Aus Sicht der Kommandostände war der GP Japan eine Kopie des Rennens von Singapur. Nur kürzer. Alles lief auf den perfekten Zeitpunkt zum Boxenstopp heraus. Diesmal von Regenreifen auf Intermediates. Pirellis Extremwetter-Reifen waren nach dem Re-Start hinter dem SafetyCar für alle Pflicht. Sie machten auch wegen der vielen Pfützen auf der Strecke Sinn. Doch die Intermediates wurden früher zu einer Option als es die Rundenzeiten vermuten ließen.

Max Verstappen drehte seine erste freie Runde in 1.50,761 Minuten. Nach den Erkenntnissen vom Freitag lag die kritische Rundenzeit für einen Wechsel bei 1.48 Minuten. Sebastian Vettel und Nicholas Latifi probierten es trotzdem. Sie bogen sofort mit Freigabe des Rennens für Intermediates in die Boxengasse ab. Es wurde für beide der goldene Griff. Vettel sprang von Platz 16 auf Rang 6, Latifi von 15 auf 9. Auf diesen Positionen wurden sie nach 28 Runden auch abgewunken.
Vettel freute sich, dass sein Plan aufging. Der Neunte des Trainings durfte nach seinem Dreher in der Startrunde nicht mehr mit WM-Punkten rechnen. Deshalb setzte er voll auf Risiko: "Wir hatten einen super Boxenstopp, und dann bin ich eine Runde am absoluten Limit gefahren, was mir den Undercut gegen den Großteil des Feldes verschafft hat." Auch Latifi freute sich über den ersten zählbaren Erfolg in diesem Jahr: "Die Entscheidung für den frühen Stopp war richtig. Am Ende war es schwierig die Position zu halten. Meine Vorderreifen waren am Ende."

Der Fehler mit dem Doppelstopp
Für die zweite Gruppe hat es sich schon nicht mehr so gelohnt. Lando Norris und Valtteri Bottas entschieden sich eine Runde später als Vettel und Latifi zum Stopp. Norris verbesserte sich um drei Positionen, was ihm am Ende einen WM-Punkt schenkte. Bottas verlor Plätze. Die große Meute stürmte in Runde 7 die Boxengasse. Red Bull, Mercedes und Alpha Tauri riskierten dabei einen Doppelstopp. Bei Red Bull funktionierte er, weil Max Verstappen und Sergio Perez 5,1 Sekunden getrennt waren. Zwischen Yuki Tsunoda und Pierre Gasly lagen 7,6 Sekunden. Auch kein Problem.
Für Mercedes war die Mission von vornherein eine heikle Nummer. Lewis Hamilton und George Russell lagen nur 3,4 Sekunden auseinander. Russell musste warten und verlor 2,7 Sekunden. Schlimmer noch. Er hatte plötzlich Tsunoda vor der Nase. Und der Japaner diktierte ihm sieben Runden lang das Tempo. Russell verlor in der Phase acht Sekunden auf die Fahrer, die normalerweise seine Gegner gewesen wären.
Fernando Alonso und Daniel Ricciardo warteten eine weitere Runde. Nach Ansicht von Alonso zu lang. Er hätte sich einen Boxenstopp wie Vettel gewünscht. Doch Alpine wollte von seinem festen Plan nicht abweichen. Der Stopp in Runde 8 war immer noch besser als auf Ocon zu warten. Alonso fiel vom sechsten auf den achten Platz zurück. Ricciardo traf es schlimmer. Von Platz 8 auf Rang 14. Guanyu Zhou und Mick Schumacher hielten am längsten auf Regenreifen durch. Schumacher sogar bis Runde 11. Teamchef Guenther Steiner räumte ein: "Ein Fehler. Wir hätten agieren und nicht auf andere reagieren sollen."

