Die Formel 1 zwingt allen Beteiligten einen hektischen Lebensstil auf. Im Ein- bzw. Zwei-Wochen-Rhythmus geht es auf Reisen, um Grand-Prix-Events rund um den Globus durchzuführen. Auch in den Fabriken stehen die Maschinen niemals still. Ständig müssen neue Teile entwickelt und produziert werden. Verschnaufpausen kann sich keiner leisten, sonst droht man gegenüber der Konkurrenz zurückzufallen.
Um den Angestellten mitten in einer stressigen Saison ein wenig Ruhe zu gönnen, haben die Verantwortlichen vor ein paar Jahren die zweiwöchige "Shutdown"-Periode eingeführt. Auf welche Tage genau die Zwangsferien in die Pause zwischen Spa und Zandvoort gelegt werden, bleibt jedem Team selbst überlassen.
Klar ist nur, dass alle Arbeiten an den Autos für 14 Tage eingestellt werden müssen. Der Windkanal und der Simulator werden abgeschaltet. Auch die Entwicklung und die Produktion müssen ruhen. Die Angestellten dürfen noch nicht einmal über Dienst-Accounts kommunizieren. Die zehn Fabriken gehen praktisch in einen Winterschlaf-Modus über – nur mitten im Sommer.
Die Teams müssen zudem auch alle ihre Lieferanten darüber informieren, dass in der Shutdown-Periode keine Auftragsarbeiten erledigt werden dürfen. Weder bei komplett externen Zulieferern noch bei ausgegliederten Abteilungen auf dem eigenen Gelände dürfen Teile produziert oder Entwicklungsarbeit für das F1-Team betrieben werden. Die Kommunikation mit den Zulieferern muss in den 14 Tagen komplett eingestellt werden.

In der Sommerpause wird es auf dem Mercedes-Campus in Brackley deutlich ruhiger als im Rest des Jahres.
Zeit für neue Ideen
"Die Pause ist besonders wichtig für das Rennteam und ihre Familien. In diesen zwei Wochen können sie sich komplett auf sich selbst konzentrieren, ohne von E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten gestört zu werden oder an Meetings und die nächsten Rennen zu denken. In dieser Zeit können alle ihre Batterien wieder aufladen", freut sich Sportdirektor Ron Meadows über die Zwangspause.
Ganz stoppen lässt sich die Entwicklung aber nicht. Die Gedanken der Ingenieure kann man nicht so einfach abschalten wie eine Maschine. "In dieser Pause können wir über andere Dinge nachdenken und den Kopf freibekommen. Das führt dann oft zu neuen interessanten Ideen, die einem sonst vielleicht nicht einfallen würden", erklärt Technik-Direktor Mike Elliott.
Die Teams haben mittlerweile gelernt, mit der Unterbrechung umzugehen. Den erzwungenen Urlaub müssen alle Techniker stets im Hinterkopf haben und in die Entwicklungspläne einkalkulieren. Elliot rechnet vor, dass ein neuer Frontflügel normalerweise sechs bis acht Wochen für die Entwicklung und die Produktion benötigt. Mit dem Shutdown verschiebt sich dann alles um zwei Wochen nach hinten.

Alle Ingenieure müssen im Sommer zwei Wochen in den Zwangsurlaub.
Entwicklungskurve flacht ab
"Als grobe Marke kann man sagen, dass wir pro Rennen im Schnitt ein Zehntel pro Runde schneller werden wollen. Und Rennen gibt es im Schnitt alle zwei Wochen. Doch während des Shutdowns steigt die Entwicklungskurve plötzlich nicht mehr an. Ich halte es nicht für sehr effizient, die ganze Fabrik erst runter- und dann wieder hochzufahren. Aber es ist ja für alle Teams gleich", so Elliott.
Rob Thomas, der Chief Operating Officer (COO) des Mercedes-Werksteams, bezeichnet die Zwangspause als eine der besten Regeln, die in der Formel 1 überhaupt eingeführt wurden. Um das operative Geschäft komplett ruhen zu lassen, bedarf es allerdings einiger Vorbereitungen.
"Wir bereiten uns schon viele Monate im Voraus auf diesen Zeitraum vor. Alles muss akribisch geplant werden. Das letzte Rennen vor der Pause war in Spa. Rechnet man die Pause raus, bleiben uns nur ein paar Tage, um die Autos für das nächste Rennen in Holland zu präparieren."

In der Sommerpause bleibt den Technikern Zeit, den kompletten Maschinenpark zu warten.
Zeit für Wartungsarbeiten
Ganz abgeschlossen wird die Fabrik in den Sommerferien laut Thomas übrigens nicht. Nur weil nichts mehr produziert werden darf, heißt das nicht, dass die Teams die Zeit komplett ungenutzt lassen. "Es ist der einzige Zeitraum, in der wir mal ungestört Wartungsarbeiten an den Anlagen durchführen können. Sobald die Pause beginnt, starten wir an allen Maschinen mit Servicemaßnahmen."
Neben den Wartungstrupps "dürfen" übrigens auch die Vermarktung, die Öffentlichkeitsarbeit, die Finanz-Abteilung und die hauseigenen Juristen weiterarbeiten. Die IT kann die freie Zeit nutzen, um ungestört Software-Updates an den Systemen durchführen. Natürlich ist auch die Gebäude-Reinigung weiter im Einsatz.
Nach Auskunft von Sportdirektor Meadows werden schon vor der Pause alle Verwaltungsarbeiten für das erste Rennen nach der Sommerpause erledigt. Sobald der Shutdown dann beendet ist, müssen alle Mitarbeiter direkt wieder in die Fabrik kommen. "Wir starten sofort mit dem Zusammenbau der Autos und führen noch ein paar Einheiten Boxenstopp-Training durch. Es geht darum, direkt gut in Form zu sein, wenn es wieder losgeht."