nehme ich den mit mehr Grip. Wäre das Rennen drei bis vier Rennen länger gegangen, hätten wird Hart statt Medium gewählt." Am Ende gaben die Medium-Gummis größere Probleme auf als erwartet. Die Vorderreifen fielen ins Körnen, was Perez fast noch den Sieg gekostet hätte.

Dass die Reifen ihren Gummi von der Lauffläche schälen, sah man schon am Freitag. Da allerdings vor allem auf den Soft-Reifen. Deshalb ließ man im Rennen die Finger davon. "Der harte Reifen war der beste Reifen, aber auch der hatte Körnen. Deshalb ist Norris gegenüber Russell sechs Sekunden zurückgefallen und Sainz zunächst auch gegen Perez. Im Rückblick wäre der harte Reifen der bessere gewesen, weil er weniger stark gekörnt hat."

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