Überhol-Delta von zwei Sekunden
Auch die Mercedes-Strategen gaben ihren Fehler zu: "Ideal wäre gewesen Lewis reinzuholen, als Seb reinkam und George eine Runde später. Oder umgekehrt. Runde 7 mit Lewis war in Ordnung, der Doppelstopp nicht. Warum haben wir es nicht früher gemacht? Wir hatten Angst, dass einer mit den Hinterreifen eine Pfütze trifft, so wie es in der Runde nach dem ersten Start passiert ist."
Bei Mercedes ist man sogar davon überzeugt, dass mit Hamilton gegen Esteban Ocon ein Overcut funktioniert hätte. "Das liegt daran, dass er dann eine Runde freie Sicht gehabt hätte, alle anderen auf den Intermediates aber in der Gischt gefahren wären." Ocon wurde für Hamilton zum Alptraum.
Der Franzose wehrte sich 28 Runden lang mit Händen und Füßen gegen das Überholen. Ohne DRS war Hamilton chancenlos. Der Mercedes war auf maximalen Abtrieb getrimmt, was ihm bei freier Fahrt schnelle Rundenzeiten verschafft hätte, aber dramatisch Topspeed gekostet hat. "Lewis hätte eine Sekunde schneller als Ocon fahren können, doch das Überhol-Delta lag für uns bei zwei Sekunden."
Russell bewegte sich nur nach vorne, weil er an Plätzen überholte, wo man normalerweise nicht überholt. Am Ende des Bergaufgeschlängels außen in Kurve 6. In einem idealen Rennen hätte Hamilton den Speed von Charles Leclerc und Sergio Perez gehabt. Max Verstappen lag für alle außer Reichweite. Der alte und neue Weltmeister führte seine Dominanz auf den Umstand zurück, dass er an der Spitze als einziger die Vorderreifen schonen konnte. "Das hat mir vor allem im ersten Sektor einen großen Vorteil verschafft."

Nullsummenspiel für Alonso
Alfa-Sauber zeigte in der 18.Runde allen anderen, dass es noch Alternativen dazu gab, den Satz Intermediates bis zur Zeitschranke durchzubringen. Bereits da ließ sich ausrechnen, dass der GP Japan nicht länger als 28 Runden dauern würde. Zhou wurde trotzdem ein zweites Mal für frische Intermediates an die Box geholt. Und drehte zwei Runden später die schnellste Rennrunde. Als Sechzehnter bekam er keinen Punkt dafür.
Der zweite Stopp war nicht für alle eine Option. Charles Leclerc kämpfte zwar da bereits mit abbauenden Vorderreifen, aber bei nur 14 Sekunden Vorsprung auf die Gruppe Ocon und Hamilton wäre der Ferrari-Pilot hinter beide gefallen, hätte beide überholen und auf Sergio Perez dann 18 Sekunden aufholen müssen. Bis dahin wären am Ferrari wahrscheinlich wieder die Vorderreifen über den Berg gewesen.
Fernando Alonso hat es aus den Top Ten als einziger Zhou nachgemacht. Er hatte eine Lücke hinter sich, die groß genug war um nur zwei Positionen einzubüßen. Nach dem Gefühl des Spaniers wieder eine Runde zu spät. Doch hätte er die frischen Reifen eine Runde früher bekommen, wäre er auch noch hinter Lando Norris gefallen. Ein Auto mehr zu überholen.
Mercedes überlegte Hamilton mit einem zweiten Stopp aus der Ocon-Falle zu holen, verwarf den Plan aber wieder, weil das Überholen mit dem schlechten Topspeed so schwer war. "So wie es Alonso gemacht hat, hat es am Ende nichts gebracht. Er ist dort gelandet, wo er vorher war. Für Alpine war die Entscheidung einfacher, da sie fünf Sekunden vor uns lagen."
Alonso fuhr im Finale zwar teilweise vier Sekunden pro Runde schneller als der Rest des Feldes. Doch es reichte nur noch an Latifi und Russell vorbeizufliegen. Zu Vettel fehlten über die Linie nur 0,011 Sekunden. Alpine war der Meinung, das Rennen sei eine Runde zu früh beendet worden. Die FIA-Kommissare belehrten sie, dass in diesem Fall das Dreistunden-Limit für das Event zählte. Und das ist ein harter Schnitt. Das Rennen endet in der Runde, in der die drei Stunden überschritten werden.